Die „zweite” Karriere des Oliver Irschitz
© Roland Ferrigato
CAREER NETWORK Redaktion 24.02.2023

Die „zweite” Karriere des Oliver Irschitz

Nach einer Auszeit widmet sich Architekt und Designer Oliver Irschitz nun dem Thema Kreislaufwirtschaft.

••• Von Oliver Jonke und Alexander Haide


Oliver Irschitz war ein Vorreiter, wenn es um die ­Erschaffung und das Erdenken von virtuellen Welten ging. Heute widmet sich der Künstler und Architekt neuen Ideen abseits digitaler und virtueller Welten.

medianet: In Ihrer ersten Karriere haben Sie mit digitalen ­Projekten Aufsehen erregt. Wie kam es dazu?
Oliver Irschitz: Bereits in meiner Diplomarbeit mit dem Titel ‚Utopia-digital-city' habe ich mich damit beschäftigt, eine virtuelle Welt zu designen und damit den Weg für meine weiteren Arbeiten vorgezeichnet. Das war Ende der 1990er-Jahre, als ich versuchte, mit einem Video die Vision einer Parallelwelt im Internet als Betriebssystem für eine reale Stadt zu entwickeln. Man könnte sagen, das war eine Vor-Vision von Google Maps und Google Earth, von Tools, die versuchen, die gesamte Welt virtuell zu erfassen und zugänglich zu machen. Dadurch ergaben sich viele interessante Anfragen, diese Visionen auch zu reali­sieren.

Dabei hat mich vor allem die Schnittstelle zwischen den Menschen und diesen virtuellen Welten beschäftigt. Damals gab es nur die Computermaus und die Tastatur als Eingabe-gerät. Zudem waren die Rechenleistungen und die Kapazitäten abseits von Universitäten und Forschungseinrichtungen sehr gering.
Nach dem Diplom war ich beim Future Lab in Linz, das durch die Ars Electronica Bekanntheit erlangte, und wir haben für die oberösterreichische Landesaustellung 2000 in Wels interaktive Installationen konzeptioniert und umgesetzt. Danach konnte ich bis ins Jahr 2017 eigene Projekte entwickeln und erfolgreich umsetzen.


medianet: Gab es dabei besondere Highlights und ­Meilensteine?
Irschitz: Das größte und wichtigste Projekt war sicher die ‚Interactive Experience' mit dem Titel ‚Austria be Touched' im österreichischen Expo-Pavillon in Shanghai im Jahr 2010, wofür ich später den Staatspreis Multimedia gewonnen habe. Zudem auch das Projekt ‚Window to the Future' am Ground Zero in New York im WTC7. Davor, 2007, gab es für einen interaktiven Tisch, den ich gemeinsam mit einer Kölner Agentur für Mercedes entwickelt hatte, den Red Dot Grand Prix. Im Jahr 2003 bekam ich den Adolf-Loos-Staatspreis Design und die Nominierung des Time Magazine für die Innovation des Jahres.

medianet: Können solche innovativen Projekte auch kommerzialisiert werden?
Irschitz: Die von mir erfundene Hardware nennt sich ‚LIP' (Light Input Device, Anm.). Sie war die erste kommerzielle Lösung für die Interaktion mit Großdisplays, also interaktiven Wänden und Tischen. Ich habe sie entwickelt und dann für meine eigenen Projekte eingesetzt, vermietet und in kleinem Stil verkauft. Aber ich habe mich eben nie großartig um den Vertrieb und die weitere Kommerzialisierung dieser Hardware gekümmert.

medianet: Die extreme Arbeitsbelastung hinterließ allerdings ihre Spuren …
Irschitz: Seit 2007 war ich öfter aufgrund von Burnout und Erschöpfungszuständen in Therapie. Erfolg ist toll, aber hin und wieder auch zu anstrengend, und ich bin über meine Grenzen hinaus gegangen. Das hat 2017 in einem massiven Burnout gegipfelt, was einen Einschnitt in meinem Leben bedeutete – ich habe mit der digitalen, interaktiven Phase abgeschlossen. Ich wusste eine Zeit lang auch nicht, was ich in Zukunft tun werde. Ich habe entschieden, solange nichts zu tun, bis ich Lust auf etwas Neues habe. Das dauerte zwei Jahre.

medianet:
Dann folgte der Neustart?
Irschitz: Aufgrund der Pandemie habe ich mich mit dem Thema nachhaltige Verpackungen für Essen beschäftigt, da ich gesehen habe, dass das Müll-Thema immer dramatischer wird und zum Teil aus Gedankenlosigkeit entsteht. Das beginnt damit, dass die Verpackungsprodukte nicht durchdacht sind. Da ich Zeit und auch wieder Lust hatte, habe ich recherchiert, mich mit dem Thema auseinandergesetzt und erste Entwürfe skizziert. Ich habe den Entschluss gefasst, dass es eine neue Verpackung braucht, die einen geschlossenen Mehrwegzyklus erlaubt. Die beste Lösung ist die Müllvermeidung. Deshalb ist mein Thema jetzt Design zur Müllvermeidung. Ich bin, mitsamt meinem Wissen in der digitalen Welt, wieder in die analoge gesprungen, in der ich mich jetzt wieder wohl fühle. Mit meiner Digitalerfahrung bringe ich meine analogen Produkte – also Schüsseln und Becher mittels QR-Codes – auch in die virtuelle Welt. Es geht ja nicht nur um die Schüsseln selbst, sondern auch um das darauf basierende Mehrwegsystem, das natürlich Logistik-, Anreiz-, und Bonussysteme braucht. Diese werden digital abgebildet und ermöglichen mittels QR-Codes das Tracking der Schüsseln. Ich nenne diese Entwicklungen ‚digi-log', quasi analoge Dinge mit digitaler Erweiterung. Ganz verzichten kann und will ich nicht auf die digitale Welt, auch wenn vieles in der digitalen Welt nicht guttut und überfordert.

medianet: Welche Materialien werden für Ihre nachhaltigen Verpackungen eingesetzt?
Irschitz: Es geht um eine Kreislaufwirtschaft, in der Materialien wiederverwendet werden. Im Verpackungs- und Essensbereich gibt es enorme Anforderungen – von der physikalischen Belastung wie Erhitzen, Erkalten oder Einfrieren, dem Aufwärmen in der Mikrowelle und vieles mehr. Weiters gibt es extreme Hygienevorschriften. Deshalb stehen nicht besonders viele Optionen zur Verfügung. In den USA und Asien ist bereits gang und gäbe, dass Mehrweggeschirr auf Silikonbasis und nicht auf Erdölbasis hergestellt wird. Das besteht aus Sand, aus Silizium, und eignet sich sehr gut, ist bereits erprobt und hält alles aus, was es aushalten muss. Zur Versteifung des eher weichen Silikons verwende ich Edelstahl. Durch diese beiden recycelbaren Materialien erreiche ich einen sehr hohen Grad an Nachhaltigkeit.

medianet:
Welche konkreten Anwendungen sind damit möglich?
Irschitz: Grundsätzlich setzt nur die Fantasie der Anwendbarkeit Grenzen. Um einen großen Impact bei der Müllvermeidung im Takeaway-Bereich für die Gastronomie und bei der Gemeinschaftsverpflegung zu erreichen, sind Großkantinen, Mensen, Krankenhäuser, Kindergärten, Schulen und Altenheime sehr gut geeignet. Dort werden noch Hunderttausende Einwegverpackungen pro Tag eingesetzt und dann einfach weggeworfen.

medianet: Das erste Patent ist bereits angemeldet?
Irschitz: Ich habe ein neuartiges Verschlussprinzip für die Gebinde entwickelt, das in Österreich patentiert ist. Derzeit bereite ich den Musterschutz für Europa vor, ein weltweites Patent ist danach eine Kostenfrage.

medianet: Wie geht es weiter?
Irschitz: Ich bin mit einem führenden Produzenten für Gastro-Geschirr in Deutschland und mit einem großen Gemeinschaftsverpfleger aus Wien im Gespräch, die großes Interesse an meinen Designs und Produkten angemeldet haben. Austria Wirtschaftsservice und Wiener Wirtschaftsagentur unterstützen mich mit Förderungen in diesem Prozess.

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