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Redaktion 03.07.2020

Nöm AG zieht Resümee über Coronakrise

Im Interview spricht Vorstand Alfred Berger über die vergangenen Monate und gibt einen Ausblick.

••• Von Daniela Prugger

Durch engagierte Mitarbeiter, die Implementierung sicherer IT-Systeme und strenge Hygienemaßnahmen erhält die Nöm AG die Milchproduktion seit Wochen aufrecht. Beispielsweise hat sie die Telearbeit für den gesamten Administrationsbereich ermöglicht. Ebenso wurden Möglichkeiten gefunden, den Schichtwechsel kontaktfrei zu gestalten – mithin: Nöm hat sich prompt auf die neuen Anforderungen eingestellt. Durch die Lockerung der Maßnahmen durch die österreichische Regierung ist es auch Zeit für die Nöm, ein Resümee zu ziehen. Zwar scheint sich die Coronakrise in Österreich zu beruhigen, doch das Unternehmen bleibt in hoher Alarmbereitschaft, erklärt Vorstand Alfred Berger im Interview mit medianet.


medianet: Herr Berger, zuletzt gab es in mehreren EU-Ländern Initiativen zur Stabilisierung der Märkte durch den LEH als wichtigsten Abnehmer von Milchprodukten. Wie stehen Sie zu dieser Ankündigung?
Alfred Berger: Ich denke, dies ist sehr schwer umzusetzen. Der LEH ist ja sowieso unser größter Abnehmer, also was soll sich hier ändern. Mindestpreise sind mit dem freien Wettbewerb unvereinbar. Den regionalen Einkauf zu unterstützen und weiter anzuregen, finde ich jedoch für Handel und vor allem für die Konsumenten sehr wichtig.


medianet: Welche nächsten Schritte wünschen Sie sich vonseiten der Politik und vonseiten des LEH?
Berger: Vom LEH wünsche ich mir Verständnis für die Kosten, die wir im klein strukturierten Österreich haben, und eine faire Abgeltung. Unsere zusätzlichen Hygienemaßnahmen schlagen mit über 200.000 Euro pro Monat zu Buche. Und am Fall ‚Tönnies' zeigt sich, dass dies eine sinnvolle Investition war und ist. Nur: Außer uns interessieren die Kosten niemanden. Hier wäre politische Hilfe an­gesagt.

medianet: Welche Sicherheits- und Hygienemaßnahmen wurden eingeführt, und wie lange rechnen Sie damit, dass diese noch bestehen bleiben?
Berger: Die Nöm setzte als eines der ersten Unternehmen Fieberkontrollen ein. Zusätzlich zu den bereits vorhandenen, flächendeckenden Desinfektionsstationen wurden mehrmals täglich sämtliche Räumlichkeiten und Maschinen desinfiziert. Mit einer schnell und straff organisierten Einführung der Telearbeit für den gesamten Administrationsbereich und dem komplizierten, aber machbaren kontaktfreien Schichtwechsel haben wir prompt auf die neuen Anforderungen reagiert und konnten daher von Anfang an ohne Einschränkungen die anfänglich ungeplanten Mehrmengen zur Verfügung stellen. Wir sind weiter sehr vorsichtig und halten die Vorsichtsmaßnahmen aufrecht. Gerade der aktuelle Fall in Deutschland zeigt, wie schnell es gehen kann und ein großer Betrieb plötzlich stillsteht. Müsste ein Betrieb wie die Nöm schließen, wären die Auswirkungen auf die österreichische Milchwirtschaft, die Landwirtschaft und die Versorgungssituation in Wien und NÖ verheerend. Aus diesem Grund werden wir auch weiter nicht müde, uns an unsere strengen Regeln zur Sicherheit aller zu halten.

medianet: Wie hat sich das Konsumverhalten der Österreicher seit der Coronakrise verändert?
Berger: Durch die Krise hat sich der Produktmix deutlich verschoben. Speziell H-Milch bzw. Produkte der weißen Palette wurden stärker nachgefragt. Das ist aus unserer Sicht jedoch normal und wir konnten durch unsere schnelle Reaktion auch hier sicherstellen, dass es keine Versorgungsengpässe gab. Im LEH ist nach den anfänglichen Hamsterkäufen bald wieder Normalität im Konsumverhalten eingetreten. Die bunte Palette hat sicher gelitten, und die spannende Frage ist, wie weit haben die Konsumenten ihr Einkaufsverhalten und ihre Wahl nachhaltig verändert und was kommt wieder zurück. Sehr schön zu sehen ist nun, dass für viele Konsumenten nun das Thema Regionalität stärker in den Vordergrund rückt und wir hier als Molkerei in Niederösterreich, die ausschließlich mit der Milch unserer Bauern aus der Region arbeitet, eine positive Entwicklung sehen.

medianet: Wie hat sich der Umsatz zuletzt entwickelt?
Berger: Der Produktmix hat sich kurzfristig verschoben. Allerdings sind Produkte der weißen und gelben Palette nach wie vor mehr gefragt; das ist den erhöhten Koch- und Backaktivitäten zu Hause geschuldet, die nach wie vor anhalten. Die LEH-Umsätze sind stabil, aber HORECA sowie das ‚Out of Home-Business' ist einfach weggebrochen und es wird spannend werden, wie und wann und in welcher Dimension es wieder zurückkommt.

medianet:
War und ist die Coronakrise für größere Unternehmen einfacher zu meistern als für kleinere Molkereien?
Berger: Es hat weniger mit der Größe als mit der Branche zu tun. Wir haben Produkte verkauft, ein Frisör hatte zu und keinen Umsatz. Bezüglich Größe bin ich der Meinung, da spielt die Flexibilität und die Variabilisierung der Kosten eine große Rolle. Wer alle Kosten fix hat, hat schon ein Thema, wenn er sich nicht an die ­aktuelle Situation anpassen kann.

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