FH-Studenten schicken Satelliten ins Weltall
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CAREER NETWORK Redaktion 24.01.2025

FH-Studenten schicken Satelliten ins Weltall

Mit dem „ESA Lab” der europäischen Weltraumagentur setzt die FH Wr. Neustadt zu neuen Höhenflügen an.

••• Von Alexander Haide

Ein Stückchen Österreich „made in Wiener Neustadt” wurde bereits in den Orbit geschossen, ein weiteres soll im Jahr 2026 folgen. Auch wenn die Mikro-Satelliten aus Niederösterreich nur so groß sind wie eine Schuhschachtel, leisten sie dennoch wichtige wissenschaftliche Arbeit – genauso wie ihre „großen” Kollegen. Möglich macht das der Masterstudiengang Aerospace Engineering der Fachhochschule Wiener Neustadt, der bereits im Jahr 2012 gestartet wurde und den pro Jahrgang rund 25 Studierende absolvieren.

Seit 1998 existiert die Forschungs- und Technologietransfer GmbH (Fotec), die die Fachhochschule Wiener Neustadt bei der Umsetzung ihrer F&E-Strategie für ihre technischen Bachelor- und Master-Studiengänge unterstützt. Dazu initiiert die Fotec Forschungs-, Technologie- und Innovationsvorhaben, unter anderem mit Partnern aus der Wirtschaft, und wickelt diese auch ab.
Diese Science-Power war wohl einer der Gründe, weshalb die europäische Weltraumagentur ESA die Fachhochschule Wiener Neustadt und Fotec als Standort für das erste offizielle „ESA Lab” in Österreich auswählte.
Weshalb das ein bedeutender Schritt zur Entwicklung neuer Technologien ist, erklären Carsten Scharlemann, Leiter des Masterstudiengangs „Aerospace Engineering” an der Fachhochschule Wiener Neustadt, und Bernhard Seifert, Leiter der Abteilung „Aerospace Engineering” bei der Fotec.


medianet:
Fotec ist das Forschungsunternehmen der Fachhochschule Wiener Neustadt. Was machen Sie genau?
Bernhard Seifert: Es geht darum, Erkenntnisse aus der Forschung zur Anwendung in die Wirtschaft zu bringen und technisch-wissenschaftliche Erkenntnisse aus den Projekten in die Lehre an der Fachhochschule Wiener Neustadt einfließen zu lassen.

medianet:
Woher erhalten Sie Ihre Forschungsaufträge?
Seifert: Es gibt die direkte Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, wobei hier Ideen oder Wünsche für Entwicklungen an uns herangetragen werden; außerdem forschen wir in den Bereichen, zu denen die FH Wiener Neustadt ein technisches Studium anbietet. Der dritte Aspekt sind Forschungsfragen, die wir uns selbst stellen. Dazu zählen Projekte, die von Raumfahrtagenturen wie ESA oder NASA getrieben sind. In der Abteilung Aerospace Engineering befassen wir uns beinahe ausschließlich mit dem Thema Weltraum. Unsere Test- oder Diagnosesysteme können aber auch für andere Bereiche und terrestrische Anwendungen interessant sein.

medianet:
Spielen finanzielle Aspekte eine Rolle, wie ein Kickback durch Aufträge der Fotec?
Carsten Scharlemann: Nein. Es gibt keine Refinanzierung von Studiengängen. Was wir zurückbekommen, ist die Kompetenz der Kollegen der Fotec, die Entwicklungen vorantreiben und forschen. Das fließt in meinen Studiengang sehr stark ein. Und das ist vielleicht mehr wert als Geld. Es gibt bei uns Vortragende von der Fotec und es gab vor Kurzem einen gemeinsamen Kurs, bei dem Studierenden sehr forschungs- und industrienah Themen von Menschen vermittelt wurden, die in der Praxis beheimatet sind.

medianet:
Sind auch Studierende der FH in die Fotec eingebunden?
Scharlemann: Interessierte Studierende haben die Möglichkeit, ihre Abschlussarbeiten im Rahmen von Fotec-Projekten zu verfassen. Umgekehrt kommen Kollegen der Fotec zu uns ins Labor, unterrichten und sind in die Studiengänge eingebunden.Die Fachhochschule Wiener Neustadt betreibt selbst aber auch Projekte, wie z.B. den Nano-Satelliten ‚Climb', bei dem Studierende unter realen Bedingungen arbeiten, ohne direkt in ESA-Projekte involviert sein zu müssen.
medianet:
Ist das ESA Lab eine Art Erweiterung der FH?
Scharlemann: Es ist auf jeden Fall eine Erweiterung und ein Ergebnis von vielen, vielen Jahren der Forschung und Arbeit an der Fachhochschule Wiener Neustadt und bei der Fotec. Die ESA hat erkannt, dass eine Sammlung von Kompetenzen vorhanden ist und sie es wert ist, daraus ein eigenes ESA Lab zu machen. Es ist auch eine Erweiterung, da Studierende in neue Projekte und neue Themen unter der Flagge der ESA involviert sind. Das schafft natürlich einen großen Anreiz.

medianet:
Österreich spielt im Weltraum-Sektor eine beachtliche Rolle. Gibt es so viele tolle Köpfe im Land?
Scharlemann: Auf jeden Fall! Dabei waren wir der Nukleus, aus dem neue Firmen entstanden sind. Unsere Absolventen arbeiten in solchen Firmen, die wiederum neue Themenfelder eröffnen. Andere gründen selbst Unternehmen. Das ist ein Kreislauf, der sich in den vergangenen Jahren ergeben hat.

medianet:
Das ESA Lab hat vor gut sechs Monaten seinen Betrieb aufgenommen. Gibt es erste Erfahrungen?
Seifert: Wir erledigen ähnliche Tätigkeiten wie früher, jetzt aber unter der Flagge eines ESA Labs. Aber wir haben bereits eine Studie mit den Studierenden durchgeführt, die sich mit einem neuartigen Thema beschäftigt, das wir aufgreifen wollen. Dabei geht es um FlatSats, eine neue Art von Satelliten.

Das ESA Lab hat einen Impact auf den Studienalltag, der im Laufe der Zeit immer größer werden wird. Das umfasst neben der Zusammenarbeit mit Fotec auch andere Kollegen der Fachhochschule Wiener Neustadt, wie z.B. von der Mechatronik. Beim Bachelorstudiengang Mechatronik ist eine Spezialisierung auf Luft- und Raumfahrtthemen möglich.


medianet:
Ein Schwerpunkt liegt bei den Mikro-Satelliten …
Scharlemann: Kleinstsatelliten wurden in den USA von zwei Professoren vor 15 Jahren erdacht, denn keine Universität kann es sich leisten, größere Satelliten in den Weltraum zu schicken. Deshalb wurden Satelliten in Schuhkartongröße entwickelt. Die ESA hat das am Beginn belächelt, aber der Trend hat sich mittlerweile sehr stark verbreitet – auch deshalb, weil die Studierenden mit Problemen konfrontiert sind, wie es sie in der Industrie gibt. In Kleinstsatelliten finden sich die gleichen Subsysteme wie bei großen. Wir können Studierende mit der Komplexität eines Satellitendesigns vertraut machen und einen Satelliten bauen. Es kann ja gar nicht besser werden, als während des Studiums einen Satelliten zu bauen und zu beobachten, wie er später im Weltraum funktioniert. Der erste Satellit, den Studierende gemeinsam mit der Fotec gebaut haben, wurde im Jahr 2017 hochgeschossen und ist im Jänner 2024 verglüht. Er hat bis zu seinem Ende funktioniert und wir konnten bis zuletzt Daten über die Thermosphäre herunterladen.

medianet:
Wann wird Nummer zwei ins All geschickt?
Scharlemann: Wir arbeiten seit einigen Jahren am zweiten Satelliten. Das ist auch eines der Themen, die wir im ESA Lab unterbringen wollen.

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