Was Gentech kann
© Alexandra Terr
Der Genetiker Markus Hengstschläger erwartet, wie auch viele Beobachter, in der Gentherapie medizinische Durchbrüche.
HEALTH ECONOMY Redaktion 14.04.2023

Was Gentech kann

Medizinische Gentechnologie gilt als Zukunftsweg. Das zeigt sich auch im Vorfeld des Welttages der Hämophilie.

••• Von Martin Rümmele

WIEN/AMSTERDAM. Hämophilie B ist eine lebensbedrohliche Seltene Krankheit. Menschen mit dieser Krankheit sind besonders anfällig für Blutungen in Gelenken, Muskeln und inneren Organen. Zumindest einmal im Jahr, am 17. April, rückt die Erkrankung etwas in die Öffentlichkeit – zum Welttag der Hämophilie. In Österreich sind 752 Personen von Hämophilie betroffen, davon 623 mit Hämophilie A und 129 mit Hämophilie B.

Menschen, die mit Hämophilie B leben, benötigen derzeit eine lebenslange Behandlung mit intra­venösen Infusionen von Faktor IX, um einen ausreichenden Spiegel aufrechtzuerhalten, was erhebliche Auswirkungen auf ihre Lebensqualität und ihr Wohlbefinden haben kann – bisher. Denn jetzt hat das Biotechnologieunternehmen CSL die bedingte Marktzulassung der EU-Kommission für eine neue Gentherapie erhalten. Basis ist eine neue Therapieart, die nach Ansicht von Experten die Gesundheitsversorgung in den kommenden Jahren auf den Kopf stellen könnte und die letztlich auf den Errungenschaften der Gensequenzierung beruht. Im Fall von Hämophilie B wird über einen Vektor – quasi eine Virushülle – ein funktionelles Gen verabreicht, das als Bauplan für den Gerinnungsfaktor IX, ein für die Blutgerinnung wichtiges Protein, dient. Ab dann kann sich der Körper quasi wieder selbst helfen und produziert, was vorher gefehlt hat. Das Problem: solche Einmaltherapien sind teuer und sie wecken wie zuletzt auch mRNA-Impfstoffe Sorge und Ablehnung bei Skeptikern.

Neue Therapiechancen

„Die somatische Gentherapie, die nur ein bestimmtes Gewebe oder Organ eines Patienten betrifft und nicht an die nächste Generation weitergegeben wird, ist medizinisch wie ethisch zu befürworten. Für viele der Tausenden monogenetischen Erkrankungen, und für multifaktorielle Erkrankungen bieten sich dadurch neue Therapiechancen”, erklärt Genetiker Markus Hengstschläger. Abzulehnen wäre eine Keimbahntherapie, die einen Menschen in seiner Gesamtheit betrifft und an die nächste Generation weitervererbt werden würde. „Das ist aus heutiger Sicht medizinisch und ethisch aus verschiedenen Gründen abzulehnen. Sie ist in Österreich aber auch verboten.” Im Bereich der somatischen Gentherapie glaube er aber, „dass wir hier zu Recht in den nächsten Jahrzehnten viele Innovationen erwarten dürfen.”

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