EZB-Chef Mario Draghi sortiert seine Giftpfeile
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FINANCENET Redaktion 24.08.2018

EZB-Chef Mario Draghi sortiert seine Giftpfeile

Die Europäische Zentralbank könnte die paradiesischen Zeiten für Kreditnehmer in absehbarer Zeit beenden.

••• Von Reinhard Krémer

Die langfristigen Zinsen scheinen derzeit im Euroraum bei etwa 1,5% so gut wie eingemauert. Seit mindestens drei Jahren warten Anleger auf die Zinswende – doch ist es wie mit dem Taxi im DÖF-Song: Es kummt ned ... Die Experten raten zur Vorsicht bei Käufen von Festverzinslichen, weiß Martin Hüfner, Volkswirtschaftlicher Berater der Hello bank!. Nach 30 Jahren sinkender Zinsen könne es jetzt nur noch nach oben gehen.

„Die Zinspolitik kommt in Bewegung. In vielen Ländern der Welt denken die Zentralbanken über höhere Sätze nach”, so ­Hüfner.

Noble Zurückhaltung

„Die Europäische Zentralbank hält sich bisher aus dieser Diskussion heraus; sie hat sich festgelegt, das Thema erst frühestens Mitte nächsten Jahres anzufassen.” An sich wäre es logisch, meint Hüfner, jetzt auch im Euroraum eine Diskussion über höhere Zinsen anzustoßen: „Das hat die EZB bisher aber kategorisch ausgeschlossen.”

Sie wird nicht müde, zu wiederholen, dass die Leitzinsen erst mit entsprechendem zeitlichen Abstand zum Auslaufen der Wertpapierkäufe (Ende des Jahres; Anm.) angehoben werden können: „So entstand an den Märkten in den letzten Wochen eine Geisterdebatte darüber, ob die EZB ‚schon' im Sommer 2019 oder erst im Herbst tätig würde”, merkt der Experte kritisch an.
Noch ist die Europäische Zentralbank also ruhig. Doch was gut ist für Anleger, ist Gift für Kreditnehmer, und so tut jeder, der seine niedrigen Zinsen noch nicht fixiert hat, gut daran, dies langsam aber sicher in Angriff zu nehmen.

Der Zinskrampus kommt

Denn besonders Kreditnehmer hatten es fein während der letzten Jahre: Die Kreditzinsen lagen am Boden, davon profitierten Konsum und vor allem Immobilien.

„Wer einen Kredit benötigt, sollte bald handeln. Wir gehen davon aus, dass spätestens 2019 wieder Bewegung in den Zinsmarkt kommt. Deshalb raten wir zu Fixzinsen”, sagt Thomas Schaufler, Privatkundenvorstand der Erste Bank Oesterreich, die eine Kreditentscheidung für Wohnfinanzierungen innerhalb von 24 Stunden garantiert.
Wobei im Falle eines Finanzierungsbedarfs die fixe Verzinsung ohnehin am beliebtesten ist: Drei Viertel aller befragten Österreicher tendieren dazu; nur ein Viertel bevorzugt variable Zinsen, zeigte vor Kurzem eine Imas-Umfrage für Erste Bank und Sparkassen.

Zart nach oben

„In Europa wurde es den Amerikanern sehr oft gleich getan, wenn es um Zinsanhebungen geht. Daran kann man sich aber derzeit nicht orientieren. Kommt eine Erhöhung? Wenn, dann maximal um 0,25 Prozent oder noch weniger”, ist Wolfgang Maurer, Geschäftsführer des Kredit­spezialisten creditnet.at, überzeugt.

„Bis Ende des Jahres erreicht der Euribor maximal den Wert von 0%, in den nächsten drei Jahren werden die Zinsen wenn, dann nur moderat steigen – nämlich auf maximal ein Prozent, aber nicht höher”, meint Maurer.

Fixe besser als „Caps”

Wer rechtzeitig absichern will, hat noch die Wahl: „Fixzins-Verträge bieten momentan eine günstigere Absicherung als die sogenannten Caps, also Zins-Caps”, erläutert der creditnet-Geschäftsführer.

„Eine weitere Möglichkeit, von den niedrigen Zinsen zu profitieren, sind die sogenannten Bandbreiten-Modelle, die einige Banken wie zum Beispiel die RLB oder die Bawag anbieten. Mit ihrer Hilfe können zum Beispiel die ersten zehn Jahre abgesichert werden, wobei die Untergrenze bei 1,3 Prozent liegen kann und die Obergrenze zum Beispiel bei 4,4 Prozent liegt”, erklärt der Experte. Noch sei die Zinslandschaft laut Maurer flach: Die günstigsten Immo-Kredit-Zinsen für Private gäbe es derzeit im variabel-Bereich ab 0,75% Aufschlag auf den Euribor.

Noch ist´s günstig

„Fünf Jahre fix kann man ab 0,875 Prozent, zehn Jahre fix ab 1,25 Prozent, bis 15 Jahre fix, ab 1,5 und über 15 Jahre fix ab 1,875 Prozent bekommen. Für längere Zeiträume kosten 20 Jahre fix ab 2,125 Prozent Aufschlag (jener Zinssatz, der sich aus dem SWAP und der bankeninternen Marge – Aufschlag – zusammensetzt) und 25 Jahre fix ab 2,3 Prozent.” Allen Interessenten gibt Maurer noch einen wichtigen Tipp: „Der Eigenmittelanteil kann gar nicht hoch genug sein, oftmals kommt man nur so an die Top-Konditionen. Effektivzinsen werden von vielen Banken nicht ordentlich ausgewiesen. Jeder Kreditnehmer sollte daher die anbotlegende Bank auffordern, den Effektivzinssatz korrekt zu berechnen”, rät der Kreditexperte.

Laufzeiten sind nicht endlos

Wichtig für die Zukunftsplanung im Immobilienbereich: „Banken vermeiden die Ausgabe von Krediten mit überlanger Laufzeit; die Institute stellen daher die Kreditvergabe von Laufzeiten über 40 Jahren ein”, beschreibt Wolfgang Maurer von creditnet.at das Szenario.

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