••• Reinhard Krémer
Weltweit dominieren Sorgen über eine bevorstehende Rezession (55%), hohe Inflation (52%) und Marktvolatilität (45%) die Stimmung der vermögenden Investoren.
Besonders in Europa sind Anleger zusätzlich durch die aktuellen geopolitischen Risiken (43%) stark beunruhigt.
Diese Unsicherheiten führen dazu, dass Investoren ihre Anlagestrategien kritisch hinterfragen und verstärkt aktiv steuern wollen.
Das Vertrauen in traditionelle Beratungsmodelle gerät unter Druck, während alternative Anlageformen und digitale Beratungsangebote an Attraktivität gewinnen. Das sind zentrale Erkenntnisse des aktuellen EY Global Wealth Research Reports 2025, für den weltweit über 3.500 vermögende Privatkunden befragt wurden, darunter mehr als 1.000 in Europa. „Die Kombination von Unsicherheitsfaktoren führt dazu, dass Anleger ihre Vermögensstrategien aktiver hinterfragen und ihre Risikokontrolle erhöhen“, sagt Dieter Schalko, EY Österreich.
Mehr Beratung und Kontrolle
In Europa haben 41% der vermögenden Anleger häufiger Gespräche mit ihren Berater gesucht, um ihre Anlagestrategien anzupassen. Zudem haben 43% der europäischen Investoren die Kontrolle über ihre Portfolios erhöht – ein klares Indiz dafür, dass Anleger proaktiver werden und eigenständig stärker in die Steuerung ihres Vermögens eingreifen.
„Die zunehmende Aktivität der Anleger zeigt, dass Vermögensberater heute mehr denn je auf Transparenz und Kommunikation setzen müssen. Sie wollen nicht nur passiv informiert, sondern aktiv eingebunden werden“, so Schalko. Die Bereitschaft, den Anbieter zu wechseln oder mehrere gleichzeitig zu nutzen („Multihoming“), steigt kontinuierlich an. Weltweit plant bereits rund ein Drittel (32%), zusätzliche Vermögensverwalter hinzuzunehmen – in Europa ist dieser Anteil mit 28% ähnlich hoch.
Loyalität nimmt ab
Schalko analysiert: „Die traditionelle Loyalität gegenüber einzelnen Instituten nimmt ab. Anlageperformance ist dabei nach wie vor der entscheidende Faktor, aber auch moderne digitale Tools, attraktive Gebührenmodelle und transparente Kostenstrukturen werden zunehmend zu wichtigen Entscheidungskriterien.“
Ein klarer Trend zeigt sich auch bei alternativen Anlageformen: Global investieren bereits 51% der vermögenden Kunden in Anlageklassen wie Private Equity, Immobilien, Venture Capital oder Hedgefonds.
In Europa liegt dieser Wert sogar bei 58%. Jedoch bestehen weiterhin Vorbehalte, insbesondere hinsichtlich der Transparenz von Kosten und Risiken.
Alter macht den Unterschied
Der Report verdeutlicht außerdem deutliche Unterschiede zwischen den Generationen: Europäische Millennials zeigen sich wesentlich risikofreudiger und technologieaffiner als Babyboomer. Millennials haben durchschnittlich deutlich mehr Beziehungen zu Vermögensverwalter (2,8 Beziehungen pro Anleger) im Vergleich zu Babyboomern (1,6 Beziehungen pro Anleger). Zudem planen 49% der Millennials, die Zahl ihrer Vermögensverwalter in den kommenden Jahren zu erhöhen, während dies nur zehn Prozent der Babyboomer vorhaben.
Junge mögen Krypto-Assets
Besonders groß ist der Unterschied bei digitalen und Krypto-Assets: 48% der Millennials investieren bereits in diese Anlageformen, während dies bei den Babyboomern lediglich 26% sind. Diese Zahlen unterstreichen die Notwendigkeit für Wealth Manager, ihre Angebote generationenspezifisch anzupassen.
Besondere Herausforderungen bestehen beim generationenübergreifenden Vermögenstransfer. In Europa fühlen sich 53% der vermögenden Anleger nicht ausreichend vorbereitet. Nur 28% berichten, dass ein Familienmitglied bisher eine gute Beratung zu diesem Thema erhalten hat, und lediglich 31% geben an, dass ein klar dokumentierter Nachfolgeplan existiert.
Das Potenzial verfehlt
Vermögensverwalter verfehlen bislang das Potenzial, frühzeitig Beziehungen mit den künftigen Erben aufzubauen. Dabei wäre das dringend geboten. Denn 81% der Befragten planen, ein Vermögen an ihre Kinder oder Ehepartner zu vererben. Relevant für Vermögensverwalter: 50% der potenziellen Erben planen nach einer Erbschaft eine Umverteilung ihrer Anlagen – eine bedeutende Herausforderung für das Halten des verwalteten Vermögens.
Weitere 36% möchten damit Immobilien erwerben, 29% die Pension finanzieren und 27% Bildungsausgaben decken.
Ein weiterer Schlüsselfaktor in der Zukunft der Vermögensverwaltung ist Künstliche Intelligenz (KI). Weltweit erwarten 60% und in Europa 56% der Anleger , dass KI-basierte Tools Teil ihres Beratungsprozesses werden. 46% legen jedoch weiterhin Wert auf menschliche Kontrolle.
Dieter Schalko fasst zusammen: „Die Integration von KI in die Vermögensberatung ist unumgänglich, aber sie ersetzt keineswegs die persönliche Beziehung. Anleger wünschen sich eine kluge Kombination aus technologischer Effizienz und menschlicher Expertise.“
Hintergrundunterstützung KI
Während 62% der Befragten grundsätzlich offen dafür sind, dass KI als Hintergrundunterstützung in der Investmentberatung eingesetzt wird, bleibt das Vertrauen in die Technologie begrenzt: Nur 28% vertrauen KI-gestützten Tools ebenso sehr wie menschlichen Beratern.
Besonders Millennials zeigen hier jedoch eine deutlich höhere Offenheit: 63% wären sogar bereit, eine KI-basierte Finanzplanung ohne menschliche:n Berater zu nutzen, und 52% vertrauen KI-Tools mindestens genauso wie menschlichen Beratern (davon 35% „gleich viel“, 17% „mehr“).
Dennoch besteht insgesamt eine gewisse Skepsis gegenüber vollständiger Automatisierung: Nur 43% aller Befragten wären bereit, ihre Finanzplanung vollständig von einer KI durchführen zu lassen.