Spitalsinfektionen sind für Medizin Herausforderung
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HEALTH ECONOMY Martin Rümmele 21.09.2018

Spitalsinfektionen sind für Medizin Herausforderung

2.400 Menschen sterben pro Jahr nach Infektionen im Spital. Risikomanager können helfen, sagen Experten.

••• Von Martin Rümmele

Im Krankenhaus erworbene, sogenannte nosokomiale Infektionen gelten als eine der größten Gesundheitsgefahren der heu­tigen Zeit. Immer öfter warnen Experten vor den Folgen. Zu den bakteriell bedingten Infektionen kommen noch durch Viren verursachte Erkrankungen – vor allem durch Noro-, Rota-, und Influenza-Viren – dazu. Laut einem aktuellen Bericht über Gesundheitssystem-assoziierte Infektionen in Österreich erwerben 5,3% der Patienten eine Infektion, die durch den Spitalsaufenthalt bedingt ist. In absoluten Zahlen sind das rund 140.000 Fälle pro Jahr. Davon sterben in Österreich laut Schätzungen es Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten rund 2.400 Personen – etwa 5% der Todesfälle sind auf multiresistente Erreger zurückzuführen. Bedingt durch unterschiedliche Risikofaktoren der Patienten, wie hohes Lebensalter, chronische Grundkrankheiten oder Übergewicht, gelten davon bis zu 70% als nicht vermeidbar.

Gewaltiger Hebel

Die Folgen: längere Spitalsaufenthalte, größeres Leid bei den Patienten, vermeidbare Todesfälle und nicht zuletzt höhere Kosten für das Gesundheitswesen und damit die Gesellschaft. Wie hoch diese genau sind, lässt sich schwer sagen. Die Arten von Spitalsinfektionen unterscheiden sich in Schwere, Dauer, Möglichkeiten der Behandlung und den Kosten, die sie verursachen, sagt Leo Karner, zertifizierter Risikomanager und Hygienefachkraft des Universitätsklinikums Krems. In Österreich stehen Erkrankungen der unteren Atemwege mit einem Anteil von 23% an der Spitze der Infektionsarten, gefolgt von Harnwegsinfektionen (22%), postoperativen Wundinfektionen (15%) und Sepsis/Blutstrominfektionen (6,6%).

Dabei ist die Lösung recht einfach: „Von den rund 30 Prozent im Krankenhaus erworbenen, aber vermeidbaren Infektionen sind etwa ein Drittel allein durch eine korrekt durchgeführte Hände-Desinfektion zu verhindern”, mahnt Karner. Um diesen Hebel zu nutzen, hat die WHO weltweit die Kampagne „Clean care is safer care” ins Leben gerufen.

Risiko managen

Galt das Thema lange Zeit als Bereich des Qualitätsmanagements in Kliniken, so zeigt sich zunehmend, dass auch das klinische Risikomanagement und die damit in Zusammenhang stehenden rechtlichen Aspekte immer wichtiger werden, sagt Karner im medianet-Interview. Nicht zuletzt weil auch die Sterblichkeit aufgrund von Infektionen je nach Art sehr hoch sein kann. Im Fall einer Sepsis liegt sie bei bis zu 40%. Nicht zuletzt deshalb ist Hygienemanagement als Stabsstelle in der Krankenhausleitung angesiedelt.

Hygienefachkräfte haben eine Sonderausbildung und etwa die Honorierung einer Pflegekraft in der Intensivmedizin, erzählt der Experte. Er wünscht sich eine weitere Aufwertung des Berufsbilds der Hygienefachkraft, um mehr Fachkräfte für die entsprechende Ausbildung gewinnen zu können.

Bewusstsein schaffen

Denn nur mit der Händehygiene allein ist es nicht getan. Es braucht vielmehr auch die entsprechenden Prozesse und dafür fehlen oft nach wie vor die Zeit oder das Bewusstsein bei den Beschäftigten. Zu den Prozess­indikatoren gehören etwa das Vorliegen von lokalen Richtlinien, Standardprotokollen oder Arbeitsanleitungen, Checklisten, Surveillance, praktisches Training, Audits und Feedback durch externe Auditoren. Während Österreich bei der Zahl der Infektionen im europäischen Mittelfeld liegt, ist die Umsetzung in Form von Trainings und Checklisten jedoch nicht gut ausgeprägt.

Wie wichtig das ist, zeigen neue Untersuchungen, die belegen, dass das Personal in Gesundheitsberufen im Schnitt alle vier Sekunden eine Fläche in der Patientenumgebung oder den Patienten selbst berühren, also viel öfter als bislang angenommen, sagt der deutsche Desinfektions- und Risikoexperte Roland Knieler. Deshalb sei es wichtig, dass Desinfektionsmittel möglichst in der Nähe der Patienten verfügbar sind und auch bei den Patienten selbst das Bewusstsein steige. Für die adäquate Benutzung von Händedesinfektionsmitteln in den Momenten, in denen sie nötig sind, sei es zudem wichtig, dass Pfleger und Ärzte die Produkte gern benutzen, sie akzeptieren. In den vergangenen 20 Jahren haben sich hier einige Veränderungen ergeben. Neben dem verstärkten Fokus auf die Hautverträglichkeit der Mittel sind im Gegenzug bestimmte Inhaltsstoffe sukzessive aus den Produkten verschwunden wie Farbstoffe, Parfums und neuerdings auch antimikrobiell remanent wirksame Wirkstoffe, die Nebenwirkungen für das Personal haben können.

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