••• Von Georg Sohler
Bereits seit 1994 beschäftigt sich Ströck mit Bio. Auf Zuruf von Billa-Gründer Karl Wlaschek erfand die Bäckereifamilie das Biobrot. „‚Die Ströcks machen die besten Brote und die fünf erfolgreichsten sollten in Bioqualität hergestellt werden', meinte er”, erinnert sich Gerhard Ströck an die Zeit vor 30 Jahren zurück. Also noch bevor bei vielen Unternehmen überhaupt ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit gegeben war, setzte das 1970 gegründete Wiener Unternehmen, das seit 1991 eigene Filialen betreibt, auf ein Wirtschaften, das auch an das Morgen denkt.
„Uns ist das einfach wichtig”, sagt er mit Nachdruck; man will es, man kann es, man tut es. Dies ist belegbar. Das verwendete Mehl kommt zu 100 Prozent aus Österreich, in hohem Ausmaß in Bioqualität. Seit 2006 ist der Kaffee Fairtrade, zwei Jahre später folgte die Umstellung auf Bio-Fairtrade, die Becher sind seit 2014 recyclebar, die Eier zum Verkauf in den Filialen sind aus österreichischer Biofreilandhaltung. Wer einen auch noch so kleinen Event mit Backwaren unterstützt haben möchte, bekommt dies von der Firma.
Hervorzuheben ist hierbei das „Bio-Wiederbrot”: Übriggebliebene Produkte werden an karitative Vereine gespendet oder als Futtermittel für Tiere und Dünger verwendet, aber auch seit geraumer Zeit verwertet. Denn Brot und Gebäck sind jene Lebensmittel, die mit Abstand am häufigsten verschwendet und weggeworfen werden, obwohl sie noch genießbar wären – allein in Wien landen täglich fast 70 t Brot im Müll. Bei Ströck bleiben etwa zehn Prozent der Backwaren übrig, bisher wurden sie allesamt für die Tierfütterung benutzt. Das Bio-Wiederbrot soll jetzt helfen, das wertvolle Kulturgut Brot noch effizienter zu nutzen. Die Idee dafür stammt ursprünglich aus London; dort verkauft die Bäckerei Gail’s Bakery schon seit Jahren ein ähnliches Produkt aus übrig gebliebenem Brot vom Vortag – mit großem Erfolg. Nach einem langen Entwicklungsprozess gibt es das Bio-Wiederbrot nun schon seit 2020 in allen Ströck-Filialen.
Wie schaffen die das?
„Unsere Mitbewerber haben sich immer gefragt, wie sich das alles ausgeht, weil Bio damals wie heute doppelt so viel kostet”, sagt Gerhard Ströck. „Aber unser Brot ist nicht teurer als andere.” Seine „Zauberformel” lautet Effizienz, oder Mitarbeiterschulung. Es half, das Geschäftsfeld zu erweitern. Den Anstoß gaben die drei Söhne, die – dazu später mehr – eine mehr als nur wichtige Rolle im Betrieb spielen.
Denn Idealismus allein reicht in der heutigen Welt nicht. „Sie haben vor mehr als zehn Jahren gesagt: Papa, so wie du Brot backst, haben wir keine Zukunft”, erinnert er sich zurück. Aber statt sich wie vielleicht so manch anderer angegriffen zu fühlen, hörte er zu. Aus der Idee des Nachwuchses, zum Teil ausgebildete Gastronomen, entstand die Idee von „Ströck-Feierabend”.
Immer weiter denken
Die Umsetzung ist Premium. Es geht um Qualität, Geschmack, geringe ökologische Auswirkungen und einen fairen Preis. Über das Kerngeschäft des Brotbackens hinaus gibt es, so der Claim, das Beste aus Brot und Wein. Regionalität und Ressourcenschonung wird dabei großgeschrieben. Heute ist das Team auf 120 Mitarbeiter angewachsen. Und um das Wachsen geht es auch beim neuesten Projekt in der Lexergasse in Wien.
Auf dem Dach der neuen Ströck-Backstube wird bald Gemüse in der Restwärme der Öfen wachsen. Früher wurden nach dem Brotbacken im Ofen Obst gedörrt, Getreide getrocknet oder Schmorgerichte gekocht. Das ist heutzutage nicht mehr möglich, es scheitert an den geltenden, wichtigen Hygienevorschriften. Nun sollen mit der überschüssigen Wärme Tomaten, Zucchini und Co. produziert werden, auf dem Dach der neuen Halle entsteht unter anderem ein Gewächshaus für Gemüse, das mit der Restwärme der Öfen beheizt werden kann: „Auf 180 Quadratmetern wird nun Biogemüse im Gewächshaus mit der Abwärme der neuen Backstube mittels Wärmetauscher beheizt.”
Ohne Gas geht es nicht
Hier gilt es einzuhaken – denn Brotbacken ist energieintensiv, man setzt auf Gas. „Und ich hoffe, dass es noch 1.000 Jahre Gas gibt”, meint Ströck dazu. „Brot mit Strom zu backen, macht wenig Sinn, das ist zu aufwendig – egal, was in den Medien steht.” Alternativen wären immer gut und wichtig, wenn man das tägliche Brot erhalten will, braucht es aber Gas. Und er erlaubt sich bei dem Thema eine Portion Emotion. Denn hier geht es um Themen, die – auch politisch – seiner Ansicht nach falsch kommuniziert werden.
In einem anderen Punkt geht es um noch mehr Unverständnis gegenüber der Politik, mit noch mehr und sehr gut verständlicher Emotion. Denn nun geht es nicht ums Herzeigen von unternehmerischen Errungenschaften nachhaltiger Natur, sondern um die Familie selbst.
Christoph und sein Bruder Philipp leiden an ME/CFS, seit letztem Jahr ist dies öffentlich. Traurige, größere Bekanntheit erlangte diese Erkrankung als Nachwirkung von Covid-19. Das chronische Fatigue-Syndrom, an dem in Österreich zwischen 20.000 und 80.000 Menschen leiden, gibt es aber schon länger. Grundlagenforschung dazu gibt es leider viel zu wenig. Damit es den eigenen Söhnen irgendwann wieder besser gehen könnte – und viele andere in Zukunft eine entsprechende Behandlung erhalten können –, gründete die Familie Ströck die WE&ME Stiftung. Es dauerte lange, bis man überhaupt darüber sprechen konnte.
„Jetzt ist es unsere Mission, weil die Erkrankung unser Leben prägt”, sagt Vater Gerhard. „Die Politik nimmt diese Erkrankung nicht ernst genug. Wir mussten für eine Diagnose bis nach Stanford, manche mussten eine Behandlung hierzulande vor Gericht erwirken.” Die Familie hat die Stiftung mit einem Basiskapital ausgestattet – es brauche aber mehr, um der heimtückischen Krankheit Herr zu werden. Darum macht man darauf aufmerksam. Er hofft, wenn die Politik hier schon nicht genug tut, dass die Unternehmerfamilie hier proaktiv für die Awareness und Forschung eintreten kann.