Corona hat den Banken die Suppe versalzen
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FINANCENET Redaktion 18.06.2021

Corona hat den Banken die Suppe versalzen

Die Folgen der Pandemie haben den Kostendruck noch einmal verschärft – Umsätze und Gewinne fielen.

••• Von Reinhard Krémer

WIEN. Das Pandemiejahr 2020 hinterlässt bei europäischen Privatkundenbanken deutliche Spuren. Weniger internationale Transaktionen und Kreditkartenzahlungen sowie ein geringeres Volumen bei der Konsumentenfinanzierung führten 2020 zu einem durchschnittlichen Umsatzrückgang von vier Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Im gleichen Zeitraum verzeichneten europäische Geldinstitute auch eine erhebliche Abnahme des operativen Gewinns. Bei einem Viertel der untersuchten Privatkundenbanken brach dieser 2020 um 40% im Vorjahresvergleich ein. Im Gesamtdurchschnitt fiel der Profit um acht Prozent von 210 (2019) auf 193 € pro Kunde. Mit 444 € Gewinn pro Kunde ist die Schweiz 2020 im europäischen Vergleich unangefochtener Spitzenreiter.
Österreichische Banken befinden sich mit 208 € dagegen nur im Mittelfeld, wie der aktuelle „Retail Banking Monitor 2021” von Strategy&, der Strategieberatung von PwC, zeigt.
In die Analyse wurden rund 50 Privatkundenbanken und Bankengruppen in Europa einbezogen – sowie Nordamerika und Australien als Vergleichsgrößen – mit insgesamt 690 Mio. Kunden sowie geschätzten Privatkundeneinlagen und Kreditvolumina in Höhe von 18 Bio. €. Die wirtschaftlichen Folgen der Covid-19-Pandemie haben den bestehenden Kostendruck noch einmal verschärft und führen zu immer weitreichenderen Sparmaßnahmen: Angesichts fallender Umsätze senkten Privatkundenbanken in Europa mit Ausnahme von Österreich, Belgien und der Schweiz die operativen Kosten pro Kunde im Jahr 2020 um etwa zwei Prozent gegenüber dem Vorjahr.

Deutsche bleiben stabil

Deutsche Banken weisen hingegen eine überwiegend unveränderte Kostenstruktur auf; aktuell zeigen weitgehend eingeleitete Kostenprogramme noch keine wesentlich positiven Auswirkungen auf die Bilanzen.

Im Gegenteil: Da fallende Einnahmen nicht durch eine Kostenreduktion kompensiert werden konnten, stieg das Aufwand-Ertrags-Verhältnis (Cost-to-income ratio, CIR) für drei Viertel der untersuchten Banken. Besonders Institute in Österreich, Deutschland, Belgien, Frankreich und Italien kämpften 2020 mit einem hohen Aufwand-Ertrags-Verhältnis.



Radikaler Rückbau

Zukünftig werden europäische Privatkundenbanken ihre Kostensenkungen nicht nur fortsetzen, sondern möglicherweise sogar beschleunigen müssen.

Die Transformation der Branche wird vor allem im Filialnetz sichtbar: Von 2016 bis 2019 verringerten sich die Geschäftsstellen um je vier Prozent pro Jahr, von 2019 auf 2020 um weitere fünf Prozent.
Lockdowns in ganz Europa zeigten, dass die Betriebsmodelle der Banken mit stark reduzierten physischen Vertriebskanälen realisierbar sind. Weitere Schließungen von Niederlassungen stehen daher im Raum – bis zu 40% des aktuellen Filialnetzes könnten bis 2023 verschwinden. Gleichzeitig sind auch digitale Investitionen geplant, um die Kosten durch Automatisierung zu senken und gleichzeitig das Kundenerlebnis zu verbessern.

Zukunftsmusik

„Im Bankmodell der Zukunft wird die Kundenansprache umgekehrt: Anstatt durch die besten Standorte möglichst viele Kunden in die Filialen zu locken, werden zukünftig durch gezieltes Online-Marketing Kundenkontakte gewonnen. Diese müssen dann mithilfe einer dezentralen Kundenansprache konsequent in Verkaufsabschlüsse umgewandelt werden – wie es bereits Baufinanzierungsvermittler erfolgreich tun”, sagt Andreas Pratz, Partner bei Strategy& und Autor der Studie. Bedingt durch die Folgen der Covid-19-Pandemie, ergeben sich für europäische Retailbanken jedoch auch neue Möglichkeiten für den Umsatzausbau. Ein Rückgang der Konsumausgaben während der Pandemie ließ 2020 die Einlagen um neun Prozent gegenüber dem Vorjahr steigen.

Die Einlagen monetarisieren

Für Geldinstitute wird es daher immer wichtiger, diese Einlagen zu monetarisieren; Haupthebel der Privatkundenbanken sind dabei die Weitergabe von Negativzinsen sowie der Ausbau von Investitionsmöglichkeiten für Kunden.

„Im Ringen um Marktanteile und Kundenvolumina werden sich die Geschäftsmodelle von Filial- und Direktbanken zunehmend ähnlicher. Traditionelle Banken sollten ihre Filialen als zentrale Anlaufstelle in ein digitalisiertes Vertriebsmodell einbetten, um nicht vom Wettbewerb der Direkt- und Neobanken abgehängt zu werden. Diese sind hingegen gefragt, ihr Angebot an profitablen und individualisierten Dienstleistungen weiter auszubauen, anstatt nur auf grenzenloses Kundenwachstum zu setzen”, sagt Hendrik Bremer, Partner bei Strategy& Österreich.

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