••• Von Chris Radda und Katrin Grabner
Seit Anfang des Jahres hat die ELGA GmbH eine neue Geschäftsführung: Stefan Sabutsch ist der technische Geschäftsführer, Edith Bulant-Wodak die kaufmännische Geschäftsführerin. Im medianet-Interview sprechen sie über die Herausforderungen der vergangenen Jahre und welches Potenzial in der elektronischen Gesundheitsakte (ELGA) steckt.
medianet: Was waren aus Ihrer Sicht die Milestones in der Etablierung der elektronischen Gesundheitsakte in Österreich?
Stefan Sabutsch: Ein wichtiger Meilenstein, um den uns viele Länder beneiden, ist das 2013 in Kraft getretene Gesetz mit der Opt-out-Option. Wichtig war außerdem der Rollout der e-Medikation und e-Befunde 2017/18 sowie die offizielle Einführung des elektronischen Impfpasses 2020. Hier waren wir im Europa-Vergleich vorne mit dabei.
medianet: ELGA sollte ein großes Einparungspotenzial mit sich bringen. Können Sie das, zehn Jahre nach dem offiziellen Start, noch unterschreiben?
Sabutsch: Auf jeden Fall. In unserem Finanzierungssystem ist das schwer zu beziffern. Wenn sich beispielsweise die Länder über die Spitäler etwas sparen, heißt das nicht, dass das auch im niedergelassenen Bereich passiert. Wir haben hier leider keine verlässlichen Zahlen. Ich kenne Schätzungen, die besagen, dass ein Jahr Vollbetrieb der e-Medikation die Errichtungskosten über Vermeidung von Doppelmedikation und Wechselwirkungen sowie deren Folgen einspielen.
Edith Bulant-Wodak: Einsparungen betreffen vor allem die Vermeidung von Mehrfachbehandlungen und Verschreibungen. ELGA soll Ärzte dabei unterstützen einen umfassenden Überblick zu behalten.
medianet: Welches Potenzial steckt noch in ELGA?
Sabutsch: Derzeit arbeiten wir am Austausch von Ambulanzbefunden, das passiert erst kleinflächig, in drei Regionen. Hier sind die Krankenanstalten gefragt, sie müssen sich freiwillig dazu entscheiden. Abgesehen davon arbeiten wir intensiv am Austausch von Bilddaten. Dazu gibt es derzeit fünf Pilotprojekte in Österreich, 2024 soll es breiter ausgerollt werden.
Bulant-Wodak: Was derzeit noch fehlt, ist der gesamte niedergelassene Bereich. Hier sind wir auf einem Weg in Richtung Diagnosendokumentation, wo man mit strukturierten Daten gut weiterarbeiten kann, damit alle ein umfassendes Bild haben.
medianet: Ein umfassendes Bild zu haben, war gerade während der Pandemie ein Problem. Daten standen spät oder lückenhaft zur Verfügung. Warum?
Bulant-Wodak: Wir haben viele Daten in Österreich. Was fehlt, ist eine neutrale Stelle, die die Daten anonymisiert, zusammenführt und auswertet. ELGA könnte hier helfen.
medianet: Gibt es hierzu schon Gespräche mit der Politik?
Bulant-Wodak: Es wurde erkannt, dass es so eine Stelle braucht. Gespräche gibt es aber momentan nicht.
medianet: Österreich war mit dem Start der ELGA international früh dran, zuletzt haben aber Experten kritisiert, dass Österreich in Sachen Digitalisierung ins Hintertreffen gerät. Wie sehen Sie das?
Sabutsch: Es ist durchwachsen. Wir sind grundsätzlich gut digitalisiert, ein großer Teil der Ordinationen und Krankenanstalten arbeitet voll oder zum Großteil digital. Wo wir besser werden müssen, ist die Vernetzung, das ist aber eine Steuerungsaufgabe.
Bulant-Wodak: Aufholbedarf gibt es außerdem im Bereich Datennutzung. Hier müssen wir besser kommunizieren und aufklären. Datenschutz ist oberste Priorität, aber in den skandinavischen Ländern zum Beispiel ist der Zugang zu Daten ein anderer, dort ist das Vertrauen groß. Da haben wir hier noch viel zu tun. Und auch die Kosten spielen mit. Technisch sind wir bereit, aber es braucht die gesetzliche Grundlage sowie das Commitment aller Stakeholder, also der Länder, der Sozialversicherung, der Standesvertretungen.