Wie die Jugend in die Schuldenfalle tappt
FINANCENET Redaktion 02.02.2024

Wie die Jugend in die Schuldenfalle tappt

YEP-Jugendstudie in Zusammenarbeit mit Erste Financial Life Park zeigt Mängel bei Finanzbildung.

••• Von Reinhard Krémer

Die Zahl der Privatinsolvenzen unter 24-Jähriger stieg im Jahr 2023 laut dem Alpen­ländischen Kre­ditorenverband um 22%. Jugendverschuldung und verantwortungsvolle Finanzplanung bilden zudem die Schwerpunkte der nationalen Finanzbildungsstrategie der nächsten beiden Jahre. Dass Österreichs Jugend selbst Handlungsbedarf in diesem Bereich sieht, zeigt eine aktuelle, repräsentative Jugendstudie des Sozialunternehmens YEP in Zusammenarbeit mit dem Erste Financial Life Park (FLiP).

48% der befragten Jugendlichen geben an, sich „eher nicht” oder „gar nicht” beim Thema Geld und Finanzen auszukennen. Zum Vergleich: 2021 waren es noch 60% , die sich selbst mangelndes Finanzwissen attestierten. Deutliche Unterschiede zeigen sich bei den Geschlechtern: 56% der weiblichen Befragten fehlt es an Finanzwissen, bei den männlichen sind es mit 36% merklich weniger.

Fehlendes Wissen & Inflation

Die Folgen: Jede zweite weibliche Befragte (51%) fühlt sich vom Umgang mit Geld gestresst, bei den männlichen Befragten „nur” rund jeder Vierte (29%).

Als Stressfaktoren im finanziellen Alltag nennen die Jugendlichen vorwiegend die Inflation, dass es ihnen schwerfalle, Geld zu sparen, aber auch Zukunftsängste wie sie sich ihr zukünftiges Leben leisten sollen. Worin diese Zukunftsängste begründet liegen, zeigen weitere Zahlen der Studie: 51% der Jugendlichen in Österreich fühlen sich mit ihrer aktuellen finanziellen Bildung nicht auf die Zukunft vorbereitet.
Auch hier ist ein starker Unterschied erkennbar: Während 57% der weiblichen Befragten sich nicht auf die Zukunft vorbereitet fühlen, sind es bei den männlichen Befragten mit 40% deutlich weniger.

Investition in die Zukunft

„Sich frühzeitig mit dem Thema Finanzen auseinanderzusetzen, ist eine extrem gute Investition in die eigene Zukunft. Wer das macht, hat schon gewonnen. Eine gute Finanzbildung gibt Menschen die Freiheit, ihr Leben nach eigenen Bedingungen zu leben und frei zu gestalten. Viele junge Menschen werden ins kalte Wasser geworfen, quasi ‚learning by doing', wenn es um die eigenen Finanzen geht. Und das kann man sich im Umgang mit Geld wortwörtlich nicht leisten”, sagt Gerda Holzinger-Burgstaller, CEO der Erste Bank Oesterreich.

Verschuldung stark gestiegen

Welche schwerwiegenden Folgen mangelndes finanzielles Wissen hat, zeigen aktuelle Zahlen aus der Insolvenzstatistik 2023 des Alpenländischen Kreditorenverband (AKV).

So befanden sich im Jahr 2023 insgesamt 22% mehr Personen unter 24 Jahren in Privatinsolvenz als noch im Jahr zuvor, bei weiblichen Betroffenen beträgt der Anstieg sogar 45%.
Als primäre Ursache identifiziert der AKV Konsumschulden, vor allem aus dem Onlinebereich. Ratenzahlung und Zahlungsverzug würden dazu führen, dass die jungen Menschen den Überblick über ihre Ausgaben verlieren würden. Die Ergebnisse der Jugendstudie unterstreichen das: Jede fünfte jugendliche Person in Österreich hat keine Übersicht, wie viel Geld sie im Monat ausgibt. Und 17% hatten schon einmal Sorgen, ausgeborgtes Geld nicht mehr zurückzahlen zu können.

Als gäb’s kein Morgen

Wie real das Thema Jugendverschuldung wirklich ist, weiß Philip List, Leiter des Erste Financial Life Park, aus mehr als 4.000 Touren im FLiP: „Es ist besorgniserregend, wie verbreitet das Schulden machen unter Österreichs Jugend ist”, so der Experte.

Social Media-Trends, wo mit der Höhe der offenen Rechnungen angegeben wird, und die Tatsache, dass mittlerweile nahezu jeder Onlineshop eine Buy-Now-Pay-Later-Bezahllösung anbiete, würden die Lage zusätzlich verschärfen: „Noch nie war es so einfach, Konsumschulden zu machen wie heutzutage. Umso wichtiger ist es, den Jugendlichen die realen Folgen aufzuzeigen”, sagt List.

Eltern sind gefordert

Aber auch Sucht sowie mangelndes Wissen und fehlende Erfahrung wären Faktoren, so der Experte.

Für List können Eltern einen essenziellen Beitrag leisten, um den Jugendlichen kritisches Konsumdenken zu vermitteln: „Das Thema Geld zu Hause pro-aktiv anzusprechen und selbst den richtigen Umgang vorzuleben, ist ein wichtiger Teil der Erziehung.” Allein: 30% der befragten Jugendlichen geben aber an, zu Hause selten oder gar nicht über Geld zu sprechen.
Laut YEP-Jugendstudie geben die Jugendlichen für die Verschuldung ihrer Altersgenossen mangelnde Bildung, unzureichende Aufklärung oder „keine Ahnung von Finanzmanagement” als Ursachen an.

Getrieben vom Konsumzwang

Schwierigkeiten bei der Übernahme von Eigenverantwortung, (Kauf)sucht oder die Neigung, „Konsumopfer” zu werden, wären ebenfalls Gründe.

Der Tenor der Jugendlichen: Viele würden sich in Schulden stürzen, um unnötige Dinge zu kaufen und stets das „Neueste” oder „Beste” zu besitzen – oft auch, um ein bestimmtes Image aufrechtzuerhalten oder andere zu beeindrucken.
Gruppendruck in Freundeskreisen spiele hier eine große Rolle, ob Markenzwang oder kostspielige Freizeitaktivitäten. Mehr zum Thema Finanzbildung lernen würden die Jugendlichen in Österreich am liebsten in der Schule.

Einfacher als gedacht

Die Grundlagen dafür wurden mit der Integration von Finanzbildung in den Lehrplan geschaffen.

Für Holzinger-Burgstaller ist das ein wichtiger Schritt für das gesellschaftliche Tabuthema Geld: „Der richtige Umgang mit den eigenen Finanzen muss zu einem Lifestylethema werden.” Viele würden vor Touren durch das FLiP bei Finanzbildung immer noch an die Vermittlung von hochkomplexen Finanzmarkt-inhalten denken, so List.
Dabei sei es viel einfacher, so der Experte: „Es geht im FLiP nicht darum, der nächste Börsenguru zu werden, sondern ein Gefühl für den Umgang mit Geld zu entwickeln und zu verstehen: Was sind fixe, was variable Kosten? Welche monatlichen Ausgaben kommen auf mich zu? Im FLiP vermitteln wir spielerisch, welche regelmäßigen Ausgaben im Alltag warten.”

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