••• Von Evelyn Holley-Spiess
Sie ist die einzige Frau im zehnköpfigen Gremium und hatte die ersten sechs Monate den Vorsitz über: Claudia Neumayer-Stickler, Juristin und Leiterin des gesundheitspolitischen Referats im ÖGB, wurde zu Beginn des Jahres gemeinsam mit Peter McDonald zum neuen Vorsitzenden-Duo der Konferenz der Sozialversicherungsträger gewählt. Die Funktionsperiode läuft fünf Jahre bis 2029. An Herausforderungen fehlt es mit Sicherheit nicht.
„Es war natürlich ein spannendes Zusammentreffen, dass kurz nach dem Start der neuen Funktionsperiode in der Sozialversicherung auch eine neue Regierung ihre Arbeit aufgenommen hat. Das Programm der Koalition sieht Vieles vor, wo die Sozialversicherung eingebunden ist. Eines der großen Themen ist natürlich die finanzielle Situation”, sagt Neumayer-Stickler im Gespräch mit medianet. Der Spagat der nächsten Jahre wird darin bestehen, bei knappen Ressourcen dennoch Reformen auf den Weg zu bringen. Denn auch diese sind im Programm der Koalition verschriftlicht.
Prävention im Berufsalltag
„Ein ganz wesentlicher Punkt ist, mehr in Prävention zu investieren und eine entsprechende Strategie aufzusetzen. Da hinken wir auch im internationalen Vergleich hinterher”, lautet die Analyse der Expertin. Wobei sie als Gewerkschafterin gerade auch den Arbeitsplatz im Fokus hat: „Wir wissen, dass viele Arbeitsplätze physisch oder psychisch krank machen.” Hier gäbe es viele Ansatzpunkte für Verbesserungen. So sei das Arbeitnehmerschutzgesetz mittlerweile 30 Jahre alt und müsste adaptiert werden. Dies gelte auch für die Liste von Berufskrankheiten. Neumayer-Stickler: „Wir sind hier nicht auf dem Stand, wie es 2025 sein sollte. Ein Vergleich: Bei uns sind 56 Berufskrankheiten gelistet, in Deutschland sind es weit über 80. Und die Arbeitswelt ist in diesen Ländern sicher vergleichbar.” Konkretes Beispiel Bandscheibenprobleme. In Deutschland würden bandscheibenbedingte Erkrankungen durch schweres Heben und Tragen schon seit den 1990er-Jahren als Berufskrankheit gelten. Betroffen davon sind Menschen in der Baubranche, im Paketdienst – aber auch die vielen Beschäftigten im Gesundheits- und Pflegebereich. In Österreich fehlt diese Erkrankung auf der Liste – und als Folge auch ein passendes Präventionsangebot.
Neuer Fonds zur Finanzierung
Ein weiteres Kernthema ist für Neumayer-Stickler „der Ausbau der niedergelassenen Versorgung, also der Ausbau im Bereich der Primärversorgung, der Fachärzte, der Expertisezentren für chronische Erkrankungen. Da wird es viele Mittel brauchen.” Kommen könnte das Geld vom neu eingerichteten Gesundheitsreformfonds. Dieser wurde im Zuge des Doppelbudgets von der Regierung beschlossen und soll ab 2026 jährlich mit rund 500 Mio. € dotiert werden. Fakt ist: „Wir brauchen dringend Investitionen im Gesundheitsbereich.”
Prüfung der Kassenreform
Was das Regierungsprogramm ebenfalls vorsieht, ist eine Evaluierung der Organisationsreform der Sozialversicherung aus den Jahren 2018/19. Neumayer-Stickler dazu: „Damals wurde sehr viel verändert und es ist gut, wenn man sich das nach einigen Jahren genau ansieht.” Was dabei herauskommen könnte – etwa in Form von Empfehlungen an den Gesetzgeber, fasst die Juristin so zusammen: „Klar ist, dass die Arbeitnehmervertretung damals massiv geschwächt wurde und damit in Zusammenhang die echte Selbstverwaltung auf Seiten der Versicherten. Das heißt: Das Verhältnis zwischen Arbeitgeberinnen bzw. Arbeitgebern und Arbeitnehmer-innen bzw. Arbeitnehmern in den Verwaltungskörpern gehört überprüft, die Parität müsste überdacht werden.” Auch die finanziellen Änderungen von damals seien unter die Lupe zu nehmen. So sei etwa der Unfallversicherungsbeitrag gesenkt worden, was sich nachteilig auf die AUVA und in weiterer Folge auf die ÖGK ausgewirkt habe.
