Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider
VERWUNDERLICH. Einschneidende Änderungen bei der Mindestsicherung und niedrigere bis keine Sozialleistungen für Flüchtlinge, das waren die Wahlkampfschlager, die letztendlich die jetzt dräuende Koalitionsregierung ermöglicht haben. Im FP-Sprech hieß das: „Für Menschen die nicht ins Sozialsystem eingezahlt haben, darf es keine Geldleistung als Mindestsicherung geben.” Da müsse man „ein Dach über den Kopf” sicherstellen, Essen und medizinische Versorgung. Und Gemeinschaftsdienst. Seitens der ÖVP nannte sich der parallele Kurs „Fokus auf Sachleistungen bei Wohnen, Energie, Lebensmitteln oder Deutschkursen”, „Mindestsicherung light”.
Jetzt wird seit einiger Zeit sondiert. Und siehe da: Schon rudert man mit vereinten Kräften ein Stück zurück, auch auf die Gefahr hin, sich vorm Wähler einen Splitter einzuziehen. „Wir sind nicht mehr im Wahlkampf, und wir sind keine Oppositionspartei mehr”, wird ein FPÖ-Verhandler in der Presse zitiert. Nachteile für gewisse Bevölkerungsgruppen seien möglicherweise nicht verfassungskonform bzw. nicht mit europarechtlichen Bestimmungen vereinbar. Schau an. Da wundern wir uns, was alles nicht möglich ist. Woran das erinnert? „Lock her up”, „Build that wall”, „Drain the swamp” … Das Polit-Testimonial, das dank dieser griffigen Messages vor einem guten Jahr ins Amt gerutscht ist, tut sich mit seinen unique selling propositions seitdem auch ein bissl schwer.
Hinter den Kulissen
Währenddessen jagen Österreichs Wirtschaftsdaten von einem Höchstwert zum nächsten. Der Industriemotor läuft wie geschmiert und verzeichnet die längste Aufwärtsphase seit zwanzig Jahren, der Konjunkturindikator der Bank Austria stieg im Oktober auf ein Zehn-Jahres-Hoch. Fast könnte man meinen, dass die Phasen wahlkampfbedingter Lähmung der Republik irgendwie guttun. Mögen die Sondierungsgespräche weitergehen. Lebet lang und in Frieden!