CESEE bleibt resilient, Österreich profitiert
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FINANCENET Redaktion 03.03.2023

CESEE bleibt resilient, Österreich profitiert

Eine Prognose des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche sieht Inflation bereits über Zenit.

••• Von Reinhard Krémer

Trotz Ukrainekriegs zeigen sich die Volkswirtschaften der 23 Länder Mittel-, Ost- und Südosteuropas (CESEE) resilient. Obwohl sich die Wirtschaftstätigkeit deutlich verlangsamt hat, werden die meisten von ihnen auch 2023 wachsen. Das geht aus der neuen Winterprognose des Wiener Instituts für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) hervor. Für 2023 prognostiziert das wiiw den EU-Mitgliedsstaaten der Region ein Wachstum von durchschnittlich einem Prozent. Damit lägen sie um 0,8 Prozentpunkte über jenem der Euro-Zone, die praktisch stagnieren wird (0,2%).

Vor allem die südosteuropäischen EU-Mitglieder zeigen sich widerstandsfähiger, während in den Visegrád-Ländern das durchschnittliche Wachstum nur 0,6% betragen wird und Ungarn heuer sogar schrumpfen dürfte (–1%). Die Staaten am Westbalkan werden mit 1,8% wachsen, die Türkei mit drei Prozent etwas stärker.

Orbanistan fällt zurück

Auch wenn das Wachstum damit in den allermeisten Fällen deutlich geringer ausfällt als im Vorjahr, wird eine ganzjährige Rezession mit Ausnahme von Ungarn weitgehend vermieden. Russland bleibt dagegen in der Rezession, wo es mit der Wirtschaft nach –2,5% im abgelaufenen Jahr auch heuer weiter bergab geht (–3%). Generell dürften die meisten Staaten der Region den ökonomischen Schock durch den Ukrainekrieg bereits zum größten Teil verdaut haben – zumindest unter der Annahme, dass Russland den Konflikt nicht weiter militärisch eskaliert.

„Sofern das nicht passiert, könnte die Konjunktur in Osteuropa ab der zweiten Jahreshälfte wieder anspringen. Der größte Unsicherheitsfaktor bleibt aber der Krieg in der Ukraine”, meint der Hauptautor der wiiw-Studie, Richard Grieveson. Die Inflation in der Region hat ihren Höhepunkt weitgehend überschritten, wird aber hoch bleiben. Die Geldpolitik der Notenbanken könnte damit wieder etwas gelockert werden, mit positiven Effekten für das Wachstum.

Russland stärker als gedacht

Obwohl sich der Wirtschaftseinbruch in Russland im abgelaufenen Jahr mit –2,5% in Grenzen hielt und damit geringer war als im Herbst prognostiziert (–3,5%), hat der Abschwung im vierten Quartal 2022 an Fahrt gewonnen.

2023 dürfte das BIP um drei Prozent sinken. Verantwortlich dafür zeichnen neben der Teilmobilmachung und den Ausfällen beim Gas-Export nach Europa vor allem die neuen Ölsanktionen des Westens.
Das EU-Ölembargo und der Preisdeckel auf russisches Erdöl haben dazu geführt, dass Russland sein Öl nun mit einem enormen Preisabschlag verkaufen muss. In den ersten vier Wochen seit ihrem Inkrafttreten stürzte der Preis der wichtigsten russischen Rohölsorte Urals auf 47 USD je Barrel ab.

Russen-Öl zum Diskontpreis

Gegenüber der Nordseesorte Brent war das ein Abschlag von 43%. Das schmälert die Steuereinnahmen erheblich, schließlich kommen 40% aus dem Energiesektor, bei denen Exportzölle auf Öl eine große Rolle spielen. „Die am 5. Dezember in Kraft gesetzten Sanktionen sind die effizientesten, die bisher verhängt wurden”, sagt Vasily As-trov, Russland-Experte am wiiw. Dennoch werden sie seiner Meinung nach Putins Fähigkeit zur Finanzierung des Krieges vorerst wenig beeinflussen, da die Lücke über höhere Budgetdefizite finanziert wird.

„Defizite von drei bis vier Prozent des BIP wären aber immer noch verkraftbar”, so Astrov.
Höhere Rüstungsausgaben begrenzen zudem die Rezession. Aussagekräftiger als die BIP-Zahlen für die Entwicklung des Landes erscheinen daher Indikatoren wie die Einzelhandelsumsätze.
Diese sind seit Beginn des Krieges um acht bis zehn Prozent gesunken. Zudem beeinträchtigt das westliche Export-Verbot für Hochtechnologie die längerfristig ohnehin schwachen Wachstumsaussichten Russlands enorm.

Die Inflation wird schwächer

Die meisten Länder der Region verzeichneten 2022 die höchsten Inflationsraten seit 15 Jahren, manche sogar seit den 1990er-Jahren. Im Zuge der fallenden Energiepreise und einer geldpolitischen Straffung durch die Notenbanken dürfte die Teuerung ihren Höhepunkt aber überschritten haben.

In allen 23 beobachteten Ländern mit Ausnahme Ungarns sollte sie 2023 wieder rückläufig sein. Allerdings bestehen Aufwärtsrisiken, zum Beispiel durch eine stärkere Rohstoffnachfrage aus China.

Österreich profitiert

Von der relativen Resilienz Osteuropas profitiert auch die österreichische Wirtschaft: Der Wert der heimischen Exporte in die EU-Mitgliedsstaaten der Region und die sechs Westbalkan-Länder stieg zusammengenommen zwischen Jänner und Oktober 2022 im Jahresvergleich um 24% und damit stärker als die Gesamtexporte (+18%) oder die Ausfuhren nach Deutschland (+17%).

„Darin spiegelt sich das immer noch vorhandene Potenzial dieser Länder für Österreich wider”, sagt Richard Grieveson. Der Wert der österreichischen Exporte nach Russland (–6%), in die Ukraine (–20%) und nach Belarus (–21%) sank dagegen beträchtlich.

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