Auf der ganzen Welt zu Hause
© Leif Carlsson
LUXURY BRANDS&RETAIL Wolfgang Schedelberger 30.11.2018

Auf der ganzen Welt zu Hause

An der Spitze des renommierten Champagner-Hauses Krug steht eine kluge Frau: Margareth Henriquez aus Venezuela.

Eisenstadt. Margareth „Maggy” Henriquez ist Präsidentin des Champagner-Hauses Krug und zusätzlich für die Entwicklung des imposanten Portfolios an Premiumweingütern der LVMH-Gruppe verantwortlich. Wir trafen sie im Schloss Esterházy, wo sie ein Tasting leitete, zum Interview.

medianet:
Frauen sind im Top-Management noch immer selten. Wie haben Sie es bis an die Spitze geschafft?
Margareth Henriquez: In Lateinamerika, wo ich aufgewachsen bin, gibt es trotz der vordergründigen Macho-Attitüde relativ viele Frauen in wirtschaftlichen Top-Positionen. Die Rolle als Ausländerin war für mich weder in Mexiko noch in Argentinien ein Problem – sehr wohl jedoch in Frankreich. Das hatte auch damit zu tun, dass ich anfangs nicht so gut Französisch konnte. Zudem wurde Krug als französische Ikone gesehen, die natürlich in französische Hände gehört. Als ausländische Frau war es anfangs doppelt schwer.

medianet:
Und doch haben Sie sich durchgesetzt, auch wenn es anfangs nicht gut gelaufen ist.
Henriquez: Das erste Jahr war eine Katastrophe, weil ich viele Fehler gemacht habe. Bis dahin bin ich von Erfolg zu Erfolg geeilt, doch plötzlich haben meine Methoden nicht mehr funktioniert. Ich habe einfach Zeit gebraucht, diese außergewöhnliche Marke zu verstehen. Außerdem ist die Sprache gerade in Frankreich sehr, sehr wichtig. Wir führen die Meetings im Top-Management zwar auf Englisch, aber wenn es darum geht, ein Team zu inspirieren, muss man einfach Französisch sprechen, egal ob mit oder ohne Akzent.

medianet:
Was haben Sie dann anders gemacht?
Henriquez: Wenn man die Führung eines Traditionshauses wie Krug anvertraut bekommt, muss man sich vor radikalen Maßnahmen hüten, weil es viel gibt, das es zu bewahren gilt. Man muss an vielen kleinen Schrauben drehen – vor allem im Marketing. An der Produktionsweise selbst haben wir ja nichts geändert. Nur das Image hat nicht gepasst. Unsere Werbebotschaften waren arrogant, verstaubt und langweilig. Viel Sympathie hatte die Marke damals nicht. Mir ging es darum, eine neue Unternehmenskultur zu entwickeln. Das braucht Zeit und Geduld.

medianet:
Eine neue Unternehmskultur lässt sich nicht so einfach von oben verordnen, oder?
Henriquez: Ich bin immer sehr nah an meinem Team. Meine Tür ist immer offen. Ich kommuniziere sehr offenherzig mit meinen Leuten. Mit mir kann man viel lachen und manchmal auch weinen. Wenn man führen will, muss man auch emotional überzeugen. Von der kühlen Fassade, mit der manche männliche Führungskräfte Souveränität vortäuschen, halte ich wenig. Willenskraft hat nichts mit lauten Worten oder schlechten Manieren zu tun.

medianet:
Wie wichtig ist das Image für eine Marke wie Krug?
Henriquez: Das ist das Um und Auf. Niemand ‚braucht' Champagner. Und noch weniger ‚braucht' man einen sehr teuren Champagner wie Krug. Aber es ist schön, dass es ihn gibt. Viele Leute mögen ihn, manche lieben ihn sogar. Aber wieso? Weil er so gut schmeckt? Natürlich muss die Qualität stimmen, aber die war auch zuvor immer exzellent. Eine Luxusmarke wie Krug muss auch sympathisch und zeitgemäß sein. Wenn sich jemand eine Flasche Krug gönnt, muss das für den Konsumenten Sinn machen, rational und – noch wichtiger – emotional.

medianet:
Das klingt überzeuegend. Doch wie verleiht man einer Marke rational und emotional Sinn?
Henriquez: Indem ihre Geschichte authentisch erzählt und sie erlebbar gemacht wird. Die Kommunikation ist entscheidend dafür, wie eine Marke wahrgenommen wird. Wie tickt Krug? Worum geht es? Das erzählen wir etwa mit Einträgen aus den Notizbüchern von Firmengründer Joseph Krug. Geschichte und Vision sind gerade in der Welt der Luxusmarken wichtige Bausteine des Images.

Wir haben vor Kurzem auch eine App entwickelt, mit der man die Entstehung jeder einzelnen Flasche auf dem Handy verfolgen kann. Jede Flasche ist ein Unikat und hat eine eigene Nummer. Scannt man diese, erfährt man genau, wie sie hergestellt wurde, welche Grundweine verwendet wurden und wann sie degorgiert wurde. Das interessiert nicht jeden, aber für manche Champagner-Freunde ist das wichtig. Das ist ein rationaler Zugang zu Krug. Seit ein paar Jahren laden wir auch Musiker ein, die für uns passende Stücke komponieren, weil wir alle Sinne ansprechen wollen. Auch bei Verkostungen bei uns im Haus spielen wir lieber Musik, statt mit vielen Worten die Weine zu beschreiben. Das ist ein Aspekt unseres emotionalen Zugangs.


medianet:
Seit einem Jahr sind Sie auch für die Entwicklung der Weinmarken bei LVMH verantwortlich. Die Weingüter liegen über den Globus verstreut. Sind Sie jetzt permanent im Flugzeug unterwegs, um vor Ort nach dem Rechten zu sehen?
Henriquez: Nein, so ticken wir nicht. Alle Weingüter sind erfolgreich und gut gemanagt. Ich habe mittlerweile jedes Weingut besucht, aber mein Job ist nicht der eines fliegenden Kontrolleurs. Mein Büro ist in Paris, und zumindest einmal im Monat geht es zu Krug nach Reims.

In dieser Rolle geht es darum, die strategische Entwicklung der Weingüter zu koordinieren, damit sich aus unserem Puzzle an Premiumweingütern ein stimmiges Gesamtbild ergibt. Es geht um die Frage: ‚In welchen Märkten kann man mit welchen Marken wachsen?' Besonders spannend sind dabei unser neues Chandon-Weingut in Indien und die beiden Weingüter in China. Chandon China liegt im Norden des Landes, wo wir wunderbare Schaumweine herstellen. Die Weingärten von Ao Yun befinden sich am Fuß des Himalayas, wo sich der Cabernet Sauvignon sehr, sehr wohl fühlt …


medianet:
Im internationalen Weingeschäft gibt es nur wenige Frauen in Top-Positionen. Wird sich das in den nächsten Jahren ändern?
Henriquez: Verglichen mit anderen Branchen, sind es gar nicht einmal so wenig Frauen, aber natürlich sind wir noch immer viel zu wenige. Traditionelle Rollenbilder ändern sich nur langsam, aber sie ändern sich. Ich habe in meinem Team einige jüngere Frauen, die das Zeug dazu haben, in Zukunft Führungsrollen zu übernehmen. Es ist zwar nicht immer einfach, Beruf und Familie unter einen Hut zu bringen, aber je mehr Frauen in Top-Positionen erfolgreich sind, umso selbstverständlicher wird es, darauf Rücksicht zu nehmen. Die Zeiten, in denen sich bei Vorstandssitzungen nur ältere Herren getroffen haben, sind nicht nur bei LVMH schon lange vorbei.

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