••• Von Paul Christian Jezek
WIEN. Fast zwei Drittel der Befragten halten die Persönlichkeit der Kandidaten für den entscheidenden Faktor beim Recruiting von Spitzenpositionen. Bei den speziellen Persönlichkeitsmerkmalen überzeugen vor allem traditionelle Aspekte: Führungswille (71%), ein breiter Blickwinkel (69%) sowie Entschlossenheit (65%) werden am häufigsten als sehr wichtig betrachtet; Risikobereitschaft (38%) ist bei Führungskräften im Vergleich hingegen weniger relevant.
„Es überrascht nicht, dass die Persönlichkeit der Bewerber eine so große Rolle spielt”, kommentiert Gudrun Heidenreich-Pérez, Senior Managerin bei Deloitte Österreich. „Für eine Spitzenposition müssen klare Führungsqualitäten mitgebracht werden. Allerdings wird das Augenmerk zu sehr auf traditionelle Führungseigenschaften gelegt – in einer sich wandelnden Wirtschaft sind Mut zu Innovation und eine gewisse Risikobereitschaft entscheidend für den langfristigen Erfolg.”
Gut vernetzt = bester Job
Kontakte scheinen in Österreich noch immer das Fundament einer erfolgreichen Karriere zu sein. Neben der Persönlichkeit stellen laut 54% der Befragten auch gute Netzwerke eine sehr wichtige Voraussetzung bei der Besetzung dar. In der eigenen Organisation führen hingegen nur 28% Netzwerke als sehr wichtigen Besetzungsfaktor an.
Im Gegensatz dazu wird der Stellenwert der fachlichen Kompetenzen im eigenen Betrieb deutlich höher eingeschätzt: Während nur ein Viertel glaubt, dass fachliches Know-how in Österreich bei Besetzungsentscheidungen eine große Rolle spielt, sehen dies im eigenen Unternehmen doppelt so viele als wesentlich an.
„Die Führungskräfte stufen die eigene Firma um einiges objektiver und kompetenzorientierter ein, als die restliche Unternehmenslandschaft”, hat Heidenreich-Pérez beobachtet. „In der Beratungspraxis stellen wir aber fest: Die eigene Objektivität wird oft überschätzt.”
Wer kommt nach?
Doch wo findet man die geeigneten Kandidaten? Weniger als die Hälfte der befragten Führungskräfte gibt an, dass das eigene Unternehmen strategische Nachfolgeplanungsprozesse implementiert hat. Das erklärt, warum ein knappes Drittel vorwiegend extern besetzt, weitere 46% zumindest teilweise; nur 22% finden ihre Führungspersonen regelmäßig intern.
„Selbst bei sorgfältigster Auswahl birgt jede externe Besetzung Risiken, weil auch bisher erfolgreiche Führungskräfte in einer neuen Kultur und einem neuen Umfeld scheitern können”, erklärt Heidenreich-Pérez.
Mehr Objektivität muss her
Das Interview ist mit 96% die am häufigsten genutzte Methode – „Leadership Assessments würden die Prognosesicherheit deutlich erhöhen”, rät Heidenreich-Pérez. „Objektivität und strategische Gesichtspunkte kommen bei der Auswahl oft zu kurz.” Die Folge sind Bauchentscheidungen und Besetzung nach Selbstähnlichkeit. „Das senkt die Diversität in Führungsteams und hebt gleichzeitig das Risikopotenzial. Es braucht besser nachvollziehbare Auswahlprozesse, um Besetzungsentscheidungen mit mehr Objektivität treffen zu können.”