Gastkommentar ••• Von Herbert Rohrmair-Lewis
WIEN. Die Coronakrise und die damit verbundenen Maßnahmen sind nun sieben Wochen alt, und wir sehen bereits jetzt viele Merkmale, die einen großen Unterschied im Umgang mit Covid-19 machen. Tugenden, die Staaten und Unternehmen brauchen, um in Zukunft erfolgreich zu sein, sind Schnelligkeit, adaptives Verhalten, permanentes Hinterfragen von vorhandenen Strukturen, Ausreizen von Grenzen, Steigerung der Lernfähigkeit und eine gelebte Fehlerkultur. In weiterer Folge benötigt es Klarheit in der Kommunikation, Entschlossenheit im Vorgehen, Unabhängigkeit bei Ressourcenbeschaffung und Lieferketten und ein robustes und nicht bereits am Kapazitätsanschlag operierendes System.
Empathie und Kreativität
Das Virus hat mit Brachialgewalt gezeigt, wo die Schwächen und Stärken der jeweiligen Systeme liegen. Der Mensch war dabei, sich selbst wegzurationalisieren. Doch keine künstliche Intelligenz kann aktuell den Kurs vorhersagen. Deshalb müssen wir Menschen uns auf das konzentrieren, was Maschinen uns niemals abnehmen können: Empathie und Kreativität.
Unternehmen, welche dazu in der Lage sind, haben ihre Produktion innerhalb von Tagen umgestellt, um Güter wie Schutzmasken oder Desinfektionsmittel zu produzieren. Ingenieurinnen und Ingenieure haben mit ihren 3D-Druckern schnell wichtige Teile für Atemschutzgeräte hergestellt. Gewerbebetriebe, welche aufgrund des Lockdowns über Nacht Einnahmequellen verloren haben, mussten neue Vertriebswege finden. So zum Beispiel eine Wiener Kaffeehausgröße, die innerhalb von Tagen einen Lieferservice eingeführt und gleichzeitig die Infrastruktur umgebaut hat, während so mancher Mitbewerber die Zeit damit verbracht hat, Kurzarbeitsformulare auszufüllen.
Alle Beispiele zeigen, dass Kreativität, Empathie und Flexibilität im Denken und Handeln entscheidend sind. Tugenden, die bleiben müssen. Und die gute Nachricht: In Österreich haben wir Kreativität und schöpferisches Denken praktisch im Blut. Diese Erkenntnis scheint jedoch ein wenig in Vergessenheit geraten zu sein. Wir müssen uns dessen wieder erinnern und kreatives, lösungsorientiertes Denken und Handeln stärker fördern. Jeder kann auf seine Art kreativ sein. Unser Begriff von Kreativität steht für geistige Beweglichkeit, stetigen Austausch, kontinuierliches Suchen nach Lösungen, kollektives Lernen. Kurz gefasst, Dinge zusammenbringen, die vordergründig nicht zusammengehören, und daraus Neues entwickeln. Für Unternehmen bedeutet das: Jeder kann Ideen haben, die erfolgreich machen – vom Pförtner bis zum CEO.
Wichtigste Ressource der Welt
Dieses umfassende Verständnis von der Kreativität aller nennen wir „Total Creativity”. Den Prozess von Silo-Kreativität hin zu kreativen Kollaborationen innerhalb einer Organisation bezeichnen wir als „Kreativierung”. Die Coronakrise hat uns diesen Zugang nochmals veranschaulicht. In Notsituationen bündeln Menschen oftmals ihre Kräfte und bringen außergewöhnliche Ergebnisse für die Gemeinschaft hervor. Das Zusammenschließen von Potenzial sollte zur Norm werden und keine Ausnahme bleiben.
Kreativität ist die wichtigste Ressource der Welt. Ich denke, sie war noch nie so relevant wie in der jetzigen Zeit.