Automatisierungs-Trend Seit dem Jahr 2000 sind die jährlichen Absatzzahlen von Industrierobotern deutlich gestiegen, und auch für die Zukunft ist mit einer stark steigenden Nachfrage zu rechnen.
Wien. Bis zum Jahr 2000 war die Welt der Industrie relativ gut überschaubar und weitgehend in Ordnung. Zwischen 1980 und 2000 wuchs die Industrieproduktion in Europa, den USA und Japan kontinuierlich. Die Krise Anfang der 90er-Jahre war ebenso wie die 10 Jahre davor von kurzer Dauer und nach spätestens zwei Jahren wieder überwunden. Eine Ausnahme war allerdings Japan, wo man gut 10 Jahre brauchte, um die Rückschläge wieder wettzumachen. Aus heutiger Sicht könnte man das als Vorgeschmack auf das sehen, was danach kam.
Denn in den letzten 15 Jahren kann von Kontinuität und rascher Erholung keine Rede mehr sein.
Boom der Automatisierung
Eine Branche, für die es in den letzten 15 Jahren aber gut lief, sind die Roboterhersteller. Das zeigt sich an der Statistik der Roboterverkäufe seit dem Jahr 2000. Damals lag der weltweite Absatz bei knapp 100.000 Stück. Im Vorjahr wurden laut den Aufzeichnungen der International Federation of Robotics und dem VDMA rund 225.000 Stück verkauft.
Das entspricht einem Plus von 27% gegenüber dem bereits starken Jahr 2013.
In Europa waren die Zuwächse mit 4% vergleichsweise moderat, in Nordamerika aber mit 8% schon beträchtlich. In Asien nahm die Installation von Robotern um 42% zu, getrieben vor allem durch China.
„China begnügt sich nicht damit, Roboter einzusetzen. Klare Strategie der chinesischen Regierung ist es, selbst ein starkes und innovatives Roboterland zu werden”, so Hans-Dieter Baumtrog, Vorsitzender des Vorstands von VDMA Robotik + Automation.
Das weltweit steigende Interesse an der Robotik zeigt sich auch an der Rekordbeteiligung für die Branchenleitmesse Automatica, die im Juni nächsten Jahres in München stattfinden wird; schon heute sind 91% der Ausstellungsfläche gebucht.
„Unsere Umsatzprognose für heuer lautet plus fünf Prozent. Die Aussichten stehen also gut, dass wir bis zum Jahresende die Marke von zwölf Milliarden Euro Branchenumsatz erreichen”, so Baumtrog weiter.
Laut einer Ende des Vorjahrs veröffentlichten Trendanalyse der Boston Consulting Group ist für heuer sogar mit einem Umsatz von 13,6 Mrd. € zu rechnen und dieser solle sich bis 2025 auf fast 61 Mrd. € mehr als vervierfachen.
Gründe für die stark steigende Nachfrage sind die wachsende Modellvielfalt, die immer größere Bandbreite an Aufgaben, die Roboter erledigen können, und die sinkenden Anschaffungskosten, die Automatisierung auch für kleinere Unternehmen sowie für den privaten Bereich leistbar machen.
Roboter vs. Mensch?
Doch die zunehmende Automatisierung stößt auch auf Kritik. Und auf den ersten Blick scheinen die Ängste vor einer „Machtübernahme der Roboter” doch begründet und wurden etwa diesen April wieder durch eine Studie der Bank ING-DiBa wieder heftig angefacht. Der Studie zufolge werden durch die fortschreitende Automatisierung über kurz oder lang 59% der untersuchten Arbeitsplätze (in Summe immerhin 18 Mio.) in Deutschland bedroht.
„Aus unserer Sicht ist das in keiner Weise belegbar”, sagt Patrick Schwarzkopf, Geschäftsführer VDMA Robotik + Automation. Das Bundesarbeitsministerium habe das Automatisierungspotenzial überprüft und dabei festgestellt, Heraus kam, dass nur etwa 12% aller Arbeitsplätze ein Profil mit hoher Automatisierungswahrscheinlichkeit haben.
Entwarnung kommt auch von der im Februar 2015 erschienenen Studie „Robots at Work”, in der Georg Graetz von der Universität Uppsala und Guy Michaels von der London School of Economics die Auswirkungen von zunehmender Automation auf die wirtschaftliche Entwicklung von 17 Ländern untersuchten. Im Schnitt gingen gut 10% der Steigerung des Bruttoinlandsprodukts und 15% der Produktivitätsgewinne auf den vermehrten Robotereinsatz zurück. Dagegen stellten die Experten keinen Rückgang der Beschäftigung fest, wohl aber einen Anstieg der Löhne.
Neue Jobs entstehen
„Das lässt den Schluss zu, dass der technische Fortschritt menschliche Arbeit aufgewertet hat”, meint Schwarzkopf.
Schon 2013 hatte der internationale Roboterverband IFR in seiner Studie „Positive Impact of Robots on Employment” herausgefunden, dass pro eingesetztem Roboter drei bis fünf neue Arbeitsplätze im verarbeitenden Gewerbe geschaffen werden.
Beispiel dafür ist Deutschland: Der Roboterbestand wuchs zwischen 2010 und 2014 um fast 20% auf 176.000 Einheiten; die Zahl der Beschäftigten nahm in dieser Zeit um 1,6 Mio. auf 42,58 Mio. zu. Allein im Maschinenbau sind in den letzten fünf Jahren 100.000 neue Arbeitsplätze entstanden. Aktuell sind hier 1.008.000 Menschen beschäftigt.
Auch die Roboterhersteller stocken ihre Belegschaft auf – im Vorjahr um 3% auf beinahe 52.000. Und dieser Trend wird angesichts der vollen Auftragsbücher in den nächsten Jahren anhalten.
Was bringt die Zukunft?
Mit den Auswirkungen, die Automatisierung und Industrie 4.0 auf die Arbeitswelt und die Gesellschaft haben (werden), befasst sich das Buch „Digitalisierung industrieller Arbeit”, erschienen in der Edition Sigma. Angesichts der Brisanz des Themas eine durchaus empfehlenswerte Urlaubslektüre.
Namhafte Experten aus den Sozial- und den Ingenieurwissenschaften geben darin eine erste fundierte Einschätzung über die möglichen Konsequenzen von Industrie 4.0 für Industriearbeit. Die Beiträge behandeln Anwendungsfelder und Einsatzbereiche digitaler Technologien, Alternativen der Arbeitsgestaltung und gesellschaftliche Entwicklungsperspektiven. Ihr gemeinsamer Ausgangspunkt ist eine ganzheitliche Sicht auf die neuen Technologien, die sich auf das sozio-technische Gesamtsystem der Produktion im Kontext gesellschaftlicher Bedingungen richtet.