••• Von Alexander Haide
Österreichs Tourismus ist im Aufschwung, die Zahl der Beschäftigten liegt höher als vor der Pandemie. Dennoch meldet die Branche mehr als 14.000 offene Stellen – man suchte also im zuständigen Ministerium neue Wege, um an frische Arbeitskräfte aus der Generation Z zu kommen. Entstanden ist eine brandneue Kampagne auf Instagram und Facebook, mit der am Beispiel von Koch, Kellner, Bergführer und Rezeptionist jungen Menschen der Einstieg in den touristischen Arbeitsmarkt schmackhaft gemacht werden soll.
Aktuelle Zahlen: Im Schnitt waren heuer in den ersten fünf Monaten 220.000 Personen im Tourismus beschäftigt, über das Jahr gemessen werden sogar 500.000 Menschen zumindest für einen Tag als im Tourismus tätig angemeldet.
Allerdings sind nur 25% der Beschäftigten das ganze Jahr über in der Branche tätig, zeigt eine Studie des IHS. Die Branche mit ihren Schwankungen je nach Tageszeit, Wochentag oder Saison sei sehr speziell, eine einfache Lösung für ihren Fachkräftemangel gebe es nicht, so der Direktor des Instituts für Höhere Studien, Klaus Neusser.
Grundsätzlich empfiehlt Neusser eine Verlängerung der Saison, um dauerhafte Jobs zu sichern. Zusätzlich müsse der Zuzug aus dem Ausland erleichtert werden, da die lokale Bevölkerung insbesondere in Spitzenzeiten den Bedarf nicht decken könne. Zuletzt seien 54,3% der Beschäftigten keine österreichischen Staatsbürger gewesen, so Tourismusstaatssekretärin Susanne Kraus-Winkler. Von den ausländischen Beschäftigten stammten zwei Drittel aus der EU. Auch eine Attraktivierung der Arbeitsbedingungen wäre hilfreich, etwa mehr Kinderbetreuung – auch am Wochenende.
Kraus-Winkler wirbt insbesondere um mehr Lehrlinge. Im Jahr 2022 habe es 7.000 Neuanfänger, um ein Viertel mehr als nach dem massiven Einbruch während der Coronapandemie, gegeben. Vor 15 Jahren seien es allerdings noch 15.000 Neuanfänger gewesen. Neusser gab zu bedenken, dass viele der Neuanfänger ihre Lehre abbrächen – auch, weil manche Unternehmen sie nur als billige Arbeitskräfte sähen. Umso wichtiger wäre es, die guten Ausbildungsbetriebe „vor den Vorhang zu holen”. Eine gute Lehrlingsausbildung sei sehr wichtig für die Branche, betonte er. Denn die Lehrlinge blieben am ehesten ganzjährig und längerfristig in der Branche. Die nur 25% Dauerbeschäftigten erbrächten 50% der Arbeitsleistung, gab Neusser zu bedenken.
Nur einer von vielen Hebeln
Kraus-Winklers Imagekampagne kann als einer von mehreren Hebeln für Aufwind am Tourismus-Arbeitsmarkt sorgen, stellte die Österreichische Hoteliervereinigung in einer Aussendung fest. „Via Social Media jungen Menschen Karrierechancen im österreichischen Tourismus aufzuzeigen, ist genauso wichtig wie dabei Hoteliers einzubinden, die mit ihren Mitarbeitern jeden Tag im Betrieb stehen und nahe am Gast sind. Da bekommen wir einen großen Strauß an Kommunikationsstilen zusammen, je nach Region und von Betrieb zu Betrieb unterschiedlich”, begrüßt ÖHV-Präsident Walter Veit die von Wirtschaftsminister Martin Kocher und Staatssekretärin Kraus-Winkler präsentierte Kampagne: „Dann sehen die jungen Menschen die Branche mit einem Mal aus ganz neuen Blickwinkeln.”
Alle derzeit gemeldeten offenen Stellen im österreichischen Tourismus und zumindest noch einmal so viele ungemeldete werden damit wohl nicht besetzt. Allerdings sei genau das das Ziel, so Veit. Dafür brauche es umfassendere Ansätze: „Mehr Kinderbetreuung etwa über klassische Bürozeiten hinaus. Da muss sich mehr tun”, so Veit.
Stellen bleiben unbesetzt
Von Menschen in Pension solle kein Pensionsversicherungsbeitrag kassiert, die Geringfügigkeitsgrenze im Ausmaß der Inflation erhöht und der Blickwinkel, aus dem der Zugang zum Arbeitsmarkt geregelt wird, müsse um 180° gedreht werden. „Der Staat errichtet gegen Bewerber aus Drittstaaten Hürden in Form von Qualifikationsnachweisen, Sprachkenntnissen und Minimalverdiensten, als ob einige wenige offene Stellen gegen ein Heer von internationalen Interessenten verteidigt werden müssten. Es ist doch das Gegenteil der Fall: Wir haben viele offene Stellen und wenige Bewerber. Also weg mit den Hürden”, fordert Veit ein Umdenken. „Das ginge Hand in Hand mit der absolut wichtigen und richtigen #teamtourismus-Kampagne; man muss Chancen aufzeigen anstatt Hürden zu errichten.”
Video-Wettbewerb
Die ÖHV unterstützt die Kampagne im Rahmen ihrer Arbeits-marktinitiativen wie ÖHV Young Talents und ÖHV Friends mit zahlreichen Aktivitäten, etwa einem Video-Wettbewerb für Tourismus-Praktikanten. Sie sollen über ihre Erfahrungen in Sommerpraktika berichten und damit attraktive Preise gewinnen. „Nichts ist so glaubwürdig für Jugendliche wie andere junge Menschen und kein Kanal ist so geeignet dafür wie Social Media. Das nutzen wir”, so Veit.
Nur „heiße Luft”?
Widerspruch regt sich – nicht überraschend – aus dem anderen politischen Lager. FPÖ-Tourismussprecher Gerald Hauser bezeichnete die Kampagne als „heiße Luft”. Die Regierung habe „die Tourismusmitarbeiter in der Corona-Zeit mit Gewalt aus dem Job vertrieben”. Diese hätten auf andere Berufe umgesattelt und würden nicht in die alten Jobs zurückkehren. Die FPÖ will stattdessen Pensionisten motivieren, im Tourismus zu arbeiten; dazu solle der Staat die Lohnnebenkosten übernehmen.
Die Tourismussprecherin der Grünen, Barbara Neßler, wiederum verweist auf Asylwerber, die bereits in Österreich seien, „die arbeiten wollen und wir lassen sie nicht arbeiten, obwohl wir sie dringend brauchen”. Zudem könnten mehr Frauen arbeiten, wenn es eine flächendeckende Kinderbetreuung gäbe. Sie spricht damit das gleiche Thema an wie Neos-Tourismussprecherin Julia Seidl; sie kritisierte in einer Aussendung, dass das Konzept der ÖVP den Ausbau der Kinderbetreuung ignoriere. „Eine flächendeckende Kinderbetreuung ist auch im Tourismus das A und O, besonders für Frauen, bei Wochenend- und Schichtarbeit und bei der hohen Teilzeitquote in der Branche.”
WKÖ-Tourismus-Obmann Robert Seeber sieht in der Kampagne „ein wichtiges Zeichen” für die Bedeutung der Mitarbeitenden in der Branche. Allerdings seien neben bewusstseinsbildenden Kampagnen konkrete Unterstützungsmaßnahmen notwendig. Seeber wünscht sich steuerfreie Überstunden, Erleichterungen beim Arbeiten in der Pension, unkomplizierte Aushilfskräfteregelung oder innovative Kinderbetreuungskonzepte.