Die Serviceplan Group, die auch mit einem House of Communication in Wien vertreten ist, das von Sebastian Bayer geleitet wird, hat beim diesjährigen Cannes Lions International Festival of Creativity nicht nur 19 Löwen gewonnen – so viele wie nie zuvor in ihrer Geschichte –, sondern wurde auch als „Independent Network of the Year“ ausgezeichnet.
Alexander Schill, Global Chief Creative Officer, sieht darin vor allem eine Bestätigung für das Modell einer dezentral organisierten Agenturgruppe, die auf lokale Kulturen, Insights und eigenständige Houses of Communication setzt.
Im Gespräch mit medianet erklärt Alexander Schill,
warum kreative Exzellenz bei Serviceplan immer aus Vielfalt entsteht, wieso Vertrauen die wichtigste Basis für mutige Kampagnen ist – und wie Künstliche Intelligenz künftig Prozesse beschleunigen wird, aber den kreativen Funken aus dem Menschen nie ersetzen
wird können.
medianet: Herr Schill, die Serviceplan Group hat beim diesjährigen Cannes Lions International Festival of Creativity einen Rekord an 19 Löwen regelrecht abgeräumt. Außerdem wurden Sie als ‚Independent Network of the Year‘ ausgezeichnet. Welche Bedeutung hat das für Sie persönlich?
Alexander Schill: 19 Löwen ist das beste Ergebnis seit dem Bestehen der Agentur, das ist natürlich wahnsinnig schön. Besonders wichtig ist uns dabei aber die Auszeichnung ‚Independent Network of the Year‘. Wir wollen als globale Agenturgruppe wahrgenommen werden, und nicht als Einzelagentur. Die Auszeichnung stützt genau diese Positionierung.
Wobei wir das Wording ‚Network‘ nicht wirklich mögen. Wir sehen uns vielmehr als eine unabhängige Agenturgruppe mit aktuell 24 sehr eigenständigen Houses of Communication in unterschiedlichen Ländern – eines davon in Wien.
medianet: Warum ist Ihnen diese Unterscheidung so wichtig?
Schill: Weil wir als globale Agenturgruppe eine Alternative zu den großen, traditionellen Networks sind. Unser Vorteil ist dabei unsere dezentrale Aufstellung. Unsere Agenturen in den unterschiedlichen Ländern arbeiten sehr autark. Diese starken Einzelagenturen versuchen wir neben ihren lokalen Kunden auch globale Kunden zu vermitteln. Damit entsprechen wir dem Zeitgeist und dem Wunsch der Kunden: Lokale Kulturen und Insights nutzen, anstelle von zentraler Adaption von Vorgaben.
medianet: Spiegelt sich dieser dezentrale Anspruch auch in den Cannes-Löwen wider? Wenn man sich ansieht, welche Länder und Kategorien ausgezeichnet wurden, sieht man die breite Aufstellung Ihrer Agentur?
Schill: Die breite Fächerung der Arbeiten spiegelt die Art und Weise wider, wie wir an Aufgaben rangehen: Wenn wir ein Briefing bekommen, machen wir zuallererst einen ‚ÜberJam‘ – abgeleitet von unserem Mantra ‚ÜberCreativity‘.
In diesem Schritt bringen wir verschiedene Disziplinen, Kolleginnen und Kollegen aus unterschiedlichen Ländern und mit kulturellen Backgrounds zusammen an einen Tisch.
Bei einem gemeinsamen Brainstorming sammeln wir dann erste Eindrücke aus den unterschiedlichsten Perspektiven. Aus diesen gesammelten Eindrücken finden wir erste Ansätze zur Lösung der Aufgabe. Das muss dann auch nicht immer 1:1 der gestellten Erwartung im Briefing entsprechen.
medianet: Sie sprechen die beiden Schlagworte ‚ÜberJam‘ und ‚ÜberCreativity‘ an. Was konkret ist damit gemeint?
Schill: Unser Mantra ‚ÜberCreativity‘ heißt nicht, dass wir immer versuchen besser oder kreativer als andere zu sein, sondern dass wir aus unterschiedlichen Kulturen, Religionen, Gender und Disziplinen viele Perspektiven an einem Tisch zusammenbringen und dann die Herausforderung analysieren und diskutieren. Bei den Penny ‚Price Packs‘ zum Beispiel haben wir darüber diskutiert, ob eine Preiskampagne, wie im Briefing vorgesehen, wirklich die passende Lösung für den Kunden ist. Durch die verschiedenen Disziplinen an einem Tisch sind wir dann auf die Idee mit dem Packaging-Design gekommen. Das war auch für den Kunden ein völlig unerwarteter Angang an das Briefing.
medianet: Dafür braucht es als Agentur aber einerseits ein gewisses Standing, andererseits das Vertrauen des Kunden …
Schill: Natürlich, im Fall von Penny war das sehr mutig, hier mitzugehen. Wir haben mit der Kampagne zweieinhalb Millionen völlig neu gestaltete Produkte in alle Märkte in Deutschland gebracht. Eine gesunde Agentur-Kundenbeziehung ist da Grundvoraussetzung. Wenn der Kunde dann den Mut hat mitzugehen, kann das wahnsinnig erfolgreich werden. Wir haben das bei der ‚Price Packs‘-Kampagne gesehen, für die der Kunde ja auch branchenintern sehr viel positives Feedback bekommen hat.
medianet: Wie haben Sie Penny überzeugt, diesen mutigen Schritt zu gehen?
Schill: Mit Penny arbeiten wir bereits seit 13 Jahren zusammen. Selbst wenn die Besetzung auf Kundenseite wechselt, gibt es durch die lange Zusammenarbeit eine Vertrauensbasis – die hat in diesem Fall natürlich sehr geholfen.
medianet: Aber wie sieht das bei Neukunden aus?
Schill: Wenn wir einen Pitch bei einem Neukunden haben, nehmen wir natürlich nicht nur die waghalsigste Lösung mit, sondern präsentieren in erster Linie eine ‚normale‘ Lösung für das Briefing. Aber zugleich bringen wir auch gerne ungewöhnliche Zugänge mit, sei es eine TikTok-Kampagne, eine Social Media-Aktivität oder eine Media-Idee. Integriert mit unserer Schwesteragentur Mediaplus zu arbeiten,
ist hier enorm wichtig für uns.
medianet: Sie haben das positive Feedback auf ‚Price Packs‘ angesprochen. Was waren denn aus Ihrer Sicht die ausschlaggebenden Faktoren für die Auszeichnungen in Cannes?
Schill: Dass die Kampagne so irrsinnig einfach ist. Als ich den Vorschlag zum ersten Mal gesehen habe, wollte ich sofort recherchieren, ob das nicht schon jemand vor uns gemacht hat. Denn es liegt ja eigentlich sehr nahe: Wenn man günstige Preise kommunizieren will, dann schreibt man sie einfach auf die Verpackung drauf. Durch die reduzierte Aufmachung – kein Logo oder Claim, nur der Preis auf der Packung – ist die Kampagne auch sehr einprägsam.
medianet: Zurück zu den Neukunden: Was glauben Sie ist der Hauptgrund, dass Sie als Agenturgruppe den Vorzug gegenüber einem Netzwerk erhalten?
Schill: Ich denke es ist unsere Unabhängigkeit. Das ist quasi unsere Basispositionierung und heißt, dass alle Partner, die bei uns an einem Tisch sitzen, Anteile an ihrer jeweiligen Agentur oder an der gesamten Agenturgruppe haben. Dadurch sehen wir uns nicht so sehr als Manager, die nur einen Job erledigen, sondern als Miteigentümer und Unternehmer. Das schafft nicht nur eine hohe Identifikation, sondern auch mehr Motivation bei Pitches, weil man dadurch am Erfolg beteiligt ist.
medianet: Und darüber hinaus?
Schill: Wir haben das Glück, dass wir als Gruppe relativ groß sind und viele unterschiedliche Spezialistinnen und Spezialisten in unseren Houses of Communication vereinen. Wenn ich einen Designer brauche, muss ich nicht zu einer Designagentur gehen, sondern ich habe die Experten direkt um mich. Das vereinfacht die Arbeitsabläufe enorm.
medianet: Viel Know-how unter einem Dach bringt natürlich Vorteile. Was aber, wenn Sie ein Themengebiet nicht ausreichend abdecken können?
Schill: Wenn wir eine Disziplin nicht abdecken können, dann sind wir immer bereit, mit anderen Agenturen, egal ob aus unserer Agenturgruppe oder von außerhalb, zusammenzuarbeiten. Denn wir sind davon überzeugt, dass nicht ein Kreativteam oder eine Agentur immer die besten Lösungen hat, sondern dass diese durch Kollaborationen entstehen. Das Fundament von unserem Mantra ‚ÜberCreativity‘ ist die Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Spezialistinnen und Spezialisten aus anderen Disziplinen.
medianet: Sprechen wir noch über das Thema Künstliche Intelligenz. Wie verändert KI die Kreativbranche?
Schill: Ich bin sicher nicht der erste der das sagt, aber KI wird alles verändern und ist wahrscheinlich die größte Revolution seit langem.
Aber man muss stark trennen: Auf der einen Seite hilft die KI uns bei Workflows, zum Beispiel wenn wir Assets produzieren müssen, die in die Corporate Identity und das Corporate Design von Kunden auf der ganzen Welt passen müssen. Dafür kann man KI hervorragend nutzen.