Gesundheitsbranche legt Reformideen vor
© Julia Dragosits
Innovatoren Harald Katzmair (FAS Research), Gabriele Eichhorn (hospitals), Joachim Bogner (Siemens Health­care Diagnostic), Michael Heinisch (Vinzenz Gruppe), Erich Kruschitz (Mavie Next, v.l.).
HEALTH ECONOMY Redaktion 23.02.2024

Gesundheitsbranche legt Reformideen vor

50 Stakeholder aus Gesundheitswirtschaft, Medizin, Politik und Wissenschaft haben neue Konzepte präsentiert.

••• Von Evelyn Holley-Spiess

Ein jährlicher PISA-Test für Schülerinnen und Schüler sowie Erwachsene zur Gesundheitskompetenz; eine Umfrage unter den Stakeholdern des Gesundheitswesens, was diese jeweils voneinander halten; eine jährliche Erhebung wie viele Menschen hierzulande einen unerfüllten Behandlungsbedarf haben; ein Schub beim Ausbau der Digitalisierung und bei der Nutzung von KI – all diese Vorschläge sind nur ein kurzer Auszug aus einer langen Liste von Ideen, die ein Pool von Experten im Zuge einer aktuellen Studie zum heimischen Gesundheitssystem erarbeitet hat.

9.200 Datenpunkte

Konkret hat das Forschungsinstitut FAS Research einmal mehr die Schwächen analysiert und darauf aufbauend zwölf Erfolgsfaktoren definiert, wie das Gesundheitssystem zukunftsfit gemacht werden könnte. Die Inputs dazu kamen von Vertretern von insgesamt 50 Stakeholdern aus Politik, Medizin, Wissenschaft, Leistungserbringern sowie Patienten. Mit an Bord waren auch die Vinzenz Gruppe, Siemens Healthcare Diagnostics, die hospitals Projektentwicklungsgesellschaft, die mehrheitlich zu Porr zählt sowie Mavie Next, eine Tochter der Uniqa. Letztgenannte Unternehmen präsentierten kürzlich die Ergebnisse der FAS-Research-Studie der Öffentlichkeit. Über 9.200 Datenpunkte wurden in einem innovativen, kollaborativen und KI-gestützten Prozess analysiert, um zwölf zentrale Erfolgsfaktoren für ein effizientes, resilientes und patientenzentriertes Gesundheitssystem zu identifizieren.

Geld allein reicht nicht

Einhelliger Tenor war dabei, dass Geld allein die Herausforderungen der Zukunft nicht lösen wird. „Die 50 Milliarden Euro, die jetzt ins System gehen, sollten eigentlich reichen”, formuliert es Gabriele Eichhorn, Leiterin der Projektentwicklung bei hospitals. Generell müsse man weg von emotional definierten hin zu messbaren Zielen. Eine Ansicht, die Erich Kruschitz, CEO von Mavie Next, mit einem Beispiel unterstreicht: „Von den 50 Milliarden Euro gehen nur zwei bis drei Prozent in Prävention.” Der Löwenanteil werde nach wie vor für Reparaturmedizin ausgegeben. Es brauche nicht weniger als einen Paradigmenwechsel in der Versorgung. Das Gesundheitssystem der Zukunft sollte sich an den Phasen des Lebens- und Krankheitszyklus der Menschen orientieren, empfiehlt die Expertenrunde.

Mängel und Erfolgsfaktoren

„Die Patienten- und Patientinnenreise muss im Fokus sein”, ergänzt Harald Katzmair, Studienautor und Direktor von FAS Research. Rundherum brauche es Daten und Vernetzung sowie vor allem die Messung der Ergebnisse, damit die finanziellen Mittel besser eingesetzt werden. Kruschitz pocht in diesem Zusammenhang vor allem auf den Ausbau der Digitalisierung: „Die Entwicklung einer personalisierten und digitalisierten Gesundheitsversorgung ist für die Zukunft unumgänglich.” Österreich müsse etwa punkto Telemedizin international aufholen. Zudem sei es notwendig, die technische Interoperabilität von Daten und KI, einschließlich der Standardisierung von Behandlungspfaden, sicherzustellen.

Diese Einschätzungen spiegeln sich auch in dem Befund wider, den die aktuelle Studie unter Einbeziehung aller Teilnehmer erhoben hat: „Vernetzung und Vertrauen”, „Prävention und Gesundheitskompetenz” sowie „KI und Gesundheitsreise” sehen die Fachleute hierzulande am schlechtesten ausgeprägt.

Alle sitzen in einem Boot

Nach Ansicht von Michael Heinisch, Geschäftsführer des Krankenhausträgers der Vinzenz Gruppe, hapert es vor allem bei der Bildung. „Gebildete Menschen suchen auch nach Prävention”, erklärt Heinisch. Damit würde sich ein Kreis schließen: Die Vorsorge, bei der Österreich nach wie vor hinterherhinkt, könnte an Stellenwert gewinnen, womit sich auch die Ausgabenstruktur ändern würde. Ein Gebot der Stunde sei vor diesem Hintergrund, dass all jene Menschen, die sich im Gesundheitssystem schwer zurechtfinden, passende Hilfestellungen erhalten. Laut Heinisch ist immerhin ein Drittel der Bevölkerung betroffen.

Das „Wertvolle” an der Studie sieht Heinisch im gesamtheitlichen Ansatz und Zugang. „Es gibt keine Einzelforderungen, um einzelne Strukturen zu verbessern.” Man sei auch nicht angetreten, um Partikularinteressen der Stakeholder zu ventilieren, ergänzt Studienautor Katzmair. „Was aktuell fehlt, ist ein nationaler Gesundheitsplan. Es fehlt nach wie vor die Wahrnehmung, dass wir alle im selben Boot sitzen.” Diesen Impact wünschen sich die Experten von dem nun vorliegenden Werk. Die Studie soll durch politisches Lobbying die Entscheidungsträger erreichen – in der Hoffnung, dass sie nicht zu einem weiteren Papiertiger wird.

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