Spezieller Tick
LUXURY BRANDS&RETAIL britta biron 14.10.2022

Spezieller Tick

Zeitenwende Nach massiven ­Steigerungen sind die Preise für Rolex & Co am Secondhand-Markt seit Monaten im Sinkflug. Schlecht für Spekulanten, aber gut für echte Liebhaber ­feiner Mechanik. Seite 4

Berlin/Genf/Luzern. Sichere Tipps für die Geldvermehrung gibt es viele, doch sie haben alle einen Haken: Sie funktionieren nicht bzw. nicht immer. Bestes Beispiel aktuell sind Secondhand-Uhren von Rolex, Audemars Piguet oder Patek Philippe. Deren ohnehin schon saftige Preise kannten seit Langem nur eine Richtung – nämlich steil nach oben – und die Formel „(vergleichsweise) günstig kaufen und teuer wieder verkaufen” ging verlässlich auf.

Davon wollten klarerweise immer mehr Menschen profitieren, was angesichts des begrenzten Angebots die Preisspirale weiter nach oben getrieben hat.
Aber grenzenloses Wachstum ist eine Mär, die selbst für die Preise der begehrtesten Zeitmesser gilt. Wer etwa im Mitte April für eine Patek Philippe Nautilus 5711 1/A 180.000 € in der Erwartung eines satten Reibachs beim Wiederverkauf auf den Tisch gelegt hatte, musste wenigen Wochen später die schmerzliche Erfahrung machen, dass für das gute Stück „nur” noch 140.000 € zu erzielen sind.

Ende der massiven …

Billiger – wenn man in diesem Zusammenhang diesen Begriff überhaupt verwenden kann – müssen es auch die Verkäufer anderer Topmodelle jetzt geben. Die Vacheron Constantin Overseas Automatik Referenz 4500V ist im selben Zeitraum von rund 55.000 auf etwa 41.000 € gefallen, die Royal Oak Jumbo Referenz 15202ST von Audemars Piguet von etwa 125.000 auf knapp über 100.000 €.
Insgesamt fallen die Wertverluste nicht ganz so heftig, aber immer noch deutlich aus, wie der Index von Watch Charts zeigt, der auf der Preisentwicklung der 60 wichtigsten Luxusuhren-Modelle basiert. Im September 2021 lag der Index bei 40.015 €, kletterte bis Ende März 2022 auf knapp 55.300 und sank danach bis Ende September auf unter 43.000 €.
Der Wertverlust hat aber nicht alle Marken und Modelle gleichermaßen getroffen. Innerhalb des letzten halben Jahres zeigt der Watch Charts-Index eine große Bandbreite von einem mehr als 30%igen Preisverfall bis zu zweistelligen Steigerungsraten, etwa bei der Royal Oak Offshore Referenz 26470OR (+11,9%), der Zeitwerk Referenz 140.029 von A. Lange & Söhne (+15%), der Breitling Avenger A13370 (+15,3%) oder der Panerai Luminor PAM01312 (+14,1%).

… Teuerungsraten

Über den dramatischen Preisverfall vieler Topmodelle wurde in den letzten Monaten viel spekuliert, und manche Marktexperten sehen einen Zusammenhang mit der Entwicklung der Kryptowährungen. Die These ist, dass in der Phase der starken Kurssteigerungen viele Player ihre Gewinne für den Kauf von Luxusartikeln verwendet haben. Seit Bitcoin & Co deutlich an Wert verlieren, versuchen viele, die kostspieligen Artikel wieder zu Geld zu machen, wodurch das Angebot die Nachfrage übersteigt und – das Gesetz des freien Marktes – die Preise nach unten drückt.
„Glücklicherweise haben wir in den letzten Monaten eine Normalisierung der Marktpreise erleben dürfen”, kommentiert Tim-Hendrik Meyer, CEO bei Watchmaster, einer der großen Plattformen für den Handel mit Certified Preowned Watches.

Das sorgt für gesunde …

Zum Schnäppchenparadies ist der Markt für Luxusuhren aus zweiter Hand aber längst noch nicht geworden, und dass es mittelfristig dazu kommen wird, ist ziemlich unwahrscheinlich. Im Vergleich zu vor einem Jahr liegen die Preise vieler Modelle nach wie vor um bis zu 20% höher, aber vorerst werden, so Meyer, weiter „zumindest keine Mondpreise mehr aufgerufen”.
Bei Rolex, Audemars Piguet und Patek Philippe geht der Experte davon aus, dass sich die Preise nun stabilisieren werden, und zwar bis über das Weihnachtsgeschäft hinaus. „Bei Omega, Cartier und IWC rechnen wir durchaus mit einem Preisanstieg, da die Primärmarktpreise entweder schon erhöht worden sind oder noch erhöht werden sollen”, so Meyer weiter. „Mittelfristig gehen wir davon aus, dass die Verknappungsstrategie der Top 3 allen anderen Uhrenmarken zugutekommen wird. Immer weniger Kunden werden sich eine Uhr dieser Marken leisten können und entsprechend auf Alternativen ausweichen. Neben Omega, Breitling und Tudor sehen wir vor allem noch Cartier, IWC und Tag Heuer als Marken, die in diesem Jahr eine erhöhte Nachfrage verzeichnen konnten.”

… Normalisierung

Höher im Kurs bei den Käufern von CPO-Uhren stehen – wie Analysen anderer Uhrenplattformen zeigen – auch die Modelle kleinerer, unabhängigen Marken wie etwa H. Moser & Cie. oder Czapek & Cie. Ebenfalls nach oben gehen Nachfrage und Preise laut Chrono24 auch die Laurato von Girard-Perregaux.
Und wie schätzen die Uhrenkäufer selbst die aktuellen Trends ein und wie beeinflusst das ihr Kaufverhalten? Antworten darauf liefert eine aktuelle Analyse, für die Watch­master Sammler und Liebhaber in Deutschland, Großbritannien und Frankreich – die drei großen CPO-Märkten in Europa – befragt hat.
Bei den Erwartungen, wie sich die Preise von Rolex weiter entwickeln, herrscht eine geteilte Meinung. Während mehr als 40% der Befragten in Frankreich und knapp 37% jener in Deutschland damit rechnen, dass die Preise in den nächsten sechs Monaten steigen werden, teilt diese Meinung nur ein Viertel der Briten. Der Glaube an eine Wertminderung der Marke mit der Krone ist bei den Franzosen (38,32%) deutlich stärker ausgeprägt als bei Deutschen und Franzosen (jeweils rund 25%).
Bei der Frage nach den Marke, die man für überbewertet hält, liegt in allen drei Ländern Rolex mit großem Abstand an der Spitze – mehr als die Hälfte der Briten und Franzosen halten die Preise für überzogen, bei den Deutschen sind es „nur” 47% und sie können sich mit dem Griff zu einer tickenden Alternative auch am wenigsten anfreunden. Nur 39% jener, die sich eine Rolex kaufen wollten, haben sich dann zur Schonung des Geldbeutels für das Modell einer anderen Marke entschieden. Am häufigsten (23,3%) ist die Wahl dabei auf Breitling gefallen, dicht gefolgt (20%) von Omega, und an dritter Stelle der Rolex-Alternativen rangiert die Schwestermarke Tudor. Sehr ähnlich sind auch die Präferenzen der Briten.

Schnäppchen …

Die Franzosen, die sich am ehesten (44%) aus finanziellen Gründen gegen eine Rolex entscheiden, greifen besonders häufig zu einer Omega (30,6%), mit deutlichem Abstand (10,2%) darf’s eine Zenith sein. Breitling-Uhren (6,1%) sind bei den französischen Uhrenfans deutlich weniger beliebt als bei den deutschen oder britischen. Interessant ist aber, dass sie aus einer deutlich größeren Palette von Marken wählen.
Auch wenn es am Markt für gebrauchte Nobeluhren derzeit ungewöhnlich turbulent zugeht, sehen die meisten Experten für die kommenden Jahre ein Wachstum. Laut Schätzungen beträgt das globale Volumen derzeit rund 23 Mrd. USD, und bis 2025 wird mit jährlichen Umsatzsteigerungen zwischen acht und zehn Prozent gerechnet.

… gibt’s trotzdem nicht

Mit einer guten Entwicklung rechnet man auch bei Bucherer – der Schweizer Nobeljuwelier ist 2019 in den Handel mit CPO-Uhren eingestiegen – und beim Auktionshaus Sotheby’s. Seit Kurzem bietet Bucherer sein hochwertiges CPO-Sortiment nicht mehr „nur” in den eigenen Boutiquen und in seinem Online-Store an, sondern auch auf dem Online-Marktplatz des renommierten Auktionshauses.
„Unser Kundenstamm von Sammlern hat in den vergangenen Jahren zunehmend Interesse daran gezeigt, edle Zeitmesser auch online zu erwerben”, sagt Josh Pullan, Global Head der Luxury Division von Sotheby’s. „Wir sind besonders stolz darauf, dass wir als einziges Auktionshaus eine so umfangreiche Zertifizierung und Garantie anbieten können. So stellen wir sicher, dass jeder Käufer auf Jahre hinaus Freude an seiner Uhr hat. Die Partnerschaft mit Bucherer ist außerdem ein weiterer wichtiger Meilenstein in der Entwicklung unseres kuratierten Online-Marktplatzes, der seit der Einführung vor beinahe zwei Jahren immer wieder als Innovationsmotor fungiert.”

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