Service wird für Industrie zum starken Umsatzbringer
© Bilfinger/Ruppografie – Nadine Rupp
INDUSTRIAL TECHNOLOGY 28.08.2015

Service wird für Industrie zum starken Umsatzbringer

Der Dienstleistungsbereich wächst 40 Prozent schneller als das ­Neugeschäft und bringt bereits gut ein Viertel der Bruttogewinne.

••• Von Britta Biron

WIEN. In den vergangenen Jahren war es für Industrieunternehmen in Europa angesichts der wirtschaftlichen Situation schwierig, ein Wachstum zu erzielen. Bis auf wenige Ausnahmen ist die Investitionsrate in Neuanlagen sehr niedrig. Hinzu kommt der steigende Wettbewerb vor allem mit asiatischen Unternehmen, auch im Heimatmarkt.

Einige der erfolgreichsten Industriegüterproduzenten haben das Dilemma erkannt und ihr Dienstleistungsangebot ausgebaut – mit Erfolg: Wie die Bain-Untersuchung zeigt, konnten sie dadurch ihr Gesamtergebnis spürbar steigern. Der Umsatz im Servicegeschäft wuchs zwischen 2010 und 2013 um durchschnittlich neun Prozent pro Jahr. Im Vergleich dazu entwickelte sich der Verkauf von Neuprodukten mit einem Umsatzplus von fünf Prozent deutlich langsamer. Firmen mit hohem Serviceanteil erreichen auch eine überdurchschnittliche Marge für das Gesamtunternehmen.

Vorurteile widerlegt

„Für viele Industrieunternehmen ist der Service im aktuellen Markt­umfeld die einzige Chance, Umsatz und Gewinn zu steigern”, erklärt Pascal Roth, Partner bei Bain & Company und Autor der Studie. „Außerdem stärken sie damit das Vertrauen und die Bindung ihrer Kunden.”

Gerade in einem Markt, in dem die Produkte zunehmend austauschbar werden, können sich Unternehmen durch ein gutes Serviceangebot einen entscheidenden Vorteil gegenüber der Konkurrenz verschaffen.
Davon aber sind die meisten Industrieunternehmen noch weit entfernt: Im Maschinen- und Anlagenbau etwa machen Dienstleistungen gegenwärtig nur 25% des Gesamtumsatzes aus, obwohl die Marge in diesem Bereich mit 42% sehr hoch ist.
„Der Service hat einfach noch nicht die Bedeutung, die er verdient”, bemängelt Bain-Experte Roth. Der Grund dafür sind Vorurteile, die sich hartnäckig in den Köpfen der Entscheider halten, die in der aktuellen Bain-Studie „Winning in Industrial Services”, für die 45 europäische Industrieunternehmen einem detaillierten Benchmarking unterzogen wurden, allerdings klar widerlegt werden konnten.

Neue Wege

Einer der Trugschlüsse ist, dass das Service nur wächst, wenn auch das Neugeschäft mit Maschinen und Anlagen steigt. Tatsächlich aber entwickelt sich bei vielen Unternehmen das Servicegeschäft überproportional und abgekoppelt vom Neugeschäft. Ausschlaggebend ist, dass sie ihre installierte Basis sukzessive ausschöpfen und neue Serviceprodukte entwickeln, die wiederum unabhängig von der installierten Basis sind.

Ein weiteres Vorurteil ist, dass ein schnell wachsendes Service­geschäft irgendwann eine Sättigung erreicht. Die Realität: Die fünf Unternehmen mit dem höchsten Anteil an Serviceleistungen im Bain-Benchmarking sind im Betrachtungszeitraum weiterhin überdurchschnittlich gewachsen; ursächlich dafür sind in erster Linie gewonnene Neukunden und Serviceangebote für Dritte.
Auch die Annahme, dass geringe Margen bei Instandhaltung und Reparaturen die Gesamtmarge im Service reduzieren, stimmt nicht. Denn wie die Untersuchung zeigt, erzielen Unternehmen mit starkem Service selbst bei Instandhaltungs- und Reparaturarbeiten eine durchschnittliche Bruttomarge von 37% . Entscheidend ist die richtige Kombination aus Serviceangebot, Zielgruppenanalyse und effizienter, standardisierter Leistungs­erbringung.

Themenvielfalt

Weiters gibt es auch keinen nachweisbaren Wachstumsunterschied zwischen eigenständigen Serviceorganisationen und Service, der im Neugeschäft integriert ist. Beide Varianten haben Vorteile. Durch die Einbindung in das Unternehmen werden unter anderem Cross-Selling-Potenziale gestärkt. Das Betreiben als eigenständige Organisation wiederum erhöht die Geschäftsverantwortung und fördert die gezielte Ausrichtung auf den Service.

Auch regionsspezifische Unterschiede – etwa, dass der Aufbau des Servicegeschäfts in Asien besonders schwierig ist – konnten in der Untersuchung nicht festgestellt werden. „Service ist der letzte verbliebene Wachstumsmotor für Industrieunternehmen”, betont Roth. „Deshalb wird es Zeit, die bestehenden Vorurteile zu überwinden und dem Service die Aufmerksamkeit zu schenken, die er verdient.” Tatsächlich wird die Bedeutung der Servicesparte für den Unternehmenserfolg weiter zunehmen. Bis zum Jahr 2020, so hat die Bain-Studie ermittelt, wird sich der Umsatz, den Industrieunternehmen mit Serviceleistungen erzielen, nahezu verdoppeln.

Viele Erfolgsstrategien

Zwar gibt es keine allgemein anwendbaren Rezepte, aber die Studie, die unter http://www.bain.de/publikationen/articles/service-benchmarking.aspx kostenfrei abrufbar ist, geht auch auf die verschienen Konzepte der im Servicegeschäft besonders erfolgreichen Unternehmen ein.

So hat ein Anlagenbauer etwa in Deutschland, den USA, Japan und Hongkong eigene Lostikzentren eingerichtet, in denen der Großteil der Ersatzteile ständig lagernd ist und so die Lieferzeiten deutlich reduziert werden konnten. Ein anderer bietet seinen Kunden ein umfassendes Energiespar-Programm.
Ein Maschinenbauer bietet für die Reparatur von Schlüsselbauteilen vier Optionen an: vom Standardprogramm, bei dem die Reparatur innerhalb von sechs Wochen erfolgt, bis zum Premium-Programm, wo die Arbeiten innerhalb eines Tages erledigt werden. (red)

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