Digital Manufacturing wird zur Chefsache
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udolf Melzer, Bernd Bugelnig, Ulrike Rabmer-Koller, Martin Zehnder und Christian Knill (v.l.)
INDUSTRIAL TECHNOLOGY Redaktion 30.10.2019

Digital Manufacturing wird zur Chefsache

LENGAU. Wohin geht die „Digital Transformation Journey“ in der Industrie? Was braucht es in der Praxis, um digitale Geschäftsmodelle und digitale Services erfolgreich implementieren und umsetzen zu können?

Auf Einladung von Palfinger und Capgemini Österreich tauschten sich unlängst Eigentümer, Vorstände und Geschäftsführer wichtiger (Industrie-)Unternehmen wie Mondi, Rosenbauer, Hagleitner, Banner Batterien, Quehenberger oder Rabmer bei der Veranstaltung „Chefsache Digital Manufacturing“ in der Palfinger World in Lengau (Oberösterreich) in informellem Rahmen aus.

Masterplan vonnöten
„Die digitale Transformation hilft uns, näher beim Kunden zu sein und in Lösungen zu denken“, betonte Martin Zehnder, COO der Palfinger AG. „Die Herausforderung für Unternehmen ist es, die Digitalisierung holistisch zu sehen, umzusetzen und in allen Bereichen zu integrieren. Es braucht also einen Masterplan. Außerdem müssen wir uns von dem Gedanken verabschieden, in allen Bereichen vorne sein zu müssen. Kooperationen mit den richtigen Partnern sind eine Bereicherung für alle beteiligten Unternehmen.“

Bei Palfinger habe man deshalb auch ein Start-up gegründet – Palfinger 21st im weXelerate Tower in der Bundeshauptstadt –, um Digitalisierungsthemen schneller umsetzen zu können. „Wir brauchen die Kultur von Start-ups, um Dinge ausprobieren zu können, ohne langwierige Prozesse durchlaufen zu müssen, und mit externen Partnern zusammenzuarbeiten. Dank Palfinger 21st gelingt es uns, Prozesse zu digitalisieren und zu verfeinern.“

Den Überblick bewahren
Und genau darin liegt die Kunst, so der zweite Keynote-Speaker des Tages, Pascal Brosset, CTO der Digital Manufacturing-Einheit bei Capgemini: „Viele Unternehmen haben mittlerweile digitale Use Cases in ihren Betrieben pilotiert. Eine datenbasierte Managementkultur zu implementieren, ist nicht einfach. Denn einerseits sehen die CEOs die Notwendigkeit der Digitalisierung, um Prozesse zu beschleunigen und wettbewerbsfähig zu bleiben, und andererseits ist die Fülle an Ideen und Konzepten für sie unüberschaubar und erschweren schlussendlich die Investitionsentscheidung.“

Diese Aussage unterstrich Zehnder aus Unternehmenssicht: „Durch die Digitalisierung ergeben sich plötzlich viele Möglichkeiten, Services zu verkaufen. Hier ist unternehmerisches Denken gefragt, um die richtige Entscheidung zu treffen. Wir haben nichts Neues erfunden, wir haben ,nur’ die richtigen Leute zusammengebracht und daraus neue Geschäftsmodelle entwickelt.“ So ist zum Beispiel das Bridge Maintenance- System von Palfinger entstanden. Durch den kombinierten Einsatz von Drohnen, multispektraler Sensorik, Künstlicher Intelligenz und dreidimensionaler Datenverarbeitung kann die Überprüfung des Zustands einer Brücke in wesentlich kürzerer Zeit erfolgen als bisher.

Dafür wird ein digitaler Zwilling der Brücke erstellt, um Veränderungen und Schadenstellen leichter überprüfen zu können. „Unsere Kunden bekommen beim Kauf auch einen digitalen Zwilling des Produkts“, erklärt Zehnder die Vorteile der neuen Technologien. „Das heißt, sie können schon vorab durch die VR-Brille auf der Plattformstehen und den Kran bedienen. Es können die einzelnen Bauteile angesehen und herausgenommen werden. So kann der Kunde das Produkt besser begreifen und die Einschulung wird leichter.“

Start small, aim high, scale fast
In diesem Zusammenhang betonte Brosset den unverändert relevanten Stellenwert eines guten Produkts: „Es stimmt, dass durch die Digitalisierung weitere Geschäftsmodelle entstehen und die Versuchung groß ist, Services zu verkaufen. Aber damit das funktioniert, muss das Produkt gut sein. Ein schlechtes Produkt kann auch durch wirklich feine digitale Services allein nicht gut gemacht werden.“

Hier erkennt Brosset das größte Risiko von Digital Manufacturing: Dass sich die Unternehmen in den digitalen Services verlieren, sich nicht mehr auf das Produkt an sich konzentrieren und so das Leadership in ihrem Produktsegment verlieren.

Es sei eine Gratwanderung, durch mangelndes Wissen und fehlende Business Cases möglicherweise die falschen Prioritäten zu setzen und so langfristig nicht mehr wettbewerbsfähig produzieren zu können. Brosset: „Ich sehe vor allem zwei Fehler, die Unternehmen hier machen: Erstens der Glaube, alle neuen Technologien und Softwares implementieren zu müssen, und zweitens glauben Entscheidungsträger, sie müssten Basistechnologien wiedererfinden anstatt an den Applikationen zu arbeiten.“

Damit Manufacturing 4.0 funktionieren kann, sei die richtige, individuell passende Integration der Einzelkomponenten ein wesentlicher Bestandteil, so Brosset. „Integration heißt, auf der einen Seite die richtigen Technologien auszuwählen und auf der anderen Seite, diese sinnvoll miteinander zu kombinieren, um die bestmöglichen Synergiepotenziale auszuschöpfen.“

Digital Manufacturing Networking „live“
Beim Networking in der Palfinger World diskutierten Firmeneigentümer, Vorstände und Geschäftsführer konkrete Ansätze in verschiedenen Branchen. Mit dabei waren u.a. Christian Fürstaller, Eigentümer und CEO von Quehenberger, Ulrike Rabmer-Koller, Eigentümerin und CEO der Rabmer Gruppe sowie Vizepräsidentin der Wirtschaftskammer Österreich, Christian Knill, Eigentümer und CEO der Knill Energy Holding sowie Obmann des Fachverbands Metalltechnische Industrie in der WKO, Sigmar Mielacher, CFO der Prinzhorn-Tochter Hamburg Containerboard, Daniel Tomaschko, CTO der Rosenbauer AG, Matthias Unger, Geschäftsführer von Unger Stahlbau, Christian Ott, CIO von Banner Batterien, Günter Holleis, CEO der Linsinger Eisenbahntechnik, Eric-Jan Kaak, CIO von EMCO-Test, Hagleitner-Geschäftsführer Ernst Brunner, Mondi-CIO Rainer Steffl, Claus Hofmann, General Manager der Bossard-Tochter Effilio, sowie der Vorstandsvorsitzende von Capgemini in Österreich, Bernd Bugelnig und der Geschäftsführer von Fraunhofer in Österreich, Wilfried Sihn. (pj)

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