••• Reinhard Krémer
Im Rahmen eines Financial Breakfasts ging der Finanz-Marketing Verband Österreich (FMVÖ) der Frage nach, wie Banken und Versicherungen durch die Vermeidung unzufriedener Kunden ihre Kundenbindung stärken können. FMVÖ-Vorstand Robert Sobotka, Geschäftsführer Telemark Marketing, lieferte dazu anschauliches Datenmaterial aus der aktuellen FMVÖ-Recommender-Umfrage und anderen Erhebungen. Wolfgang Seidel, Inhaber der servmark Unternehmensberatung, erläuterte, wie Unternehmen den Anteil an unzufriedenen Kundinnen und Kunden durch richtiges Beschwerdemanagement verringern können.
Zum Verständnis des Sachverhaltes wird’s zuerst einmal technisch: Als Detraktoren werden im Bewertungssystem für Kundenzufriedenheit, dem Net Promoter Score (NPS), jene Kunden bezeichnet, die Unternehmen eine negative Bewertung ausstellen. Promotoren sind jene Personen, die hingegen angeben, das jeweilige Unternehmen ihrer Familie oder Freunden weiterzuempfehlen.
Detraktoren verhindern
Über einen Zeitraum von 19 Jahren führte Telemark Marketing im Auftrag des FMVÖ auf Basis des NPS eine Umfrage unter 8.000 Kunden österreichischer Banken und Versicherungen durch, die der FMVÖ zur Kür der Preisträger des alljährlichen FMVÖ-Recommender-Awards heranzog. Der Prozentsatz der Befragten, die keine Weiterempfehlung für ihr Institut aussprechen, liegt in diesem Zeitraum relativ konstant bei ca. 20% der Kunden.
Auf die erwachsene Gesamtbevölkerung hochgerechnet, sind dies 1,5 Millionen, wobei Versicherungen tendenziell besser abschneiden als Banken. „Unternehmen achten meist nur darauf, die Zahl der Promotoren zu steigern. Nicht zu unterschätzen ist allerdings die Auswirkung von Detraktoren auf die Kundenbindung. Während positiv gestimmte Kunden ihre Erfahrung maximal drei Personen weitererzählen, sind es bei Unzufriedenen sieben bis 15 Leute. Ein Multiplikationsfaktor, der äußerst relevant ist – diese 1,5 Millionen Detraktoren müssen daher verhindert werden”, warnt Studienleiter und FMVÖ-Vorstand Robert Sobotka.
Das Gift der Unzufriedenheit
Ca. ein Viertel der Kunden gab bei der Versicherungsmarkt-Basisstudie 2025 an, im letzten Jahr eine Versicherung gekündigt zu haben – davon 29%, weil sie die Leistung nicht mehr benötigt hatten.
Die weiteren Kündigungsgründe hängen jedoch allesamt mit der Unzufriedenheit der Kunden zusammen – sei es aufgrund von zu hohen Kosten (25%), oder aber auch wegen Problemen bei der Schadensabwicklung (11%) oder mit dem Betreuer (neun Prozent) sowie schlechtem Kundenservice (rund neun Prozent).
„Unterm Strich bedeutet dies, dass pro Jahr bei ca. eine Million Kunden die Unzufriedenheit zur Kündigung führt”, erläutert Sobotka.
Warum man die Bank wechselt
Bei den Banken ist hervorzuheben, dass bei den Detraktoren die Wechselbereitschaft zu anderen Instituten mit 43,5% sehr hoch ist, während bei „neutral” gestimmten Kunden nur 14,5% einen Wechsel der Bank in Betracht ziehen. Nach hohen Kosten (21% der Befragten) sind bei Bankkunden schlechte Beratung, Betreuung oder Service (19% der Befragten) sowie negative Erfahrungen und Unzufriedenheit (9% der Befragten) die Hauptgründe, warum diese zu Detraktoren werden.
Kündigungen verhindern …
„Statt Kunden anderer Institute mit teuren Maßnahmen und Aktionen wie Rabatten oder ähnlichem abzuwerben, sollten Finanzunternehmen eher auf die Strategie setzen, die Kündigung ihrer Bestandskunden zu verhindern. Unsere Befragungen über die letzten Jahre zeigen deutlich, dass schlechte Beratung, fehlender Kontakt zu den Kunden und hohe Kosten die Top-3-Gründe sind, warum Kunden nicht gehalten werden können”, so die Conclusio von Sobotka.
… und Kunden umdrehen
Dass Beschwerden nicht ausreichend Hinweis auf die eigentliche Zufriedenheit geben, wird durch das so genannte Phänomen der „Unvoiced Complaints” belegt – das bedeutet, dass Kunden kommentarlos abwandern, weil sie mangels Relevanz der Serviceleistung, aufgrund fehlender Ansprechpersonen, aus Scheu vor Konflikten oder aufgrund aus ihrer Sicht mangelnder Erfolgsaussichten keine Beschwerden äußern. Es ist daher eine Kernfrage, wie es gelingen kann, diese „Unvoiced Complaints” zu verhindern und Detraktoren zu neutralen bzw. sogar zu treuen Kunden zu machen. Dafür ist es laut Wolfgang Seidel zunächst wichtig, den Nährboden für Detraktoren zu erkennen.
Beschwerden ein Geschenk
Unternehmen müssen sich dafür detailliert mit den Anliegen ihrer Kunden auseinandersetzen, die täglich im Servicecenter behandelt werden. „Beschwerden sind ein Geschenk, denn die Kunden könnten auch anders agieren und unmittelbar kündigen oder negativ kommunizieren. Mit ihrer Beschwerde zeigen sie Interesse an der Geschäftsbeziehung und geben dem Unternehmen die Gelegenheit, mit ihren Problemen aktiv umzugehen sowie die Möglichkeit, Kunden-Feedback zu erhalten. Wichtig ist jedoch, im individuellen Kontakt das jeweilige Anliegen authentisch und empathisch zu ‚handeln'”, sagt Seidel.
Die größte Herausforderung der Unternehmen ist laut Seidel, alle Beschwerden richtig zu erkennen, zu dokumentieren und inhaltlich einzuordnen. Es gilt daher, die Kunden-Narrative – also die „Geschichte”, die die Kunden mit ihrer Beschwerde erzählen – in den Mittelpunkt zu rücken und zu analysieren. Bei diesem Punkt kann Künstliche Intelligenz hilfreich sein, da Machine Learning dem Menschen beim Erkennen des Beschwerdekerns voraus ist. „Erfolgreiche Unternehmen legen den Fokus nicht auf Zufriedenheitsmaximierung, sondern auf Unzufriedenheitsminimierung”, so der servmark-Chef.