••• Von Gerald Stefan
WIEN. Die beiden Schweizer Versicherer Helvetia und Basler haben gemeinsam bald eine halbe Million Kunden in Österreich: Die Zukunft liegt nicht bloß in Online-Experimenten, sondern man will die beste Heimat für erfolgreiche Versicherungsvermittler sein, sagt Vorstand Werner Panhauser. Dafür sind zwei Dinge nötig: Erstens eine neue Produktgeneration nach erfolgreich beendeter Verschmelzung – an der wird gearbeitet. Und zweitens etwas Rückenwind durch ein besseres Image der Branche insgesamt, gerade bei Neueinsteigern: „Alle Versicherer müssen gemeinsam an der Nachfolgeproblematik arbeiten”, sagt Panhauser.
medianet: Helvetia und Basler sind zusammengegangen, seit einem Jahr ist die Basler unter der Marke Helvetia unterwegs. Wie groß war der Aufwand der Umstellung, was sind die Vorteile?
Werner Panhauser: Wir hatten vorher 300.000 Kunden, jetzt sind es mit der Basler bald 500.000. Beide Unternehmen hatten das Ziel, in die Top Ten am österreichischen Markt zu kommen; es hätte getrennt aber viel länger gedauert, 10 bis 15 Jahre. Durch die Verschmelzung haben wir es sofort erreicht. Die gemeinsame Größe macht es leichter, Vorhaben zu finanzieren. Natürlich war es viel Arbeit, wir haben 70 Agentur-Outlets und neue Teams mit neuen Chefs gebildet und sieben Standorte zusammengelegt, den letzten Anfang Dezember. Und wir haben überall den Helvetia-Stil eingeführt, offene Räume mit Glaswänden und dem charakteristischen Teppich. Insgesamt haben wir jetzt 40 Niederlassungen und 60 Agentur-Outlets, etwa 1.300 Vertriebspartner und 300 Außendienst-Angestellte.
Die Vertriebsschienen
medianet: Wie groß war der Jobabbau, was ändert sich im Vertrieb?
Panhauser: Wir haben vor allem durch Skaleneffekte Synergieeffekte geholt. Wir haben den natürlichen Abgang genutzt, darüber hinaus gab es eigentlich keinen personellen Einschnitt. Wir hatten auch schon vorher keine Landesdirektionen, sondern ein flaches System mit fünf Regionen. Natürlich kamen im Vertrieb die Basler-Agenturen dazu: Die Helvetia hatte vorher keinen Agenturvertrieb. Wir haben den der Basler, der erfolgreich ist, übernommen; alles andere wäre nicht sinnvoll gewesen. Daher haben wir nun einen angestellten Außendienst, Versicherungsmakler und Versicherungsagenten als Vertriebsschienen – und alle sind in etwa gleich stark. Dazu kommt eine kleine Bankenvertriebsschiene.
medianet: Ist die Fusion jetzt beendet? Wie schwer war es, die Kunden daran zu gewöhnen?
Panhauser: Die Zusammenlegung ist beendet bis auf die IT; wir fahren nach wie vor zwei IT-Systeme, unsere Mitarbeiter müssen also zunächst schauen, ob ein Vertrag im Basler- oder im Helvetia-System läuft. Eine solche Migration ist anspruchsvoll. Die Umstellung der Marke war dagegen fast unspektakulär. Die wichtigste Frage war: Wann informiere ich den Kunden wie? Da beide Unternehmen Schweizer Versicherer waren mit einer ähnlichen Marktstellung, ähnlichen Produkten, sozusagen einer ähnlichen DNA, war das eigentlich nicht schwierig. Wir haben den Leuten klar gesagt, was Sache ist, und die Umstellung mit einer Fernsehkampagne begleitet. Ich kann mich an keinen Fall erinnern, wo einer gesagt hätte, er kündigt, weil er jetzt nicht mehr bei der Basler, sondern bei der Helvetia ist. Man muss ja vor allem eines sehen: Der Kunde ist ja weiterhin bei seinem gewohnten Berater, den er kennt. Intern sah die Sache anders aus. Man muss eine solche Umstellung mit einem guten Change Management begleiten. Das haben wir getan, wir haben die Prozesse evaluiert und verglichen, wer macht was, wie geht es am besten.
medianet: Konnten Sie einfach die Produkte zusammenlegen und sagen, ab heute ist alles eins?
Panhauser: Das war tatsächlich eine der großen Fragen. Sowas lernt man auf keiner Uni. Noch am ehesten ging das bei der Lebensversicherung: Da haben wir tatsächlich in der Stunde Null auf den Knopf gedrückt und gesagt, jetzt verkaufen wir nur noch die LV-Produkte der Helvetia. Die waren kurz davor modernisiert worden und sehr fortschrittlich. Bei Schaden/Unfall haben wir dagegen zunächst die beiden Produktarchitekten an einen Tisch gesetzt. Sie mussten die Must-haves definieren: Was muss in die Produkte, was muss auf jeden Fall vorhanden sein. Dann führt man Schritt für Schritt die neuen, gemeinsamen Produkte ein. Wenn man alles auf einmal einführen würde, müssten alle Mitarbeiter alle Produkte auf einen Schlag kennen, das ergibt Chaos. Erst wenn die Umstellung vollzogen ist, kann man dann die IT stilllegen und auf das neue System migrieren. Wir haben jetzt im Frühjahr mit Schaden/Unfall begonnen, in rund einem Dreivierteljahr werden alle Produkte umgestellt sein. Im Zuge der Überarbeitung wird viel Neues kommen. Zum Beispiel gibt es in der Unfallversicherung eine bessere Hubschrauberbergung, in der Eigenheimversicherung gibt es eine bessere Fahrlässigkeitsregelung, etc. Dagegen haben wir in der Lebensversicherung bereits 2015 das Sicherheitskonto eingeführt, wo der Kunde je nach Risikobereitschaft und Marktlage umschichten kann. Die Fondsgebundene LV ‚Titan' ist ebenfalls neu. Daher kommt in der LV jetzt nur wenig Neues, da muss erst einmal das schon Eingeführte greifen.
medianet: Wird es Veränderungen in der Gewichtung der Vertriebsschienen geben, z.B. bei den Maklern?
Panhauser: Ich sehe keine großen Umwälzungen. Zwar haben die Versicherungsmakler in Österreich in den letzten Jahren Zuwächse erzielt, aber der von manchen erwartete Erdrutsch blieb aus. Der unternehmensnahe Vertrieb – also Angestellte und Versicherungsagenten – ist durchaus weiterhin beliebt. Man sollte die Frage der Vertriebsschienen vielleicht eher so sehen: Es gibt für jeden Typ Mensch die richtige Arbeitsform. Manche wollen selbstständig arbeiten, andere angestellt sein. Vor allem kommt es ja auf die persönliche Betreuung an. Darum endet auch der Bankenvertrieb von Versicherungsprodukten beim zweiten Sachversicherungs-Vertrag. Es geht im Versicherungsgeschäft auch sehr um den Service. Die Helvetia wickelt pro Jahr rund 100.000 Schadensfälle ab, die meisten in 72 Stunden. So etwas kann man von einem Bankenvertrieb einfach nicht erwarten.
medianet: Das bringt uns auf die neueste Vertriebsschiene, Online. Wie wichtig ist die?
Panhauser: Die Helvetia hat mit ‚Smile direct' den Marktführer bei Online-Versicherungen in der Schweiz in der Gruppe, mit einem sehr urbanen Zielpublikum. Wir kennen uns daher bei Online-Versicherungen aus, wissen aber auch, wie lang es dauert, bis man da wirklich ins Verdienen kommt. In absehbarer Zeit wird es eine solche Online-Vertriebstochter bei uns in Österreich nicht geben. Ich sehe auch sonst keine wirklich erfolgreichen Beispiele am heimischen Markt. Man kann nicht auf allen Hochzeiten tanzen. Die Helvetia ist der Inbegriff des Sales-Versicherers. Wir wollen die beste Heimat für erfolgreiche Versicherungsvermittler sein.
medianet: Wie ist ein erfolgreicher Vermittler beschaffen?
Panhauser: Ich mache das jetzt 20 Jahre und weiß daher, dass es kein Patentrezept gibt. Es gibt laute Vermittler, leise, solche, die nur beim Kunden unterwegs sind, und solche die alles vom Büro aus machen – und die alle ähnlich erfolgreich sind. Wir können das als Versicherer nicht wirklich beeinflussen, aber wir können dafür sorgen, dass sie sich bei uns wohlfühlen, mit kurzen Entscheidungswegen und einem guten Verhältnis. Ein Problem, an dem die Branche arbeiten muss, ist die Nachfolgeproblematik. Die Versicherungsmakler haben sie thematisiert, aber sie betrifft alle Vertriebswege. Die Helvetia ist auch in kleinen Orten wie Tragöß in der Steiermark präsent, es ist mir ein Anliegen, dass das so bleibt. Aber in manchen Regionen tun wir uns ganz schwer, Nachwuchs zu finden.
Die Leute haben ein falsches Berufsbild von den Versicherern. Es ist eine sehr sichere Branche, bei der man viele Menschen trifft und einen abwechslungsreichen Beruf hat. Nur eines: sie gilt nicht als sexy. Sag, du arbeitest bei Audi, und du musst gar nicht mehr sagen als was. Sag, dass du bei einem Versicherer bist, und keiner will es mehr genauer wissen. Es ist gemeinsame Aufgabe aller Versicherer, dass sich das ändert.