„Aus der Krise eine Chance machen“
© FAMA/Stefan Joham
Alexander Dumreicher-Ivanceanu
MARKETING & MEDIA Redaktion 24.10.2025

„Aus der Krise eine Chance machen“

Alexander Dumreicher-Ivanceanu betont im Talk die Vorteile einer Streaming Obligation für die heimische Filmwirtschaft.

Kürzlich wurde die Studie „Doppelte Relevanz der Filmwirtschaft“ veröffentlicht, die der heimischen Filmwirtschaft nicht nur kulturelle, sondern auch ökonomische Relevanz beimisst. Deren Finanzierung steht aber auf wackeligen Beinen, hat doch die Politik einen Auszahlungsstopp der Filmförderung ÖFI+ verkündet. Eine mögliche Lösung wäre, mittels einer Investment Obligation internationale Streamer zu Investitionen zu verpflichten. medianethat dazu mit Alexander Dumreicher-Ivanceanu, Obmann des Fachverbands Film- und Musikwirtschaft der Wirtschaftskammer Österreich, gesprochen.

medianet: Herr Dumreicher-Ivanceanu, im August haben Vertreter der Filmbranche und aus dem Finanz- und Kulturministerium über Finanzierungsmodelle für die heimische Filmwirtschaft diskutiert. Dabei wurde sich auf die Ausarbeitung einer Investment Obligation für Streamingdienste geeinigt. Wie weit sind Sie nun?
Alexander Dumreicher-Ivanceanu: Die massive Reduktion der international erfolgreichen österreichischen Filmfinanzierungsmodelle hat die gesamte Branche in eine Existenzkrise gebracht. Um eine nachhaltige Lösung zu finden, hat das Kulturministerium eine Arbeitsgruppe mit Vertretern des Finanzministeriums und der Filmbranche eingerichtet. Ziel ist die Einführung der Investment Obligation für Streamer, wie sie im Regierungsübereinkommen verankert ist. Diese besteht aus einer ‚Streaming Levy‘, also einer Abgabe für Streamingdienste, in Kombination mit einer direkten Investitionsverpflichtung. Ziel ist es, dass sich internationale Streamer an der Finanzierung und Produktion österreichischer Filme und Serien beteiligen. Die Gespräche verlaufen sehr konstruktiv, unser Eindruck ist, dass alle Seiten gezielt an der zeitnahen Umsetzung arbeiten.

medianet: Eine Investment Obligation stützt sich rechtlich auf eine EU-Richtlinie, die es Mitgliedstaaten erlaubt, Streamingdienste zu Investitionen in lokale Film- und TV-Produktionen zu verpflichten. Österreich bekennt sich im aktuellen Regierungsprogramm zu deren Umsetzung. Woran hakt es aktuell noch?
Dumreicher-Ivanceanu: Es geht nun darum, den richtigen Mix zu finden und einen stabilen legistischen Rahmen zu schaffen. Laut aktuellen Schätzungen zahlen österreichische Konsumenten jährlich über 400 Millionen Euro an Abo-Gebühren an die großen Player. Davon soll ein fairer und gerechter Anteil in Österreich wirksam werden – mit entsprechender Stärkung des heimischen Contents für das Publikum.

medianet: Gibt es für die angestrebte Investment Obligation Vorbilder in Europa?
Dumreicher-Ivanceanu: Ja, europaweit haben bereits 16 Länder eine Investment Obligation und/oder Streaming-Abgaben eingeführt. Die bestehenden Modelle zeigen, dass Streamingabgaben einen spürbaren Beitrag zur Entwicklung und Umsetzung von Filmen und Serien leisten. Hier ist Frankreich Vorreiter, das seit zwei Jahren ein System mit Investment Obligation von 25 Prozent erfolgreich umsetzt. Auch in der Schweiz ist die Obligation bereits in Kraft, und in Deutschland ist ihre Einführung im Programm der Bundesregierung verankert. Die österreichische Filmbranche steht geschlossen dahinter, eine Petition zur Einführung der Obligation wurde von allen Verbänden der Filmbranche und von über 1.000 Filmschaffenden unterzeichnet.

medianet: Und mit welchen jährlichen Einnahmen rechnen Sie dadurch?
Dumreicher-Ivanceanu: Wir gehen von 400 Millionen Euro Umsatz der internationalen Streamer in Österreich aus. Bei einer Streaming-Abgabe von sieben Prozent, wie wir sie vorgeschlagen haben, werden 28 Millionen Euro für Filmfinanzierung mobilisiert, die wiederum weitere Wertschöpfung auslöst. Eine direkte Investitionsverpflichtung von weiteren 18 Prozent würde Investitionen von 72 Millionen Euro auslösen. Die Obligation würde somit der Branche, dem Publikum und last, but not least, auch dem Finanzminister zugute kommen.

medianet: Die Filmbranche sieht in der Investment Obligation einen Schritt zur nachhaltigen Förderung des Filmstandortes. Vertreter heimischer TV-Sender und Abrufdienste befürchten aber hingegen unter anderem zusätzliche Belastungen und Wettbewerbsnachteile gegenüber internationalen Konzernen. Was entgegnen Sie diesen Einwänden?
Dumreicher-Ivanceanu:Politik und Filmwirtschaft sind im Dialog mit den Vertretern der heimischen TV-Sender und den Streamern. Zentrale und gemeinsame Zielsetzungen sind Planbarkeit und Verlässlichkeit in der Filmfinanzierung und den Medien- und Filmstandort Österreich nachhaltig zu stärken. Die Einführung der Obligation ist eine schnelle, zukunftsgerichtete und nachhaltige Lösung für die Situation der Filmfinanzierung in Österreich. Die Umsetzung soll im Kern die budgetäre Eigenständigkeit der Filmbranche unterstützen. Die Obligation kostet die Republik keinen Cent und bringt einen großen Mehrwert für Zuschauer, Filmschaffende und das Budget der Republik. Und eine Stärkung der heimischen Film-Kreativen kommt am Ende immer den Streamern, den Sendern und dem Publikum in Form von starken Filmen und Serien aus Österreich zugute.

medianet: Einige Vertreter heimischer TV-Sender und Abrufdienste fordern stattdessen ein Tax-Credit-Modell. Auch Sie haben sich Ende Juni für ein solches Modell öffentlich ausgesprochen. Wird aktuell auch in diese Richtung verhandelt?
Dumreicher-Ivanceanu: Die Einführung eines Tax-Credit-Modells in Österreich wäre natürlich ein sinnvoller Schritt – aber das Finanzministerium ist hier sehr klar in der Kommunikation: Aufgrund der Budgetkonsolidierung gibt es in Österreich keine Möglichkeit, um Konjunktur- und Förderprogramme mit Steueranreizmodellen in der laufenden Legislaturperiode umzusetzen. Daher ist die richtige Lösung die Investment Obligation – umso mehr, als deren Umsetzung im Regierungsprogramm verankert ist.

medianet: Frage zum Schluss: Wie bewerten Sie die Aussichten der österreichischen Filmindustrie, sollte zeitnah doch keine Investment Obligation umgesetzt werden?
Dumreicher-Ivanceanu: Mit mehr als 4.000 Filmunternehmen und 20.000 Film-Kreativen ist Österreich ein international anerkanntes Filmland. Viele Projekte sind in Gefahr, entweder abzuwandern oder nicht umgesetzt werden zu können, wenn es keine Lösung gibt, mit den entsprechenden negativen Auswirkungen für den gesamten Standort. Wir müssen jetzt die Weichen für die Zukunft des Filmstandortes Österreich stellen. Die Einführung der Investment Obligation würde bedeuten, dass es gelungen ist, aus der Krise eine Chance zu machen – sodass die Branche wieder nach vorne schauen kann.

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