Schräges Duo frontale
© Lena Modig
Die schwedischen Designerinnen Sofia Lagerkvist und Anna Lindgren werfen in ihren Arbeiten konventionelle Vorstellungen über Bord.
LUXURY BRANDS&RETAIL Anna M. Del Medico 05.07.2019

Schräges Duo frontale

Interview Sofia Lagerkvist und Anna Lindgren sind gemeinsam stärker mit Front Design.

Stockholm. Skandinavisches Design gilt als nüchtern und puristisch. Für die bekanntesten schwedischen Designerinnen gilt das nur sehr bedingt. Sie setzen bei Emotionen an, hegen eine Vorliebe für kuschelige Aspekte – und analysieren dennoch mit Kalkül. Denn schließlich geht es den beiden Schwedinnen um Entwürfe für den zweiten Blick. Wir trafen sie in der Stockholmer Birkagatan 31.

medianet:
Sie haben sich auf der Stockholmer Design-Uni Konstfack kennengelernt – aber kamen aus einer jeweils anderen Ecke zum Design?
Sofia Lagerkvist: Ich arbeitete ursprünglich beim Film und beschäftigte mich viel mit Set-Design. Objekte waren da immer ein Thema. Und die Frage: Welche Rolle könnten die im Film spielen? Damals entstanden die ersten Entwürfe.
Anna Lindgren: Ich näherte mich über Kunstgeschichte an und von der Architektur.

medianet:
Heute teilen Sie sich eine 15 Jahre lange Erfolgsstory. Doch das Front Design-Büro bleibt bewusst klein, mit ganz wenigen Mitarbeitern. Warum eigentlich?
Lagerkvist: Das hat mit gewollter Nähe zu tun, auch mit der Nähe zu den jeweiligen Produzenten. Wir wollen jede Phase selbst begleiten.

medianet:
Lernt man mehr durch diesen intensiven Kontakt?
Lagerkvist: Wir lernen sowieso ständig. Da jedes unserer Projekte völlig anders ist, stehen wir stets vor Neuland. Als Designer versuchen wir, diese Grenzen auszuweiten – das dazugewonnene Know-how lässt sich dann im Rahmen anderer Projekte anwenden.

medianet:
Bei der ‚Magic Collection' wurde sogar auf die Dienste eines professionellen Zauberkünstlers zurückgegriffen. Was genau kann man von so einem Mann lernen? Angewandte Psychologie?
Lagerkvist: Vorweg: Wir sind neugierig, das zählt sicher zu unseren Stärken. Magier manipulieren gezielt unsere Sichtweise auf Objekte. Er bläute uns also immer dieselb Frage ein: Wonach sieht es aus? Und für wen? Es ging um die Idee einer Sache.

medianet:
Das erinnert an die indische Geschichte von den drei Blinden, die einen Elefanten berühren. Der eine am Rüssel, und ‚sieht' ihn als Schlange, der zweite am Bein und ‚sieht' ihn als Baum, der dritte am Bauch und ‚sieht' eine Mauer …
Lindgren: Ja, es ging um die Vorstellung, die man sich von etwas macht.
Lagerkvist: Das deckt sich mit unserer Vorstellung von Design. Wir wollen Objekte, die für einen zweiten Blick interessant sind. Zauberkünstler tun genau das: Sie greifen Vertrautes auf und tun dann etwas Unerwartetes damit.

medianet:
Apropos vertraut: Die Suche nach ungewöhnlichen Formen scheint für Sie kein besonderes Anliegen zu sein. Im Gegenteil: Fast scheinen extravagante Formen zu stören.
Lagerkvist: Nehmen wir einen klassischen Lampenschirm oder eine Vase: Je ikonischer die Form, desto stärker ist die Verbindung, die man zu ihr hat.

medianet:
Wie war das mit der bekanntesten Kollektion ‚Animal thing' – Pferdeleuchte & Co? Wie kam es dazu? Und warum gerade Pferd, Schwein, Hase?
Lindgren: Da gab es dieses Briefing von Marcel Wanders, dem Editor von Moooi. Es lautete: ‚Entwerft mir eine Lampe, die sogar meine Großmutter liebt.' Aber ich muss trotzdem etwas weiter ausholen: Am Anfang des ganzen Projekts stand eine Recherche über die Beziehung zu den Dingen, die uns im Alltag umgeben. Welche Dinge hebt man immer noch auf – obwohl sie längst kaputt sind? Und warum?

medianet:
Tja, warum?
Lindgren: Wir haben im Rahmen unserer Recherche herausgefunden, dass es eine besonders starke Beziehung zu figürlichen Objekten gibt.

medianet:
… der berüchtigte Teddybär der nun in abgewandelter Form bei der aktuellen Vitra-Kollektion ‚Resting Animals' auftaucht …
Lindgren: Oder kleine Porzellan­figuren. Wir haben insgesamt 100 Leute interviewt – und ein echtes Bedürfnis entdeckt.

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