Sag mir, wo die Reiseleiter sind
© Gerhard Kodym
Revival „Im Sommer werden wieder sehr viele Reise­leiter gefragt sein”, erzählt Sabine Claudia Tanner-Banndorff. Sie bildet Reise­betreuer in ihrer Reiseleiter-Akademie aus.
CAREER NETWORK Redaktion 25.03.2022

Sag mir, wo die Reiseleiter sind

Wer sich als Reiseleiter sein Geld verdient hatte, stand plötzlich ohne Beschäftigung da. Viele haben umgesattelt.

••• Von Alexander Haide

WIEN. Eine Branche ist im Verzweiflungsmodus, denn die Coronapandemie kostete viele Reiseleiter den Job. Wo im Normalfall (Bus-)Touristen ins Ausland begleitet werden, herrschte gähnende Leere: „Alte Hasen” wanderten in sicherere Berufe ab, Einsteiger waren abgeschreckt. Es wird einen Mangel an gut ausgebildeten Reiseleitern geben, prognostiziert Sabine Claudia Tanner-Banndorff. Sie bildet seit mehr als zehn Jahren Reisebetreuer in ihrer Reiseleiter-Akademie in Wien aus und spürte die Pandemie-Folgen: Statt durchschnittlich 16 Teilnehmern pro Lehrgang kamen nur vier.

medianet:
Wo sind die Reiseleiter hinverschwunden?
Sabine Claudia Tanner-Banndorff: Die sind alle weg. Deshalb ist genau jetzt die Chance für Quereinsteiger gekommen. Viele meiner Absolventen und Kollegen, die beruflich gut unterwegs waren, sind in andere Branchen gewechselt. Meistens sind das Pflegeberufe, der Handel oder Versicherungen.

medianet:
Wie sehen die Anmeldungen in Ihrer Reiseleiter-Akademie aus?
Tanner-Banndorff: Es gibt ganz viele, die die Ausbildung machen möchten. Aber nicht jetzt. Die sind bei mir in der Warteschleife und ich bin mit ihnen in Kontakt. Die warten, bis der Tourismus wieder voll startet. Andere hatten gerade jetzt die Zeit für eine Ausbildung.

medianet:
Findet die Ausbildung derzeit online statt?
Tanner-Banndorff: Beim ersten Lockdown haben wir alles online gemacht. Danach sind wir sofort wieder in den Präsenzunterricht gegangen, haben erste Fahrten durchgeführt. Wir waren wahrscheinlich die erste Reisegruppe überhaupt, die unterwegs war. Trotz Lockdowns duften wir reale Seminare abhalten, dort wo es nicht online möglich war. Praxismodule und Prüfungen kann man nur real durchführen, die Theorie gab es online.

medianet:
Gibt es neue Unterrichtsthemen wie Hygiene?
Tanner-Banndorff: Als eigenes Unterrichtsfach nicht. Aber es gibt Schulungen bei Reiseleiterverbänden. Dort kann ein Zertifikat erworben werden, dass Reiseleiter Proben, wie bei Nasenbohrertests, nehmen dürfen. Sie können also bei einer Reise im Bus gültige Testungen durchführen. Im Bus behalten wir die Pflicht, FFP2-Masken zu tragen, bei. Wir üben auch, mit der Maske am Mikrofon zu sprechen.

medianet:
Wie groß ist der Bedarf an Reiseleitern derzeit?
Tanner-Banndorff: Da so viele ‚alte' Reiseleiter die Branche gewechselt haben, existiert ein Vakuum. Besonders im Sommer werden sehr viele Reiseleiter gefragt sein. Jene Absolventen, die trotz Lockdowns einen Lehrgang gebucht hatten, haben alle sofort einen Job bekommen.

medianet:
Hat sich die berufliche Herkunft der Kursteilnehmer verändert?
Tanner-Banndorff: Es ist eigentlich ganz gemischt, von ganz jungen Maturanten bis hin zu Pensionisten. Daran hat sich nichts geändert. Einige sind aus anderen sehr betroffenen Branchen dazugekommen, wie aus dem Eventbereich, dem Tourismus und der Gastronomie. Da wurde die zwangsweise verfügbare Zeit für Weiterbildung genutzt.

medianet:
Wie lange wird das Reiseleiter-Biz brauchen, um sich zu erholen?
Tanner-Banndorff: Das hängt natürlich mit der allgemeinen Situation zusammen. Es lief im vergangenen Sommer trotz Corona ganz gut, vor allem die ­Touren in Österreich. Jobs gibt es also trotz Pandemie genügend.

Sabine Claudia Tanner-Banndorff bietet über ihre Reiseleiter-Akademie zahlreiche Kurse an. Informationen unter:
www.reiseleiter-akademie.at

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