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Redaktion 11.10.2024

„Wir manipulieren nicht, wir bieten Unterstützung”

Die Consultingagentur Affective Advisory will nicht weniger, als die Zukunft der Beratung zu revolutionieren – mithilfe evidenzbasierter Erkenntnisse.

••• Von Elisabeth Schmoller-Schmidbauer

Ich kann die Bewegung der Himmelskörper berechnen, aber nicht das zuweilen abnorme Verhalten der Menschen”, sagte der bedeutende Naturwissenschafter Isaac Newton, der Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts in England wirkte. Was Newton bereits in der frühen Neuzeit aufgab, hat sich die Applied Behavioural Science zur Aufgabe gemacht. Sie will menschliches Verhalten systematisch erforschen, messen und begründen – und vor allem: verändern. „Wir manipulieren allerdings nicht, wir bieten Unterstützung bei der Entscheidungsfindung von Menschen an”, betont Torben Emmerling. Emmerling ist renommierter Behavioral Scientist im deutschsprachigen Raum. Der Schweizer unterrichtet an der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) Zürich, ist Gründungsmitglied und Non-Executive Director im Vorstand des Global Association of Applied Behavioural Scientists (GAAPS) sowie Gründer und Managing Partner von Affective Advisory – ein führendes Consulting-Unternehmen für angewandte Verhaltenswissenschaften in den Bereichen Strategie, Politik und Kommunikation. Zu den Kunden des Unternehmens zählen öffentliche Einrichtungen und Organisationen, NGOs sowie internationale Konzerne. „Die Zielgruppen, mit denen wir uns beschäftigen, setzen sich aus den drei Cs zusammen: Colleagues, Customers und Citizens”, erklärt Torben Emmerling. „Das heißt ein Bereich unserer Tätigkeit dreht sich um unternehmensinterne Aspekte, wie Diversity und Inclusion oder Organisationsentwicklung. Ein weiterer beschäftigt sich mit Bedürfnissen und Fragen zu jeweiligen Kunden. Und der dritte Bereich meint Belange, die den Bürger betreffen. Also Strategien der öffentlichen Hand, um Veränderungen herbeizuführen.” Emmerling gründete Affective Advisory 2017, seit 2023 ist das Behavioral Science-Unternehmen Teil des Agenturnetzwerks Team Farner und bietet seine Expertise über menschliches Verhalten den Partneragenturen an. „Mit Affective Advisory haben wir neue Möglichkeiten, wie wir Kommunikation für unsere Kunden aufsetzen, planen und umsetzen”, betont Jürgen Gangoly, Managing Director und Partner der Wiener Agentur Skills|Team Farner. „Und damit Zugriff auf Methoden, die weitaus effizienter sind als das, was man in den letzten Jahrzehnten an der Universität zum Thema Massenkommunikation und Öffentlichkeitsarbeit gelernt hat.”

Denn Affective Advisory verbindet die vielen Erkenntnisse aus der Behavioral Science mit evidenzbasierten Daten und neuesten Technologien, wie zum Beispiel KI. „Die Erkenntnis, die hinter diesem Zugang steht, ist die, dass der Mensch bei seinen vielen, vielen Entscheidungen, die er tagtäglich trifft, keiner ökonomischen Rationalität folgt”, erklärt Behavioural Scientist Emmerling. „Wir Menschen tun nicht immer das, was wir uns vornehmen oder von dem wir wissen, dass es die bessere Alternative ist.” Wissenschaftliche Erkenntnisse zeigen, dass der Mensch eher seine Überzeugung denn sein Verhalten verändert, wenn beides im Konflikt zueinander steht. „Diesen Intention Action Gap zu erkennen und zu verstehen, ist eine Aufgabe von uns”, so Emmerling. „Ein weiterer wichtiger Forschungs-aspekt sind die sogenannten Revealed Preferences, also das, was der Mensch, vielleicht wider besseren Wissens, dann tatsächlich macht.”

„Erleichtern Entscheidungen”

Eine erfolgreiche Kampagne, die Affective Advisory in Kooperation mit dem Schweizer Kanton Zug und dem Amt für Sport und Gesundheitsförderung realisierte, setzte genau dort an. „Es ging darum, die Menschen zu einer besseren und gesünderen Ernährung zu motivieren, denn obwohl wir alle wissen, woraus eine gesunde Ernährung besteht, entscheiden wir uns im Alltagsstress dann oftmals für eine weniger gesunde Mahlzeit”, erzählt Emmerling. „Für die Kampagne sind wir direkt zum Point of Purchase gegangen und haben dort versucht, den Menschen die Entscheidung zu erleichtern, gesündere Lebensmittel zu kaufen.”

Wichtig war dafür zunächst aus verhaltenswissenschaftlicher Sicht, herauszufilten, in welchen Momenten den Menschen diese Hilfestellung direkt am Point of Sale überhaupt angeboten werden kann. „Wir haben festgestellt, dass es einige Punkte gibt, an denen sich Menschen beim Einkaufen optisch orientieren, denen sie Aufmerksamkeit schenken. Zum Beispiel richtet sich unser Blick automatisch auf den Boden, wenn sich etwas bewegt – wie bei Drehtüren oder Einkaufskörben.” Also wurden die Körbe mit einfachen Informationsfoldern über gesunde Ernährung versehen. „Denn Menschen in Momenten der Unsicherheit vertrauen auf Experten. Da stand dann auf dem Inlay zum Beispiel: Hier ist eine Gemüsezone und wenn ein Drittel des gefüllten Korbes aus Gemüse besteht, dann ist das ein ausgewogener Einkauf”, so Emmerling.

Wissen als Unterstützung

Ein weiterer wichtiger Aspekt für die Kampagne: Menschen benötigen für ihre Entscheidungen Inspiration. „Also entwickelten wir eine gamifizierte Website, um Wissen über Gemüse zu vermitteln, zu dem man beim Einkaufen nicht automatisiert greift.” In Kooperation mit dem größten Schweizer Lebensmittelhändler konnte eine randomisierte Kontrollstudie durchgeführt werden. „Über einen gewissen Zeitraum hinweg haben wir die Studie mit Kontrollgruppen, mit und ohne Installation, durchgeführt und 3,5 Millionen Daten von Kassen ausgewertet”, erklärt Emmerling. „Anhand dieser Daten konnten wir bis zum einzelnen Gemüse nachweisen, wo in einer Intervention versus einer Kontrollfiliale so etwas funktioniert und können damit auch klar darlegen, was wann wie funktioniert und wie man auf diesen Daten aufbauen könnte.” Im konkreten Fall konnten Tendenzen nachgewiesen werden, dass im Moment des Zugriffs Menschen bei ihrem Kaufverhalten beeinflusst werden können.

Zukunft der Beratung

Bei der Arbeit von Affective Advisory entsteht eine große Menge an Daten und Erkenntnisse, die für weitere Projekte weiterverwendet und -entwickelt werden können. „Wir arbeiten mit vielen Organisation und Unternehmen zusammen und erforschen gemeinsam, um belastbare Beweise zu bringen”, meint Emmerling. „Sodass die Zukunft der Beratung nicht nur auf einer Empfehlung einer Expertin oder Experten beruht, sondern auf Forschung und Datenwissenschaft.” Davon profitieren auch die Mitarbeiter von Skills|Team Farner, die bereits in dem Bereich der Applied Behavioural Science geschult wurden. „Wir werden in unserem gesamten Service noch einmal effizienter, weil wir durch diese Erkenntnisse auch einen besseren Zugang zu den Menschen haben und Kommunikationsbarrieren abgebaut werden”, betont Jürgen Gangoly. „Wir können Menschen gezielter und im richtigen Moment ansprechen und damit zu gewünschtem Verhalten motivieren.”

Hohe ethische Standards

Mit diesem umfangreichen Wissen und den damit verbundenen Tools geht allerdings auch eine große Verantwortung einher, ethische Standards einzuhalten. „Wir haben eigene Ethikcodes entwickelt, an die wir uns halten, und prüfen auch jeden einzelnen Fall, bevor wir ihn übernehmen”, so der Affective Advisory-Gründer. „Wir haben auch schon Mandate abgelehnt. Parteiwerbung oder Wahlwerbung machen wir zum Beispiel grundsätzlich nicht. Außerdem achten wir auf ein gutes Prozessmanagement, um individuelle und fallabhängige ethische Standards einzuhalten.”

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