Beschwerdebilanz 2022 des Werberates
© ÖWR
Michael Straberger
MARKETING & MEDIA Redaktion 28.03.2023

Beschwerdebilanz 2022 des Werberates

Trotz deutlichem Anstieg an Beschwerden verzeichnet der ÖWR weniger Stopp- Entscheidungen als im Jahr zuvor.

WIEN Unter den Top-3-Beschwerdegründen liegen einmal
mehr Ethik und Moral sowie Geschlechterdiskriminierende Werbung. Sujetrücknahmen durch Unternehmen deutlich angestiegen. Das Jahr 2022 verzeichnet mit 503 eingegangenen Beschwerden ein deutliches Plus von 90 Fällen im Vergleich zum Vorjahr. Diese haben zu 264 Entscheidungen
(im vgl. 2021: 258) geführt. Trotz deutlicher Zunahme der Beschwerdeanzahl wurden seitens der Werberätinnen und Werberäte jedoch weniger Stopp-Entscheidungen (9, im vgl. 2021: 11) getroffen als im Vorjahr. In 15 Fällen kam es zu Sensibilisierungssprüchen (im Vergleich 2021: 19) und 33-mal wurde mit „Kein Grund zum Einschreiten“ (im Vergleich 2021: 31) bewertet.

„Der neuerliche Rückgang von Stopp-Entscheidungen, bei gleichzeitigem Anstieg von Beschwerden, zeigt uns, dass nicht alle Werbemaßnahmen, die seitens von KonsumentInnen
als problematisch erachtet werden, auch tatsächlich einen Bruch mit dem Ethik-Kodex der Werbewirtschaft darstellen,“ erklärt ÖWR-Präsident Michael Straberger. „Die hohe Anzahl an Beschwerden zeigt uns aber auch, dass wir zunehmend das Vertrauen von KonsumentInnen gewinnen, konnten“, ergänzt Straberger, „umso mehr versuchen wir in unserer Sprachrohrfunktion bewusstseinsbildend zu wirken.“

Und: „Wir nehmen jeden Zuruf seitens KonsumentInnen ernst, behandeln diesen entsprechend unseres Beschwerdemanagements und klären, im Bedarfsfall, über die
Hintergründe von Entscheidungen des Werberates auf“.

Zunehmendes Verantwortungsbewusstsein der Werbetreibenden Wirtschaft
Die Akzeptanz des Österreichischen Werberats und die zunehmende Stärke selbstregulierender Instrumente zeigt sich in der steigenden Anzahl an Sujet-Rücknahmen sowie in der Durchsetzungsbilanz bei getroffenen Stopp-Entscheidungen.
Entsprechend haben 38 Unternehmen (im vgl. 2021:27) ihre Werbemaßnahmen nach der ersten Kontaktaufnahme durch die Geschäftsstelle des Österreichischen Werberates sofort
zurückgenommen bzw. abgeändert.

Darüber hinaus wurde in 6 der 9 entschiedenen „Stopp-Entscheidung“ der Aufforderung des sofortigen Sujetwechsels umgehend nachgekommen. In drei Fällen wurde die weitere
Behandlung entsprechend des Sanktionskatalogs eingeleitet. In zwei dieser Fälle wurde der Aufforderung nach der zweiten Fristverlängerung nachgekommen und es wurde die
Rücknahme des beanstandeten Sujets schriftlich bestätigt.
„Die überwiegende Mehrheit der werbetreibenden Unternehmen ist sich ihrer Verantwortung völlig bewusst und gestaltet entsprechend ihre Werbemaßnahmen“, ergänzt Straberger, „sollte es dennoch zu Beschwerden von KonsumentInnen kommen, reagieren nahezu alle
betroffenen Unternehmen kooperativ“.

„Die Aufgabe der Selbstregulierung ist es, dieses breite Zugeständnis zu ethischen und moralischen Richtlinien auszubauen und somit mit allen Marktteilnehmern Verantwortung wahrzunehmen. Nur so wird es auf lange Sicht gelingen, in Österreich sowie im Verbund mit
allen europäischen Werberäten auf EU-Ebenen weiterhin immer wieder drohenden Werbeverboten entgegenzuwirken“, so Straberger abschließend.

Detailanalyse - Beschwerdebilanz 2022
Im Jahr 2022 wurden mehr Beschwerden beim Österreichischen Werberat eingebracht als im
Vorjahr. Die 503 (2021: 413) eingetroffenen Beschwerden haben zu 264 (2021: 258) Entscheidungen geführt. Der Österreichische Werberat forderte in 9 Fällen den „sofortigen Stopp des Sujets bzw. der Kampagne“ (im Vgl. 2021: 11). In 6 Fällen wurde dieser Aufforderung sofort bzw. innerhalb der ersten gesetzten Nachfrist nachgekommen und in drei Fällen wurde die weitere
Behandlung entsprechend dem Sanktionskatalog eingeleitet und führte in zwei Fällen zur Rücknahme der beanstandeten Sujets.

Die Ethik-Kodex-Punkte der Österreichischen Werbewirtschaft „2.1. Geschlechterdiskriminierende Werbung“, „1.1. Allgemeine Werbegrundsätze“, „2.2.Kinder und Jugendliche“ und „1.3. Gewalt“ wurden laut dem unabhängigen Entscheidungsgremium bei den getroffenen Stopp-Entscheidungen missachtet.

15-mal lauteten die Entscheidungssprüche des Österreichischen Werberates „Sensibilisierung – Aufforderung in Zukunft bei der Gestaltung von Werbemaßnahmen oder einzelner Sujets sensibler vorzugehen“ (im Vgl. 2021: 19). In 33 Fällen sahen die Werberäte und Werberätinnen „Keinen Grund zum Einschreiten“ gegeben (im Vgl. 2021: 31). Die größten Aufreger seitens KonsumentInnen waren eine Werbemaßnahme der Stadt Wien mit 65 Beschwerden, die von den Werberäten und Werberätinnen mit „Sensibilisierung“ entschieden wurde, jene von Möbelix mit 34 Beschwerden, hier sprach sich das Gremium ebenfalls für „Sensibilisierung“ aus, und eine Werbemaßnahme für Neradin mit 30 Beschwerden, die mit „Kein Grund zum Einschreiten“ bewertet wurde.

Sujet-Rücknahmen
Wie in den Jahren zuvor spiegelt sich die Bereitschaft zur Kooperation mit dem Österreichischen Werberat in der hohen Anzahl der sofortigen Sujet-Rücknahmen durch das
jeweils betroffene Unternehmen wider. So haben 38 (!) Unternehmen (2021: 27) ihre Werbemaßnahmen nach der ersten Kontaktaufnahme durch die Geschäftsstelle des
Österreichischen Werberates sofort zurückgenommen oder abgeändert. „Die transparente und dialogorientierte Abwicklung von Beschwerden schafft zunehmendes
Vertrauen“, erklärt ÖWR-Geschäftsführerin Andrea Stoidl. Denn: „Wir wollen mit und für die
Branche agieren. Uns ist wichtig immer zuerst mit den Werbeverantwortlichen ins Gespräch zu kommen und nach Lösungen zu suchen.“ Nicht zuständig zeichnete der Österreichische Werberat in 69 Fällen (im Vgl. 2021: 81). Diese Beschwerden wurden seitens der Geschäftsstelle auf Zuständigkeit geprüft und mitunter an die zuständigen Stellen – wie dem Verband für unlauteren Wettbewerb, dem Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen, dem Bundesministerium für Gesundheit oder auch dem PR-Ethik-Rat oder Presserat – zur weiteren Bearbeitung mit Zustimmung der Beschwerdeführer/innen weitergeleitet. Da es sich um keine Wirtschaftswerbung handelte, konnte der ÖWR in 35 Fällen nicht tätig werden. 2 Fälle wurden an die zuständigen Institutionen im Ausland weitergeleitet, da es sich hierbei um Cross Border Complaints handelte. Das Verfahren konnte in 24 Fällen nicht abgeschlossen werden, da die erforderlichen
Unterlagen und Informationen seitens der BeschwerdeführerInnen auch nach mehrmaligem Nachfragen nicht erbracht wurden.

Top3 und weitere Beschwerde-Gründe
Der Beschwerdegrund „Ethik und Moral“ führt mit 146 Beschwerden (2021:115) das Ranking an. „Geschlechterdiskriminierende Werbung“ belegt mit 116 Beschwerden (2021:106) den zweiten Platz im Beschwerdegrund-Ranking. Auf Platz 3 rangiert der Beschwerdegrund „Gewalt“ mit 73 Beschwerden – eine deutliche Steigerung zum Vorjahr (2021:10). Somit sind die Top 2 der Beschwerdegründe in den letzten drei Jahren gleichgeblieben. Die Beschwerdekategorie „Ethik und Moral“ übernahm wie im letzten Jahr die Spitze und löste
somit die „Geschlechterdiskriminierende Werbung“ vom ersten Platz der Vorjahre ab.

Mit dem Grund „Irreführung und Täuschung“ wurden 63 Beschwerden eingegeben – eine Steigerung zum Vorjahr (2021: 59). Der Beschwerdegrund „Gefährdung von Kindern und
Jugendlichen“ ist ebenfalls zum Vorjahr (2021:15) mit 38 Beschwerden deutlich mehr geworden. 19 Beschwerden verzeichnet der Beschwerdegrund „Gesundheit“ (2021: 31) und
ist somit im Vergleich zum Vorjahr etwas gesunken.
16 Beschwerden wurden im Beschwerdegrund „Werbung mit Kindern & Jugendlichen“ gezählt.

Im Vorjahr zählte dieser Grund etwas weniger (2021:10). Insgesamt 6 Beschwerden verzeichnet der Beschwerdegrund „Rassismus“ (2021: 27) und ist somit im Vergleich zum
Vorjahr gesunken. In den weiteren Beschwerdegründe gab es jeweils weniger als 10 Beschwerden. Beim Beschwerdegrund „Unlauter Wettbewerb“ verzeichnete der Österreichische Werberat dieses Jahr 6 Beschwerden (2021:5). Beim Beschwerdegrund „Tierschutz“ wurden 4 Beschwerden (2021:3) vermerkt. Ebenso wurden 4 Beschwerden bei „Diskriminierung älterer Menschen“ (2021:2) gezählt. 3 Beschwerden wurden, wie letztes Jahr unter „Tabak und Rauchwaren“ notiert (2021:3). Jeweils 2 Beschwerden gab es 2022 bei den Beschwerdegründen „Sicherheit“ (2021: 8), „Verletzung von religiösen Gefühlen“ (2021:3) und „Rechtswidriges Werbeumfeld (2021:9). Rechtswidriges Werbeumfeld meint hier Werbesujets, die auf illegalen Online-Umfeldern verzeichnet wurden. Beim Beschwerdegrund „Alkohol“ wurde 1 Beschwerde (2021:4) gezählt, genauso wie beim Grund „Umwelt“ (2021:2). Dieses Jahr gab es keine Beschwerde in Bezug auf „Kraftfahrzeuge“
(2021:1) und „Herabwürdigung von Politikern“ (2021:1).

Werbemedien
Auch dieses Jahr wurden die meisten Entscheidungen für Werbemaßnahmen im TV getroffen. Insgesamt 77 Entscheidungen (2021: 62) beziehen sich auf TV-Spots.
Mit 49 Entscheidungen für das Medium „Plakat/Citylight“, konnte ein deutlicher Anstieg zum Vorjahr (2021:35) im Bereich der Außenwerbung verzeichnet werden. Platz drei belegte
mit fast gleichbleibender Entscheidungsanzahl von 34 Entscheidungen das Medium „Social Media“ (2021:35).
Die Kategorie „Website“ liegt mit 23 Entscheidungen auf dem vierten Platz (2021:19). Platz fünf belegen dieses Jahr mit 18 Entscheidungen die Medien „Radio“ (2021:17) und
„Printanzeigen“ (2021:24).

Die Medienkategorie „Flyer/Prospekt“ führte zu 13 Entscheidungen (2021:17). „Verpackungsmaterial“ zählte im Jahr 2022 insgesamt 10 Entscheidungen (2021:12). Der
Entscheidungskategorie „Banner“ wurden 8 Entscheidungen zugeteilt (2021:4). 6 Entscheidungen gab es bei „LKW-Werbung“ (2021:11). Jeweils 2 Entscheidungen wurden
in den Kategorien „Broschüre“ (2021:6), U-Bahn (2021:1) E-Mail (2021:1) getroffen. Jeweils 1 Entscheidung erhielt das „Direct Mail“ (2021:4) und „Versandkatalog“ (2021:1). Die letzten Plätze erhielten die Kategorien „Mobile Devices“ (2021:3), „Newsletter“ (2021:1) und „Telefon“ (2021:0) mit insgesamt 0 Entscheidungen.

Beschwerden im 8-Jahres-Vergleich
Der 8-Jahresvergleich zeigt den kontinuierlichen Anstieg an Entscheidungen. Im Jahr 2022 wurden schließlich so viele Entscheidungen getroffen, wie nie zuvor. Auch der Blick auf
eingegangene Beschwerden zeigt, dass erst einmal in den vergangenen 8 Jahren ähnlich viele Beschwerden eingegeben und bearbeitet wurden. Abgesehen von einem zunehmenden
Arbeitsaufwand seitens der Geschäftsstelle wird dabei auch die steigende Bekanntheit der Selbstregulierungseinrichtung sowie das Vertrauen in den Werberat als kompetente Anlaufstelle deutlich.

„Die Sensibilität der Bevölkerung bei ethischen Fragen ist hoch wie nie zuvor, umso wichtiger ist ein gut funktionierendes System der Selbstregulierung. Die Beschwerdeführer fühlen sich mit ihren Anliegen verstanden und sind auch bereit andere Sichtweisen zu erkennen“, so Andrea Stoidl abschließend.

BEWERTEN SIE DIESEN ARTIKEL

TEILEN SIE DIESEN ARTIKEL