Im Rahmen eines Agentur-Fachtalks diskutierte medianet-Herausgeber Chris Radda mit Ursula Arnold, CEO der Mindshare GmbH, Wien und Zürich, über aktuelle Entwicklungen und Perspektiven der Media-Agentur-Branche in Österreich. Anlass ist der rasante Aufstieg von Mindshare – a groupM/WPP Media Brand im medianet/Focus Media Research-Bruttowerberanking 2024, wo die Agentur innerhalb von nur drei Jahren von Platz drei auf Platz eins vorrückt und nun als sichtbarste Media-Agentur Österreichs gilt.
medianet: Frau Arnold, Mindshare war über viele Jahre beim Focus-Ranking der Brutto-Werbespendings der Media-Agenturen auf Platz acht, dann auf drei, zwei – und nun sind sie erstmals an der Spitze. Was war aus Ihrer Sicht ausschlaggebend, besonders in den letzten beiden Jahren?
Ursula Arnold: Die letzten beiden Jahre haben sicher entscheidend dazu beigetragen, dass wir jetzt ganz vorne stehen – worüber wir sehr glücklich und auch stolz sind.
Der Weg von Platz acht war eine lange Reise, in der wir über viele Jahre hinweg an zahlreichen Pitches teilgenommen haben. Natürlich haben wir nicht jeden gewonnen, aber aus jedem einzelnen gelernt – oft mehr aus den verlorenen als aus den gewonnenen. Genau diese Lernkurve war ein zentraler Bestandteil unseres Erfolgs. In den letzten zwei bis drei Jahren konnten wir große Erfolge feiern. Besonders hervorheben möchte ich die Rückgewinnung eines sehr bedeutenden Klassik-Kunden: Ferrero. Nach zwei Jahren Pause konnten wir sie wieder für uns gewinnen. Das war ein enorm wichtiger Schritt, der – gemeinsam mit anderen Faktoren – letztlich den Ausschlag dafür gegeben hat, dass wir die Spitzenplatzierung erreicht haben.
medianet: Der Anstieg war also nicht vorrangig durch digitale Spendings getrieben sondern durch wichtige Neukunden?
Arnold: Nein, der große Sprung im Digitalbereich kam eigentlich schon vor zwei oder drei Jahren, als wir Media Markt als Kunden gewinnen konnten. Das war damals ein signifikanter Wachstumsschub, vor allem in den Digitalen Investments. In den vergangenen beiden Jahren blieb der digitale Anteil auf einem stabil hohen Niveau.
Der entscheidende Zuwachs für den 1. Platz kam nun vielmehr durch Neukundengewinne im klassischen Bereich. Wir haben uns bei klassischen Werbeinvestitionen nochmals deutlich weiterentwickelt – und das mit einem Anstieg von über 50 Prozent. Das war wesentlich für unsere Platzierung ganz vorne im Ranking.
medianet: Einer Ihrer größten Kunden ist die Rewe Group. Dort scheint Print weiterhin ein relevanter Kanal zu sein?
Arnold: Ja, absolut. Rewe hat ihre Printinvestitionen in den vergangenen Jahren relativ konstant gehalten und gezielt und konzentriert im Markt eingesetzt. Ein Thema ist hier auch immer wieder das klassische Flugblatt, es wurde in Deutschland eingestellt. In Österreich ist es anders – hier sieht man nahezu im gesamten Einzelhandel weiterhin ein klares Bekenntnis zu traditionellen und klassischen Medien.
medianet: Bedeutet das, dass in Österreich – ähnlich wie in der Schweiz oder Japan – ein besonders starker Bezug zur Tageszeitung besteht?
Arnold: Ja, ich denke, dieser Bezug ist in Österreich nach wie vor sehr stark ausgeprägt, insbesondere bei den älteren Zielgruppen. Gleichzeitig muss man anerkennen, dass die Tageszeitungen in den vergangenen Jahren große Anstrengungen unternommen haben, auch jüngere Zielgruppen wieder stärker zum Lesen zu bringen. Sie haben gelernt, das klassische Zeitunglesen wieder attraktiver zu machen – oft durch eine intelligente Kombination mit digitalen Angeboten. Dieser Weg ist sicher richtig.
medianet: Österreichische Medien haben ihre digitale Transformation relativ spät gestartet. Doch in den letzten Jahren haben sich auch die heimischen Onlinemedien stark entwickelt – bei etlichen mit Tagesreichweiten von über einer Million User auf deren digitalen Kanälen und bei manchen wie dem ORF auch darüber. Wie weit sind Kampagne ohne die großen Plattformen schon möglich?
Arnold: Wie immer in unserem täglichen Geschäft, hängt es sehr stark von den Zielgruppen und den KPIs ab, die ein Kunde verfolgt. Für breite Zielgruppen mit starker lokaler Präsenz und Monetarisierungspotenzial im heimischen Markt funktionieren heimische Medienangebote sehr gut. Da lassen sich durchaus nachhaltige und effiziente Pläne erstellen. Bei internationalen Kunden ist die Situation anders – da müssen wir andere KPIs bedienen und häufig auch internationales Inventar einbinden, weil das explizit gewünscht oder vorgegeben ist. Aber überall dort, wo es inhaltlich und strategisch passt, lassen sich gute Argumente für Mediapläne ausschließlich mit österreichischen Angeboten finden.
medianet: Effizienzmäßig gibt es kaum noch Unterschiede, Studien bestätigen das. Trotzdem gehen rund 2,8 Milliarden Euro jährlich an Werbegeldern ins Ausland während für alle heimischen Medien zusammen rund zwei Milliarden bleiben. Eine für die Medienbranche gefährliche Tendenz.
Arnold: Ja, das ist sicher keine wünschenswerte Entwicklung. Aber sie war in gewisser Weise absehbar – und ist auch Teil des digitalen Wandels. Gleichzeitig muss man sagen: In der Zeit, in der die internationalen Plattformen stark gewachsen sind, haben sich die österreichischen Medien weiterentwickelt. Sie sind heute gut aufgestellt, um in Mediaplänen mitzuhalten – und können inzwischen auch nachweisen, dass sie in Reichweite und Wirkung konkurrenzfähig sind.
medianet: Budgets steigen derzeit nicht spürbar. Man hört oft: Wer sein Volumen hält, der hat bereits gewonnen. Wie ist Ihre Einschätzung für das laufende Jahr?
Arnold: Ich würde sagen: Stabilität ist das neue Wachstum. In einem Umfeld wie diesem ist es schon ein Erfolg, wenn man Budgets halten kann. Natürlich wäre ein zweistelliges Wachstum schön, aber ich bin realistisch und zugleich optimistisch.
Ich glaube fest daran, dass wir mit unseren bestehenden und neuen Kunden weiter an der Entwicklung des Marktes arbeiten können. Dabei ist es uns auch wichtig, die heimische Medienlandschaft aktiv zu unterstützen. Wir sehen das als einen Teil unserer Verantwortung. Was die Branchen betrifft, gibt es große Unterschiede: Manche investieren stark, andere sind zurückhaltender. Die Automobilbranche zum Beispiel ist aktuell besonders herausgefordert – mit der Frage, ob sie Verbrenner noch bewerben soll oder schon rein auf Elektromodelle setzt. Da gibt es viele Unsicherheiten. Wir begleiten unsere Kunden sehr intensiv dabei, für sie jeweils passende Strategien zu entwickeln.
medianet: Wenn Sie eine Prognose abgeben müssten – wie wird sich das Werbejahr 2025 in Österreich entwickeln?
Arnold: Ich hoffe, dass wir am Jahresende auf ein Wachstum zwischen 1,5 und drei Prozent kommen. Das wäre für alle Beteiligten ein gutes Zeichen – und würde zeigen, dass wir weiterhin gemeinsam in den Markt investieren.
medianet: Welche Branchen sehen Sie aktuell als Wachstumstreiber?
Arnold: Da gibt es ganz unterschiedliche Entwicklungen. Das Thema Nachhaltigkeit ist ein Thema unser Kunde Ökostrom zum Beispiel investiert seit ein bis zwei Jahren sehr stark – das zeigt, wie dynamisch bestimmte Bereiche sein können. Auch Willhaben hat massiv in Werbung investiert, auch hier ist das Thema Nachhaltigkeit immer wichtiger geworden. Andere Kunden halten ihre Investments stabil, verlagern sie aber in neue Kanäle – und schaffen dadurch zusätzliche Dynamik im Mediamix.
medianet: Kommen wir zu Mindshare selbst. Sie waren früher über 80 Mitarbeitende, jetzt rund 30. Was ist der Hintergrund?
Arnold: Ja, das ist korrekt. Wir hatten eine Zeit lang über 80 Mitarbeitende. Mit dem Umbau unserer Gruppen-Struktur haben wir viele Funktionen und Service Units auf Gruppenebene zentralisiert – daher die Reduktion. Heute besteht unser direktes Team aus rund 30 Personen. Diese Struktur ermöglicht uns eine fokussierte und effiziente Arbeitsweise innerhalb des neuen Setups.
medianet: Zusätzlich sind Sie seit einiger Zeit auch für die Schweiz verantwortlich. Wie gelingt die Verbindung dieser beiden Aufgaben?
Arnold: Im Herbst 2022 habe ich die Verantwortung für die Schweiz übernommen. Die Kultur von Mindshare ist in allen Märkten der Welt gleich, daher hat es vieles erleichtert. Es ist eine sehr spannende Aufgabe und ich habe viel neues gelernt. Mittlerweile haben wir in der Schweiz eine sehr kompetente Managing Director aufgebaut, die vor Ort hervorragende Arbeit leistet. Ich selbst bin nach der intensiven Anfangsphase derzeit alle paar Wochen auch immer wieder gerne vor Ort. Die Zusammenarbeit funktioniert sehr gut.
medianet: Frage zum Schluss, Aktuelle sind zwei GroupM-Agenturen führend im Focus-Ranking. Sehen Sie sich herausgefordert, diesen ersten Platz zu verteidigen?
Arnold: Auf jeden Fall. Der Wunsch, einmal Nummer eins zu werden, war ein gemeinsames Ziel – schon in der Zeit mit unserer damaligen CEO Ricki Müller-Wernhart Mitte der 2000er-Jahre. Ich kann mich gut erinnern, dass sie das damals formuliert und vorangetrieben hat. Umso mehr hat es mich gefreut, sie bei der Preisverleihung wiederzusehen. Jetzt, wo wir das Ziel erreicht haben, möchten wir diese Position natürlich halten und bestmöglich verteidigen.
