••• Reinhard Krémer
Selbstständig zu sein, ist für viele Österreicherinnen und Österreicher erstrebenswert – das Unternehmertum hat hierzulande nach wie vor einen hohen Status (76%) und gilt als attraktive Karrieremöglichkeit (51%). Knapp die Hälfte der erwerbsfähigen Bevölkerung in Österreich sieht derzeit Gründungsmöglichkeiten (46%) – Platz 9 von 21 befragten europäischen Ländern. Von der Idee bis zur tatsächlichen Umsetzung besteht jedoch noch eine große Lücke: Nur 7,5% planen tatsächlich eine Gründung, Österreich belegt dabei den vorletzten Rang im europäischen Vergleich. Vor der Covid-19-Pandemie lag dieser Wert mit 13% leicht höher.
Ein Hemmschuh bei Neugründungen ist die Angst vor dem Scheitern: 44% haben Sorge, dass der unternehmerische Plan trotz Gründungsmöglichkeit nicht aufgeht. Die Rate der Jungunternehmen ist mit 6,6% im europäischen Vergleich relativ niedrig (Rang 18 von 21 europäischen Ländern).
Hohe Rate „Etablierter”
Erfreulich ist allerdings die weiterhin hohe Rate etablierter Unternehmen mit 7,9%, bei der Österreich deutlich besser abschneidet (Platz 7).
Das sind die Ergebnisse des Global Entrepreneurship Monitor (GEM). Weltweit beteiligen sich 56 Länder, 21 aus Europa. Die quantitative Erhebung des GEM Österreich basiert auf einer repräsentativen Umfrage der heimischen erwerbsfähigen Bevölkerung (n=4.620), dazu ergänzend bewerten 36 Experten den Zustand des unternehmerischen Ökosystems. EY Austria unterstützt als langjähriger Partner.
Jedes dritte Jungunternehmen ist derzeit ein Ein-Personen-Unternehmen (34,9%), nur drei Prozent beschäftigen mehr als 20 Personen. Mehr als die Hälfte (53,6%) der Jungunternehmen erwarten in den nächsten fünf Jahren einen Beschäftigungszuwachs von bis zu fünf Personen.
Ältere preschen nach vorn
Gründungspersonen unterscheiden sich von der restlichen Bevölkerung etwa bei demografischen Merkmalen, Bildungsstand oder Gründungskompetenzen. Das Durchschnittsalter der Jungunternehmer liegt bei 42 Jahren – ein Viertel (25,6%) ist zwischen 35 und 44 Jahre alt.
Hier verschiebt sich die Grenze allerdings nach oben: Die Alterskohorte der 55- bis 64-Jährigen holt mit einem Anteil von 21,7% stark auf. Entgegen dem Klischee sind Österreichs Gründer nicht zwingend den Berufseinsteigern zuzuordnen – denn die Gründungsrate 55+ ist die höchste in ganz Europa. Zurückzuführen ist das unter anderem auf das hohe Ausbildungsniveau, der Akademikeranteil stieg in den letzten zwei Jahren von 22 auf 24% – Gründer haben zudem deutlich höhere Bildungsabschlüsse als die Gesamtbevölkerung.
Frauenanteil klar gestiegen
Der Frauenanteil in der österreichischen Gründungsszene erreicht mit 48% zwar einen neuen Höchststand (2022: 45%), mit zunehmender FTI-Intensität (Forschung, Technologie und Innovation) sinkt dieser jedoch wieder signifikant ab:
Forschende Unternehmen wurden zu weniger als einem Drittel (30%) von Frauen gegründet. Bei gemischten Gründungsteam sind die Zahlen ebenfalls rückläufig – 2024 waren es 53%, 2022 62%, ein Viertel der Teams ist rein männlich (25%).
Die Entrepreneurship Education bleibt in Österreich eine zentrale Herausforderung. Seit Beginn der GEM-Erhebungen wird die unternehmerische Bildung an Primär- und Sekundarschulen von den Experten als unterdurchschnittlich bewertet.
Bildung tut allerorten not
Auch 2024 zeigt sich hier keine Verbesserung, die Bewertung fällt sowohl für die Förderung von Kreativität, Selbstständigkeit und Eigeninitiative, die Vermittlung von Kenntnissen über Marktwirtschaft als auch die notwendige Aufmerksamkeit für Unternehmertum im Schulsystem unterdurchschnittlich aus. Im Bereich unternehmerische Bildung im Hochschul- und Berufsbildungsbereich schneidet Österreich im D-A-CH-Vergleich am schlechtesten ab.
Das sind die Gründungsmotive
Für Jungunternehmer war im Jahr 2024 das häufigste Motiv für eine Unternehmensgründung in Österreich die Sicherstellung des Lebensunterhalts aufgrund knapper Arbeitsmöglichkeiten, was auch als „Gründen aus Notwendigkeit” interpretiert werden kann (53,6%).
Insgesamt nehmen derzeit ökonomische Motive an Bedeutung zu – großer Wohlstand/sehr hohes Einkommen (43,9%) ist das zweithäufigste Gründungsmotiv. Doch auch idealistische Motive bleiben wichtig: Vier von zehn Gründenden (38%) möchten mit ihrem Jungunternehmen einen positiven Einfluss auf die Welt ausüben.
Sechs von zehn (60,1%) stellen soziale und/oder Umwelt-Effekte über Profitabilität und Wachstum (etablierte Unternehmen: 55,4%). Etablierte Unternehmen setzen jedoch häufiger Maßnahmen als Jungunternehmen, um ihre Umweltauswirkungen zu reduzieren (55,2% vs. 50,7%).
Potential in FTI
Als kleine Volkswirtschaft ist Österreich stark vom Außenhandel abhängig, Jungunternehmen halten aber die Internationalisierungsgrade von 2022 und fallen damit im europäischen Vergleich von Rang 7 auf 10 zurück. Knapp zwei Drittel (63,6%) der Gründer sind zunächst auf den heimischen Markt fokussiert und geben an, noch keine Kundschaft aus dem Ausland zu haben. Weitere 15,7% erzielen weniger als ein Viertel ihres Umsatzes mit internationaler Kundschaft, während jeweils ein Zehntel angibt, dass ihr Kundenanteil aus dem Ausland bereits zwischen 25 und 75 oder über 75% liegt. Zwei von drei Jungunternehmen sind innovationsbasiert, jedes fünfte ein Nischenplayer. Die FTI-Intensität (Forschung, Technologie und Innovation ; Anm.) österreichischer Unternehmen bleibt stabil, wobei Jungunternehmen durchgehend höhere FTI-Grade als etablierte Betriebe aufweisen. Ein Drittel (31%) der Jungunternehmen plant die intensivere Nutzung digitaler Tools – 15% sehen KI sehr wichtig für das eigene Geschäftsmodell. „FTI-intensive Start-ups und Jungunternehmen sind für den Gründungsstandort Österreich von großer Bedeutung; sie weisen höhere Wachstumserwartungen auf, erkennen Gründungsmöglichkeiten häufiger, haben mehr als doppelt so hohe Internationalisierungsgrade und Beschäftigungserwartungen und zeigen eine stärkere Orientierung an Nachhaltigkeitszielen”, sagt Florian Haas, EY Österreich.