••• Von Helga Krémer
WIEN. Man kann den Kopf in den Sand stecken oder – frei nach Lothar Matthäus – den Sand in den Kopf. Es nützt aber nix. Pandemie, Sanktionen, Störungen in den Lieferketten: Die Welt ist anders als noch vor zwei Jahren. Die Pandemie verursachte Veränderungen auf dem Arbeitsmarkt und Störungen in den globalen Lieferketten.
Das aktuell unbeständige geopolitische Umfeld verschärft Versorgungsengpässe, zieht Sanktionen nach sich, lässt Rohstoffkosten steigen und erhöht Cyber-Risiken. Parallel dazu fordern Kunden, Investoren und andere Stakeholder vermehrt die Verankerung von ESG-Themen innerhalb des Betriebs. Jedes dieser Risiken kann weitreichende Auswirkungen auf das gesamte Unternehmen haben.
Konsistenz, Tempo & Geld
Die aktuellen Ereignisse verändern die weltweite Wirtschaft und somit auch das Risikoumfeld der Unternehmen. Damit im Fall der Fälle proaktiv, schnell und flexibel reagiert werden könne, müsse das Risikomanagement hoch priorisiert werden, so die neue Global Risk Survey 2022 von PwC Österreich, bei der weltweit über 3.000 Führungskräfte im Bereich Risk, Wirtschaftsprüfung und Compliance befragt wurden.
79% der Befragten empfinden es als große Herausforderung, insbesondere dem Tempo der digitalen Veränderungen nachzukommen. Mehr als zwei Drittel der teilnehmenden Führungskräfte sind dabei, ihre Budgets für Risikomanagement-Technologie zu erhöhen – vorwiegend in den Bereichen Data Analytics, Prozessautomatisation sowie Risiko-Überwachung und -Erkennung. Eine weitere Problematik ist die fehlende Konsistenz: 75% der Teilnehmenden geben an, dass ihr Risikomanagement nicht unternehmensweit einheitlich ist. Die verschiedenen Prozesse und Systeme verlangsamen die Reaktion weiter und stellen selbst ein erhebliches Risiko dar.
Wen was bekümmert
Am meisten Sorge bereite den Teilnehmenden über alle Branchen hinweg gesehen die aktuelle Marktentwicklung, die Bedenken unterscheiden sich jedoch je nach Bereich: Für den öffentlichen Sektor, Tech-Unternehmen und das Gesundheitswesen stellen beispielsweise digitale Risiken wie Cyberkriminalität oder Falschinformationen die größten Gefahren dar. Die Energiebranche sorgt sich primär um die geopolitische Lage, der Finanzsektor ebenfalls um die Marktlage und die industrielle Fertigung um das strategische und operative Geschäftsmodell.
Key Risk Indicators
Im Zentrum des proaktiven Risikomanagements stehe eine fundierte Vorbereitung inklusive Risikoanalyse und -modellen. Doch weniger als 40% der Teilnehmenden nutzen die Vorteile, die sich durch die frühe Einbindung von Risikospezialisten ergeben.
Die Studienergebnisse würden jedoch belegen, dass die Messung von Risiko-Parametern vorteilhaft sei: „Analog der Nutzung von KPIs – Key Performance Indicators – können KRIs – Key Risk Indicators – helfen, Chancen und Risiken frühzeitig zu entdecken. Für Ransomware-Risiken wäre zum Beispiel die Anzahl der empfangenen Phishing-E-Mails ein KRI”, erklärt Christoph Obermair, Partner bei PwC Österreich.
Auch ein adäquates Maß an Risikobereitschaft könne zum Wachstum verhelfen. Die befragten Unternehmen mit dem besten Risikomanagement haben fast doppelt so hohe Chancen, ihr Umsatzwachstum um mindestens elf Prozent zu steigern. Folglich investiert gerade mehr als die Hälfte der Umfrageteilnehmenden in eine strategische Neuausrichtung des Risikomanagements – allerdings können erst 22% daraus Vorteile ziehen.
„Das Risikomanagement war lange Zeit ein Stiefkind in vielen Unternehmen, doch die Unsicherheiten der vergangenen Jahre haben gezeigt, wie wichtig es ist, relevante operative Steuerungsgrößen im Blick zu haben”, ergänzt Obermair. Das Risikomanagement von Unternehmen müsse rasch angepasst werden, um die Agilität zu bewahren und robuste sowie aktuelle Erkenntnisse über die Risikolandschaft zu gewinnen. Denn nur unter Berücksichtigung aller Risikoaspekte können Führungskräfte in einer volatilen Welt souverän Entscheidungen treffen.
Über die Studie
Die Global Risk Survey 2022 ist eine Umfrage unter 3.584 Führungskräften aus den Bereichen Wirtschaft, Risiko, Audit und Compliance, die vom 4. Februar bis 31. März 2022 durchgeführt wurde. 49% der Befragten sind Führungskräfte aus der Wirtschaft, der Rest verteilt sich auf Führungskräfte aus den Bereichen Audit (16%), Risikomanagement (24%) und Compliance (11%).