Beim Zahlen sind wir Vize-Europameister
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FINANCENET Helga Krémer 02.03.2018

Beim Zahlen sind wir Vize-Europameister

AKV: Mit Aufschwung und besserer Arbeitsmarktsituation gehen Zahlungsausfälle in allen Branchen zurück.

••• Von Helga Krémer

Die gute Nachricht zuerst: Frau und Herr Österreichers Zahlungsmoral hat sich in den letzen Jahren deutlich gebessert. Das hat allerdings nur wenig mit tatsächlich verbesserter Moral zu tun, sondern vielmehr damit, dass Unternehmen aus der Wirtschaftskrise gelernt, ihr Rechnungswesen an die Situation angepasst und die Mahnläufe verkürzt haben, meint man beim Alpenländischer Kreditorenverband (AKV).

Generell zeigen die AKV-Zahlen, dass mit dem wirtschaftlichen Aufschwung 2017 und der verbesserten Arbeitsmarktsituation die Zahlungsausfälle in allen Branchen zurückgingen. Während aber die Anzahl der Forderungen, die im Beobachtungszeitraum zum Inkasso übergeben wurden, gesunken ist, ist die durchschnittliche Forderungshöhe wiederum gestiegen.

Wir sind fast die Besten

„Mit jedem Tag der Zahlungsverzögerung steigt das Risiko des Ausfalls für Lieferanten exponentiell an”, meint Hans Musser, Geschäftsführer AKV Europa, und erklärt, was das für einzelne Branchen bedeutet: „Lieferanten in den Branchen Bau, Handel und in der Gastronomie haben meist einen hohen Wareneinsatz und niedrige Gewinnmargen. Betrachtet man diese drei Branchen genauer, so wurden die meisten Inkassofälle im Handel eröffnet, gefolgt von der Gastro- und der Baubranche.”

Im Bereich der Firmenkunden (B2B) zahlen, laut AKV Europa, ca. 80% der heimischen Unternehmen ihre Rechnungen innerhalb des vereinbarten Zeitraums, der bei etwa 24 Tagen liegt. Mit nur fünf Tagen Verzug sind österreichische Firmen Vizeeuropameister in Sachen Zahlungsmoral – knapp hinter Deutschland, wo die Firmen durchschnittlich zwei Tage später zahlen.
Generell zahlt Österreich innerhalb von 31 Tagen, nur die Finnen bezahlen schneller. Wir begleichen unsere Rechnungen sogar schneller als Deutschland und die Schweiz. Der EU-Durchschnitt liegt bei 52 Tagen bis zur Zahlung, Spanier brauchen mit 97 Tagen am längsten, bis sie geruhen, ihr iberisches Börsel zu öffnen, knapp dahinter Italien mit 96 Tagen, Portugal (90 Tage) und – erstaunlicherweise – erst dann kommt Griechenland mit 80 Tagen.

Private Zahlungsmoral

Im privaten Sektor ist die Zahlungsmoral besser als in den beiden anderen Bereichen, berichtet der AKV Europa: 87% der Konsumenten zahlen ihre Rechnungen heute pünktlich, elf Prozent verspätet, und in zwei Prozent der Fälle kommt es zum Ausfall. Wobei der Grund für den Zahlungsverzug in über der Hälfte aller Fälle nicht wollen oder nicht können ist, sondern schlicht Vergesslichkeit.

Es hänge aber auch vom Geschlecht ab: „Männer haben durchschnittlich um ein Drittel höhere Schulden als Frauen, nämlich 500 Euro zu 330 Euro”, sagt Musser und kommt gleich zum nächsten Unterschied: „Die Zahl der säumigen Zahler ist aber stark vom Alter abhängig. Die Gruppe der 20- bis 24-Jährigen ist bei Überschuldungen führend. Das Einkommen ist bei jungen Menschen vergleichsweise niedrig, das Konsumbedürfnis groß. Mit den Jahren sinkt der Anteil der Personen bei Inkassi stark ab. Nur ca. 0,5% der über 60-Jährigen haben offene Forderungen.”
Ähnliches gelte auch für Privatkredite, so die AKV-Experten. Die Ausfallsquote sinke mit zunehmenden Lebensjahren. Verbraucher bis 24 Jahre würden den höchsten Anteil aufweisen, bei Personen ab 50 Jahren gäbe es dagegen die besten Rückzahlungsquoten.

Bundesländervergleich

Hinsichtlich der zur Betreibung übergebenen Fälle liegt im Bundesländervergleich – wie bereits in den vergangenen Jahren – das Burgenland vorn, gefolgt von Tirol und Niederösterreich. Die „rote Laterne” trägt Wien, wo mehr als dreimal so viele Inkassofälle auftreten wie im Burgenland (siehe Tabelle).Vergleicht man die durchschnittliche Höhe der Forderungen, verschiebt sich allerdings das Bild: Niederösterreich liegt bei offenen Forderungen mit ca. 390 € knapp vor Kärnten und Wien (ca. 400 €). Die höchsten Forderungen gibt es mit durchschnittlich 430 € in Tirol, das knapp vor der Steiermark liegt (siehe Grafik).

Die späte, öffentliche Hand

Nach den Zahlen des AKV Europa lässt sich der Staat beim Zahlen von Rechnungen am längsten Zeit: Im Schnitt lassen sich Bund 37 Tage und Länder 36 Tage Zeit; nur Gemeinden zahlen durchschnittlich nach 30 Tagen. „Die bereits im März 2013 in Kraft getretene Zahlungsverzugsrichtlinie wird nach bald fünf Jahren bisher nur von den Gemeinden strikt umgesetzt, obwohl man zugeben muss, dass die öffentliche Hand sich in den letzten Jahren etwas in ihrem Zahlungsverhalten gebessert hat”, sagt Hans Musser.

Ein Blick in die Zukunft

Und wie geht es mit Frau und Herr Österreicher Zahlungsmoral nun weiter?

„Es deutet einiges darauf hin, dass die Zahlungsverspätungen generell insgesamt noch weniger werden könnten – zumindest wenn es um Rechnungen aus online- Einkäufen geht”, wagt der AKV Europa-Geschäftsführer einen Blick in die Zukunft. „Denn hier haben die Anbieter die Möglichkeit, vor dem Kaufabschluss die Bonität des Käufers zu prüfen. Durch dieses sogenannte Scoring entscheidet sich, ob auf Rechnung gezahlt werden darf, oder ob schon vorab die Summe beglichen werden muss”, erklärt Musser.

Zinsen vs. Zahlungsmoral

Nach dem Jahrzehnt der Niedrigzinsen könne man mit dem Ansteigen der Zinsen in Zukunft auch wieder mit einer schlechteren Zahlungsmoral rechnen, heißt es beim AKV Europa. Das wäre also die schlechte Nachricht.

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