Von Regulatorik und Sustainable Performance
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DOSSIERS Redaktion 08.09.2023

Von Regulatorik und Sustainable Performance

Im gleichen Zug, in dem grenzübergreifende Pflichtstandards an Bedeutung gewinnen, verlieren freiwillige Nachhaltigkeitsstandards an Relevanz.

••• Von Stefanie Wink, Andrea Kämmler-Burrak und Stefan Tobias

Regulatorik ist kein Selbstzweck. Sie zielt langfristig auf eine Verhaltensänderung der Marktakteure ab – im Fall von ESG-Vorgaben auf eine Neuausrichtung der Kapitalflüsse hin zu einer nachhaltigen Wirtschaft. Regulatorische sowie ökonomische und gesellschaftliche Anforderungen in puncto Nachhaltigkeit verschärfen sich – nicht nur innerhalb der EU. Die Nachhaltigkeitsberichterstattung wird dadurch schon bald auf einer Stufe mit der Finanzberichterstattung stehen, was vom Gesetzgeber auch so gewollt ist. Finanzielle und nichtfinanzielle Daten müssen dazu miteinander verknüpft werden, was ein enormes Potenzial für die Unternehmensentwicklung bietet – wenn eine ganzheit­liche Nachhaltigkeitsstrategie ­dahinterliegt.

Vier Faktoren zum Erfolg

1. Projektvorbereitung & Dry Runs: In vielen Unternehmen wird der Zeitaufwand und die Komplexität zur Einführung neuer regulatorischer Standards unterschätzt. Der erste Anwenderkreis muss bereits für das Geschäftsjahr 2024 die Anforderungen der CSRD umsetzen. Das ist, überspitzt gesagt, quasi übermorgen.

Es gilt, im Sinne einer „Betroffenheitsanalyse” frühzeitig Kapazitäten in involvierten Teams einzuplanen und inter­disziplinär Konzepte zu entwickeln. Das verringert den Abstimmaufwand und die Unsicherheiten bis zur Veröffentlichung. Alle Anforderungen müssen frühzeitig im Detail analysiert werden, um rechtzeitig Datenlücken identifizieren und schließen zu können. Für die Erhebung sollte mindestens ein sogenannter Dry Run eingeplant werden, also eine Generalprobe für die Berichtsfähigkeit.

 

2. Sustainability Performance Management: Weiterentwicklung zu einem ganzheitlichen Sustainability Performance Management. Um den eigenen Anspruch der Integration von ESG-Fragestellungen in Strategie und Steuerung zu klären, kann man auf ein Reifegradmodell zurückgreifen mit der maximalen Ausbaustufe der vollständigen Integration des ESG-Managements in das Performance Management („Sus­tainability Performance Management”).

Bei der reinen Sicherstellung der (externen und regulatorisch vorgegebenen) Berichtsfähigkeit sollten Unternehmen, die einen nachhaltigen Mehrwert für ihre Entwicklung ­generieren wollen, nicht stehen bleiben. Im Sinne eines Sustainability Performance Managements gilt es, die ­Nachhaltigkeitskennzahlen in interne Steuerungs- und ­Entscheidungsprozesse zu ­integrieren. Somit können Potenziale für die Weiterentwicklung des gesamten Unternehmens in Richtung Nachhaltigkeit bestmöglich genutzt werden. Um die ESG-Performance nachzuvollziehen, müssen KPIs und Maßnahmen zur Nachhaltigkeit in Performance Management-Prozesse integriert sein, wozu effektive Methoden etabliert werden. Das sollte man bereits beim strategischen Planungsprozess zur Umsetzung der ESG-Ziele ­berücksichtigen.
Bei der Implementierung ist das Setzen konkreter Ziele nötig und deren Erreichen in einem System von Incentives verankert. Dabei ist es nötig, die funktionale Verantwortung festzulegen. Der jeweilige Ist-Stand der Umsetzung, aber auch die damit verbundenen KPIs, sind dabei in Management-Meetings zu kontrol­lieren.


3. Daten(-Modelle), Systeme und Prozesse für komplexe Anforderungen trainieren und vorbereiten: Um Sustainability Performance Management in Unternehmen zu verankern, sind Daten, Systeme und andere wichtige Umsetzungselemente die wesentlichen Voraussetzungen. Zu beachten ist, dass Datenvolumina in Zukunft massiv ansteigen werden und daher professionelle und effiziente Systeme und Prozesse essenziell für den Erfolg der Umsetzung sind. Zusätzlich ist zu klären, wer für diese Daten verantwortlich ist.

Die Anforderungen an Systeme und Prozesse steigen damit deutlich für Nachhaltigkeitsinformationen. Datenlücken, fehlende Nachweise und Systembrüche erschweren ein End-to-end Reporting und umfassendes Nachhaltigkeitscontrolling. Die externe Prüfpflicht führt zwingend zur Einführung eines internen Kontrollsystems und prüffähiger Prozesse. ­Datenmodelle müssen daher frühzeitig definiert und manuelle durch professionelle ­Lösungen ersetzt werden. Jeg­liche manuellen Schritte sind in der Projektphase zu automatisieren.
Schlussendlich müssen ESG-Voraussetzungen in die bestehenden Datenmodelle der Unternehmen vollständig integriert sein, um sie im Rahmen des ESG-Reportings automatisch auf ihre Effizienz überprüfen zu können. Ein neues, ganzheitliches Unternehmens-Datenmodell umfasst dabei ein integriertes und modernes, ESG-konformes und Performance-orientiertes Reporting sowie eine zukunftsorientierte und nachhaltige Daten- und BI-Landschaft (Business ­Intelligence-Landschaft).


4. Neues (ESG) Target Operating Model aufsetzen: Der Schlüsselfaktor für die Erfüllung und die Umsetzung des Sustainability Performance Managements ist der Aufbau eines umfassenden ESG Target Operating Models. Das „ESG TOM” beinhaltet neue, notwendige Komponenten sowie Anpassungen an Aufbau- und Ablauforganisation. Zur langfristigen Verankerung von Nachhaltigkeit im Unternehmen sollten bereits während der Projektphase Gremien- und Entscheidungsstrukturen geschaffen werden.

Was klingt wie ein enormer Extraaufwand, sind in Wahrheit „Hausaufgaben”, die die Unternehmen ohnehin machen müssen. Die frühzeitige und gezielte Herangehensweise wird sich langfristig auszahlen und Wettbewerbsvorteile mit sich bringen. Dann hat die Regulatorik ihr Ziel erreicht: Die Wirtschaft auf Nachhaltigkeit zu trainieren, in ihrem eigenen Interesse.

Nachhaltigkeitsstrategien

Beim Thema ganzheitliche Nachhaltigkeitsstrategie besteht bei den Unternehmen noch viel Luft nach oben, wobei Nachhaltigkeitsstrategien eine wichtige Voraussetzung für Sustainability Performance Management sind. Erst 42 Prozent haben laut der für diese Aus­gabe erhobenen Horváth-Studie eine umfassende Roadmap und konkrete Ziele für Nachhaltigkeitsfragen in ihrer Organisation definiert.

Nachhaltigkeit muss dabei ganzheitlich verstanden werden, um Wettbewerbsvorteile und Innovationen voranzutreiben. Die Strategie beinhaltet zwei Perspektiven: Wie kann das Unternehmen selbst, basierend auf seiner eigenen Wertschöpfung, nachhaltig werden und wie kann es andere – basierend auf seinen Produkten und Services – unterstützen?
Der Startpunkt jeder Nachhaltigkeitsstrategie beginnt bei der Definition der Ziele. Sie reichen von einem minimalistischen Ansatz, bei dem die strategischen Optionen allerdings gering sind, bis hin zum Vorreiter, der „First Mover”-Vorteile lukrieren kann, aber höhere Kosten einplanen muss. Geht es etwa um die Reduzierung von CO2, wird der Minimalist den Status quo optimieren, wogegen Pioniere eine echte Transformation beginnen.
Bei den CSRD ist die sogenannte Double Materiality (Doppelte Wesentlichkeit) verpflichtend, welche als strategische Analyse genutzt werden kann. Dabei müssen zentrale Bereiche für Maßnahmen priorisiert werden; Unternehmen müssen die Möglichkeit schaffen, um Ressourcen zu bündeln, die passenden Maßnahmen zu identifizieren und Shareholder zu informieren.
Essenziell sind klare Ambitionen und einfache, verständliche und messbare Ziele. Die ESG-Ziele werden zu einem integralen Teil aller Aspekte des Performance Managements, digitale Optionen für die Automatisierung (etwa Remote Services und KI) kommen zum Einsatz und sind im Controlling verankert – damit wird Nachhaltigkeit ein Teil der Unternehmensstrategie, der Vision und der Mission.

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