Comeback der Wiener „Tonträger“-Geschäfte
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MARKETING & MEDIA Redaktion 15.02.2023

Comeback der Wiener „Tonträger“-Geschäfte

WK Wien: Schallplatten-Comeback als Chance für 30 Wiener Tonträgerhändler - Musik-Streaming dominiert, Vinyl-Schallplatte etabliert sich wieder.

WIEN. Wer das Tonträger-Geschäft für tot erklärt hat, lag falsch. Die Vinyl-Schallplatte entwickelt sich aktuell vom Nischenprodukt wieder zurück zum verlässlichen Marktsegment. Richard Winter, Sprecher der Wiener Tonträgerhändler der Wirtschaftskammer (WK) Wien sieht mit dem Aufwärtstrend Chancen für seine Branche: „Mit dem Revival der Vinyl-Schallplatten wurden einige neue ‚Record-Stores‘ eröffnet und beleben den Wiener Markt. Die Verkaufszahlen von Schallplatten sind mittlerweile wieder auf dem Niveau der 1990er Jahre.“

In Wien gibt es derzeit rund 30 spezialisierte Fachhändler, die physische Tonträger (Schallplatten, CDs) und teilweise auch Bildträger (DvDs) in ihren Geschäften zum Kauf anbieten. Von der Anzahl her sind es deutlich weniger als in den 1980er und 1990er-Jahren, dafür aber umso spezialisierter. Winter ist selbst Inhaber des seit 1924 bestehenden Bild- und Tonträgergeschäfts ‚Gramola‘ am Graben, das nächstes Jahr 100 Jahre besteht. Mit seinem Geschäft hat sich der Unternehmer auf Verkauf, Produktion und Vertrieb von CDs, DVDs und Vinyl-Schallplatten der klassischen Musik spezialisiert. „Im Klassik-Genre verkauft sich die CD nach wie vor als beliebter Tonträger, aber natürlich gibt es auch viele Schallplatten-Liebhaber. Ein wahres Revival erlebt die Vinyl-Schallplatte aber vor allem in der Pop- und Jazz-Musik“, erklärt er. „Neben den ‚All-time-burnern‘, etwa Nirvana, Queen, ABBA und Beatles, verkaufen sich auch Platten von Pop-Interpreten wie Billie Eillish oder Harry Styles sehr gut. Auch in der Hip-Hop-Szene liegt die Platte wieder voll im Trend.“

„Streaming, das ist jederzeit und überall konsumierbare Musik, aber es geht um den bewussten Kauf und Konsum von Musik. Die Nostalgie, das Retro-Gefühl und nicht zuletzt die Haptik spielen eine wichtige Rolle. Die Platte anzugreifen, zu sehen und zu hören sind unschlagbare Argumente für einen Besuch im Laden“, so Winter. Die Faszination hängt nicht am Alter: Vor allem junge Leute zwischen 15 und 35 Jahren, die nicht mehr mit Vinyl aufgewachsen sind, stöbern jetzt wieder im Plattenladen. Mit dem Albumcover und der schwarzen Scheibe darin ist die Schallplatte auch optisch eine Kunstform, vom Sound ganz zu schweigen.

Tonträger-Geschäfte sind Treffpunkt für Sammler und Musikinteressierte
„Im persönlichen Gespräch mit dem Händler finden viele Kunden ihre persönliche ‚Inselplatte‘ - also jene Platte, die sie mit auf eine einsame Insel nehmen würden“, erklärt der Branchensprecher. Die spezialisierten Läden bieten oftmals ein großes Repertoire an Tonträgern und überzeugen mit über Jahre aufgebautem Fachwissen. Viele Ladenbesitzer starteten selbst als Sammler, bevor sie das Unternehmen gründeten. Winter führt das Revival der Schallplatte am heimischen Markt nicht zuletzt auf den Weltmarktführer unter den Plattenspielerhersteller zurück: Pro-Ject Audio System, ein österreichisches Unternehmen, das sehr erfolgreich international verkauft. Auch viele Presswerke sind auf lange Zeit ausgebucht, da die Nachfrage stark gestiegen ist. „In den USA werden seit zwei Jahren sogar mehr Schallplatten als CDs verkauft“, berichtet Winter. Auch in Österreich zeigt die Vinyl-Fieberkurve, die vor rund 10 Jahren ansetzte, in dieselbe Richtung. Die österreichischen Unternehmen haben den Aufwärtstrend der Schallplatte erkannt und profitieren heute davon.

Vinyl-Schallplatten: Verkauf auf Niveau der 1990er Jahre
„2021 wurden österreichweit 400.000 Vinyl-Schallplatten verkauft – so viele wie zuletzt vor 30 Jahren“, so Winter. Die Umsätze haben die 10.000 Millionen Euro Schwelle überschritten und sind von 2020 auf 2021 um 12 Prozent gestiegen. Damit schafft es die Vinyl-Schallplatte trotz der anhaltenden Streaming-Erfolgsstory auf einen Marktanteil von 6,4 Prozent. Neben den spezialisierten Fachhändlern werden Tonträger vor allem im Online-Handel oder über große Filialisten verkauft.

Bei der CD, die im Vergleich zur Schallplatte zwar einen höheren Umsatz (2021: 24,4 Millionen Euro) und höheren Markanteil besitzt, zeigt sich ein aktuell ein Rückgang bei den Verkaufszahlen. Dies wirkt sich gravierend auf die Gesamtumsätze am österreichischen Musikmarkt aus. Nicht zuletzt ist der heimische Musikmarkt von stark wachsenden Streaming-Umsätzen geprägt (2021: 117,4 Millionen Euro). Im Jahr 2021 wurde ein Umsatz von rund 37,2 Millionen Euro mit CDs, DVDs und Schallplatten erwirtschaftet. 2010 waren es noch 140 Millionen Euro.

Dass sich Vinyl als physischer Tonträger trotz der Streaming-Erfolgsstory dennoch auf dem Markt halten kann, spricht für sich. „Während die heimischen Tonträger-Händler von der Verlagerung des Musikvertriebs auf digitale und global anbietende Streaming-Plattformen keine heimische Wertschöpfung schafft, bietet das Comeback der Vinyl-Schallplatte neue Chancen für den stationären Handel“, so Winter abschließend. (red)

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