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© APA/Roland Schlager

Redaktion 26.04.2023

Teure Lebensmittel

Einflussmöglichkeiten laut Wirtschaftsminister Kocher „kurzfristig gering“.

WIEN. Für Sozialminister Johannes Rauch (Grüne) sind die hohen Preissteigerungen bei Lebensmitteln "nicht nachvollziehbar" - er will deshalb schon in den nächsten Tagen Vertreter des Lebensmittelhandels und Experten zu einem Gespräch einladen. Für SPÖ und ÖGB steht fest, dass "Preistreiberei" der Unternehmen schuld ist an der Teuerung. Aus Sicht von Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) sind die Einflussmöglichkeiten auf die Preise kurzfristig gering.

Im Sozialministerium wundert man sich, warum die Preissteigerungen bei Lebensmitteln deutlich über der ohnehin hohen Inflationsrate liegen. Die Bundeswettbewerbsbehörde (BWB) habe bereits eine Untersuchung gestartet und zuletzt 1.500 Lieferanten des Lebensmittelhandels dazu befragt, heißt es dazu heute aus dem Ministerium. Viele europäische Länder hätten unterschiedliche Maßnahmen ergriffen.

Aus Sicht von Wirtschaftsminister Martin Kocher (ÖVP) sind die Möglichkeiten auf die Preise einzuwirken kurzfristig gering. Er betonte auf APA-Nachfrage am Rande eines Pressetermins die Wichtigkeit eines funktionierenden Wettbewerbs. Dieser wirke langfristig dämpfend und "führt am besten zu Preisen, die im Interesse der Konsumentinnen und Konsumenten sind", sagte der Minister. "Natürlich ist es in einer Phase, wo massive Kostensteigerungen da sind, wichtig auf die Preisentwicklung zu achten und im Gespräch zu sein mit den unterschiedlichen Branchen, aber kurzfristig sind, glaube ich, die Einflussmöglichkeiten gering."

FPÖ-Sozialsprecherin Dagmar Belakowitsch forderte eine "schnelle und spürbare Entlastung" für die Bürger. "Bereits mehrmals haben wir eine Senkung der Mehrwertsteuer auf Grundnahrungsmittel gefordert, jedoch ohne bei ÖVP und Grünen Gehör zu finden", sagte Belakowitsch laut Mitteilung.

Der Termin und der genaue Teilnehmerkreis für das Treffen, das Rauch und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) einberufen wollen, soll in den kommenden Tagen feststehen. Das Gespräch solle die Frage klären, ob die Preissteigerungen wirklich gerechtfertigt sind oder ob die Notwendigkeit besteht einzugreifen, teilte das Sozialministerium am Montag auf APA-Anfrage mit.

Laut Momentum Institut treiben die Profite der heimischen Unternehmen die Inflation in Österreich stärker als in fast allen anderen Ländern der Eurozone. Eine Analyse der Entwicklung des Anteils von Profiten an der Inflation über den Zeitraum von 2000 bis 2022 zeige, dass die Profite bei der Inflation in Österreich zuletzt um ein Viertel mehr ausgemacht hätten als vor 2022. Drei Viertel der nicht importierten Teuerung gingen auf die höheren Unternehmensgewinne zurück, nur ein Viertel auf die Löhne, schreibt Momentum und beruft sich dabei auf Eurostat-Daten.

Die "hausgemachte" Inflation, also jener Teil der Preiserhöhungen, der nicht auf die importierte Teuerung zurückgeht, lag demnach im Euroraum bei 5,8 Prozent. Mit knapp 60 Prozent wurde mehr als die Hälfte der hausgemachten Inflation durch gestiegene Profite der Unternehmen verursacht.

In Österreich betrug die Inflation im März 9,2 Prozent, der Wert der "hausgemachten" Inflation sei zuletzt bei 6,5 Prozent gelegen, schreibt Momentum. Der Beitrag der Unternehmensgewinne zur Teuerung sei mit 75 Prozent deutlich höher als im europaweiten Vergleich. "Drei Viertel der hausgemachten Inflation wurden durch Unternehmensprofite verursacht und nur ein Viertel geht auf die Löhne zurück", sagt Mattias Muckenhuber von Momentum. "Österreich liegt damit in der Eurozone am unrühmlichen 4. Platz." Nur in Zypern, Griechenland und Irland hätten Unternehmensgewinne einen noch höheren Anteil. In diesen Ländern sei jedoch die Inflationsrate niedriger als in Österreich.

Ein Ranking, in dem Österreich aber viel besser dasteht, hat auch die industrienahe Agenda Austria erstellt: Demnach sind die Lebensmittelpreise in Österreich im Jahresabstand weniger stark gestiegen als in den meisten anderen EU-Ländern - der Preisanstieg um 14,6 Prozent bei Lebensmitteln war demnach deutlich geringer als etwa in Deutschland, aber auch weniger als in den Nachbarländern Ungarn, Slowakei, Tschechien oder Slowenien.

"Wenn die Lebensmittelpreise in Österreich viel stärker steigen würden als in vergleichbaren Ländern, dann müsste man sich schon fragen, ob da etwas nicht stimmt", meint Jan Kluge von der Agenda Austria. Doch derzeit scheine der Handel vor allem gestiegene Weltmarktpreise weiterzugeben. "Sollte dabei gelegentlich ein Körberlgeld drin sein, hilft nur eins: Mehr Wettbewerb", lautet das bereits bekannte Patentrezept der Agenda Austria.

In Österreich wird etwas mehr als ein Zehntel der Haushaltsausgaben für Lebensmittel verwendet.

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