Von der Antarktis ins All: Carmen Possnig
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Ausbildungs Jahrgang: Carmen Possnig (4.v.l.) im European Astronaut Centre (EAC) in Köln
CAREER NETWORK Redaktion 12.07.2024

Von der Antarktis ins All: Carmen Possnig

Die Kärntnerin startet im Herbst die Ausbildung zur ESA-Astronautin mit Ziel internationale Raumstation.

••• Von Alexander Haide

Monate verbrachte die gebürtige Kärntnerin gemeinsam mit einem Dutzend Forscherkollegen in der Concordia-Station in der Antarktis – ein Extremerlebnis, das die Medizinerin einen Schritt näher an ihr ultimatives Ziel bringen soll: ein Aufenthalt auf der Internationalen Raumstation ISS. Es wäre längst Zeit für eine Nachfolgerin des ersten „Austronauten“ Franz Viehböck – sein Ausflug zur Mir ist mittlerweile beinahe 33 Jahre her.
Doch noch fehlen jene 50 Mio. €, die Possnig das Ticket ins All garantieren. Das läge derzeit vor allem am nicht vorhandenen politischen Willen, erklärte Dieter Grebner, Präsident von Austrospace: „In Relation zu einem Bundeshaushalt ist das nicht viel. Zudem würden ca. zwei Drittel davon im Zuge von Gegenaufträgen wieder nach Österreich zurückfließen, wodurch netto die Kosten sinken. Wir hätten ein tolles Aushängeschild, eine tolle junge Frau, die für sehr viele junge Menschen eine Inspiration ist.“
Es sollte nur eine Frage der Zeit sein, bis die heute 35-Jährige ins große Abenteuer startet. Bereit ist Possnig, die offiziell zur Astronautenreserve der europäischen Weltraumagentur ESA zählt, allemal.

medianet: Wann wussten Sie, dass Ihr Berufswunsch Astronautin ist?
Carmen Possnig: Das war eigentlich schon ein Kindheitstraum. Ich erinnere mich, als meine Volksschullehrerin gefragt hat, was wir gerne werden wollen. ‚Astronautin‘ kam ganz natürlich aus mir heraus, ohne dass ich überlegt hätte. Erst danach habe ich darüber nachgedacht und fand das ziemlich cool. Auch als Kind war mir bewusst, dass das ein ziemlich unrealistischer Traum ist. Als Jugendliche habe ich die Tagebücher von Scott, Shackleton und Amundsen gelesen, von den heroischen Entdeckungsreisenden. Das hat mich wahnsinnig fasziniert und inspiriert. Zusätzlich hat sich mein Interesse für Medizin entwickelt. Wie funktioniert unser Körper und wie kann er sich an solche extremen Umgebungen anpassen? Deshalb habe ich dann Medizin studiert.

medianet: Was war die schwierigste Etappe bei der Ausbildung?
Possnig: Ich bin ja in der ESA-Reserve. Jene fünf Karriere­astronauten, die gleichzeitig mit mir ausgewählt wurden, haben gerade ihr Training abgeschlossen, ich komme erst in diesem Herbst zum Training dran. Es gab aber bereits einige kleine Einheiten zur Vorbereitung.

medianet: Diente Ihr dreizehnmonatiger Aufenthalt in der Antarktis-Station als Vorbereitung für den Weltraum?
Possnig: Auf jeden Fall! Das ursprüngliche Ziel dahinter war die Verbindung meiner Leidenschaft für Wissenschaft, Entdeckergeist und Abenteuer. Es ist dem Weltraum ähnlich, da es wie eine Station auf dem Mars oder dem Mond anmutet.
Der Aufenthalt hat mir sicher für das Auswahlverfahren viel gebracht. Man ist sehr isoliert, kann für zehn Monate nicht weg, es ist eine kleine, internationale Crew. Es ist körperlich und psychisch anstrengend, da man mit zwölf Menschen zusammenlebt, die man sich nicht aussuchen kann. Es ist also gutes Konfliktmanagement nötig, gleichzeitig muss man aber auch gute Arbeit leisten, denn ich war ja dort, um Wissenschaft zu betreiben. Es war keine einfache Situation, aber wahnsinnig bereichernd.

medianet: Welche Rolle spielt bei Ihrer Motivation die Verbindung zwischen Medizin und Weltraum?
Possnig: Ich arbeite gerade an meinem Doktorat an der Uni Innsbruck zum Thema ‚Veränderung des Herz-Kreislaufsystems in der Schwerelosigkeit‘. Auf der Internationalen Raumstation gibt es zwei Arten von Forschungen. Einerseits untersucht man, was mit Körper und Geist von Astronauten an Bord der Station geschieht. Das dient auch der Vorbereitung für zukünftige Missionen in Richtung Mond und Mars. Und es gibt Forschungsgebiete für Anwendungen für die Erde, denn die ISS ist durch die Schwerelosigkeit ein einzigartiges Labor.

medianet: Müssen Sie aufgrund der Aussicht, ins All zu fliegen, etwa die Familienplanung zurückstellen?
Possnig: Es ist tatsächlich eine Herausforderung, das zu managen, und es kommt immer auf die eigenen Prioritäten an. Grundsätzlich muss ich aber sagen, dass die ESA und auch die NASA extrem kinderfreundlich sind. Eigentlich haben viele Astronautinnen und Astronauten, die jetzt ausgewählt wurden, bereits Kinder. Das wird nicht nur unterstützt, sondern ist auch von der ESA gewollt.

medianet: Wie hoch schätzen Sie Ihre Chancen ein, wirklich eines Tages zur ISS zu fliegen?
Possnig: Das hängt nicht von mir ab, aber ich bin schon sehr optimistisch. Mein schwedischer Kollege Marcus Wandt ist im Jänner hinaufgeflogen. Das hat gezeigt, dass es nicht nur möglich, sondern auch sehr schnell möglich sein kann. Mein polnischer Kollege wird vermutlich Anfang kommenden Jahres fliegen, das hat also auch für ihn schon funktioniert.
Ich glaube, dass Österreich wahnsinnig viele Benefits davon hätte, ob aus wissenschaftlicher oder technologischer Sicht und der großen, inspirativen Komponente. Ich glaube, dass das gut ausgehen wird, und grundsätzlich habe ich ja noch Zeit. Es hängt auch davon ab, dass zu den geplanten Missionen weitere hinzukommen. Die fünf Karriereastronauten wurden deshalb ausgewählt, da fünf Langzeitmissionen in den kommenden Jahren fix sind. Die Reserve kommt zum Zug, wenn es zusätzliche Missionen gibt, das sind dann eher die kurzzeitigen Axiom-Missionen.

medianet: Dieter Grebner von Austrospace meinte, es mangle am Interesse der Politik und deshalb fehlt es an den 50 Millionen Euro für Ihr Ticket. Würden Sie sich hier mehr Engagement seitens der Regierung wünschen oder warten Sie auf Sponsoren aus der Wirtschaft?
Possnig: Ich glaube, dass es mit der Hilfe von Sponsoren gedeckt wird, wie es auch in Schweden super funktioniert hat. Wenn es Sponsoren gibt, dürfen sie sich gerne melden! Das heurige Wahljahr ist sicher kein perfekter Zeitpunkt. Ich glaube, es fehlt der Politik auch am Überblick, was so eine Mission bedeuten könnte. Ich möchte ja nicht für mich ins All fliegen und Österreich soll das finanzieren. Es geht darum, dass das Österreich als Wissenschaftsstandort sehr festigen würde. Gerade die Weltraumwissenschaft explodiert derzeit. Es hätte auch einen coolen Effekt auf die jüngere Generation, sich in diesem Bereich zu engagieren.

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