Wo bezahlen einfach „Hakuna Matata”* ist
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INDUSTRIAL TECHNOLOGY Redaktion 21.10.2022

Wo bezahlen einfach „Hakuna Matata”* ist

Wenn es um die elektronische Geldbörse geht, haben die Kenianer mit ihrem M-Pesa-System die Nase weit vorn.

••• Von Reinhard Krémer

Kenia ist eines der am höchsten und sich am schnellsten entwickelnden Länder in der Sub-Sahara-Zone. Das zeigt sich nicht nur an der Skyline der Hauptstadt Nairobi, sondern auch in zahlreichen Projekten wie Schnellstraßen, Geothermieprojekten oder der Eisenbahnlinie, die Nairobi mit Mombasa verbindet. Und nicht zuletzt auch an einem Mobile Payment-System, das im ganzen Land mit hoher Verfügbarkeit etabliert und beliebt ist.

Bezahlen mit Bargeld ist in Kenia so zu einem echten Auslaufmodell geworden, so gut wie jeder Kenianer – vom einfachen Straßenverkäufer bis zum Massai-Rinderhirten – hat sein elektronisches Geldbörsel in der Tasche und bezahlt über die M-Pesa-App.
Voraussetzung dafür ist ein Smartphone – egal ob An­droid oder iOS –, eine SIM-Karte von Safaricom und natürlich entsprechender Handyempfang, der im ganzen Land zumindest über 3G-Standard und in den Ballungszentren auch über 4G –hier mit Geschwindigkeiten bis zu 50 mbps – verfügbar ist.

Gratis WLAN stützt Käufer

Die meisten Lebensmittelketten, aber auch Hotels und manchmal sogar Tankstellen verfügen über gratis WLAN, um das Bezahlen mit M-Pesa – der Name steht für „mobiles Geld”; Geld heißt Pesa auf Suaheli – zu vereinfachen. M-Pesa ist ein von der kenianischen Mobilfunkfirma Safaricom in Kooperation mit dem Kommunikationsunternehmen Vodafone entwickeltes und Anfang 2007 in Kenia eingeführtes System für die Abwicklung von grundlegenden Funktionen des Geldtransfers und des bargeldlosen Zahlungsverkehrs über Mobiltelefone ohne die Notwendigkeit eines regulären Bankkontos. Das ist für Kenianer, die überwiegend über kein eigenes Bankkonto verfügen, von großem Vorteil. Auf der Finanzseite steht die KCB-Bankengruppe hinter M-Pesa.

Hohe Durchdringung

Die Story, dass M-Pesa von einem jungen Studenten entwickelt und von Safaricom gestohlen wurde, gehört zu einem der zahllosen Urban Myths, die in Kenia allgegenwärtig sind.

Das System macht mit inzwischen 28 Mio. Nutzern bei einer Bevölkerung von 51 Mio. Einwohnern nicht nur dem Bargeld, sondern auch den Kreditkarten und nicht zuletzt dem Sparbuch Konkurrenz, obwohl es auf Guthaben am Handy keine Zinsen gibt – es ist nicht nur die Sicherheit und einfache Verfügbarkeit, die M-Pesa auch dafür beliebt macht, sondern auch das geringe Einkommen.

Saftige Zinsen für Kredite

Auch kurzfristige Kredite können mit M-Pesa problemlos, aber zu saftigen Zinsen – bis zu 640% p.a. – aufgenommen werden. Das heißt dann „Fuliza” und bedeutet „ausleihen” auf Suaheli. So kann auch bezahlt werden, wenn nicht mehr genügend Guthaben vorhanden ist.

Der Zinssatz ist Kenianern völlig egal, oft kennen sie ihn nicht einmal – wichtig ist, dass die Rückzahlungsbeträge bezahlbar sind, weil sie so klein sind. Die Einzahlung auf das elektronische Guthaben erfolgt über so genannte M-Pesa Agents, die es im Lande an jeder Straßenecke gibt.
Ausländer können von der PayPal-Tochter Xoom ohne Nebenkosten, aber mit einem geringfügig schlechteren Wechselkurs direkt auf ihr M-Pesa-Konto mit registrierter SIM-Karte überweisen.

Bargeldbehebungen kosten

Auf dieser Basis können dann direkte bargeldlose Übertragungen vom eigenen M-Pesa-Guthaben an andere M-Pesa-Nutzer und Übertragungen von Geld an Personen ohne eigenes M-Pesa-Guthaben durch Abwicklung über einen der fast 25.000 M-Pesa Agents durchgeführt werden.

Das ist besonders für ärmere Bevölkerungsschichten, die über kein Smartphone verfügen, von Bedeutung: Der Überweiser gibt dem Empfänger den Code, mit dem dieser beim Agent Cash beheben kann. Für Barbehebungen wird eine Gebühr von 2,8% fällig; bei einem M-Pesa Agent kostet es zwischen 0,47% und 20% des Betrags.

Safaricom greift in die Vollen

Die Spesen für Transaktionen selbst liegen im Schnitt bei eineinhalb Prozent des überwiesenen Betrages.

Für alle Transaktionen, die an Handynutzer ohne M-Pesa erfolgen, kassiert Safaricom ebenfalls eine saftige Gebühr von bis zu 45% – kein Druckfehler. Dafür sind Überweisungen bis zu 100 Kenya-Shilling, die wohl den Hauptanteil aller Transaktionen im täglichen Leben ausmachen – umgerechnet ca. 80 Eurocent – komplett gebührenfrei.

Weltweite M-Pesa-Börseln

Der Export des Systems in andere Länder klappte bis dato recht gut: Seit Februar 2008 wird von Vodafone und der Mobilfunkfirma Roshan unter der Bezeichnung M-Paisa in Afghanistan ein vergleichbarer Dienst angeboten. M-Pesa ist darüber hinaus seit April 2008 in Tansania, seit 2010 auf Fidschi, seit 2012 in der Demokratischen Republik Kongo, seit 2013 in Indien, Mosambik, Lesotho sowie unter der Bezeichnung Vodafone Cash in Ägypten und seit Mai 2015 in Albanien verfügbar. In Südafrika war der Dienst seit 2010 verfügbar, wurde jedoch 2017 aufgrund niedriger Teilnehmerzahlen wieder eingestellt.

Auch in Rumänien holte man sich kalte Füße; das System war dort nur von 2014 bis 2017 verfügbar.


* Hakuna Matata bedeutet „Kein Problem” auf Suaheli.

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