Corona trifft Messen besonders heftig
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MARKETING & MEDIA Redaktion 27.03.2020

Corona trifft Messen besonders heftig

Umsatzausfälle aus dem Frühling lassen sich auch durch Terminverschiebungen nicht kompensieren.

••• Von Britta Biron

Für die Messebranche ist im Frühling normalerweise Hochkonjunktur, heuer dagegen herrscht Stillstand auf der ganzen Linie. Emsiges Treiben herrschte zuletzt einzig in der Messe Wien, die zum Ersatz-Krankenhaus mit 880 Betten umfunktioniert wurde.

Wie viele Messen, Kongresse und Tagungen dem Coronavirus in Österreich zum Opfer fallen, lässt sich derzeit noch nicht exakt beziffern. Auf der Website des Vienna Convention Bureau steht eine laufend aktualisierte, mittlerweile schon sehr lange Liste der abgesagten bzw. verschobenen Veranstaltungen in Wien zur Verfügung.

Massive Einbrüche …

Zurzeit ist auch noch nicht abzusehen, wie lange der Shutdown im Messe- und Eventbusiness dauern wird; entsprechend vage sind daher auch die Prognosen zu den wirtschaftlichen Schäden. Klar ist auf jeden Fall nur, dass sie massiv ausfallen werden. In einer ersten Analyse beziffert die Interessengemeinschaft der Messe- und Livemarketing SpezialistInnen (I.M. Austria) den Umsatzverlust allein bei Standmieten und direkten Messedienstleistungen im Zuge abgesagter Messen im März mit rund 67 Mio. €. Nicht einkalkuliert sind dabei Umsatzeinbußen durch Kongresse, Fachausstellungen, Firmenevents und Hausmessen, die bis auf Weiteres ebenfalls nicht stattfinden können. Weitere große Verluste seien für die heimischen Unternehmen im Zusammenhang mit Messen im Ausland zu erwarten.

… im In- und Ausland

Der Verband Internationaler Messen beziffert den weltweiten Schaden durch die Absage oder Verschiebung von Messen auf 14,4 Mrd. €, der Interessenverband der deutschen Messewirtschaft rechnet allein für Deutschland mit Verlusten in der Größenordnung von bis zu 3 Mrd. €.

„Bricht man das auf Österreich herunter, so sind Einbußen von zumindest 300 Mio. zu erwarten”, wagt Benedikt Binder-Krieglstein, CEO der Reed Exhibitions Österreich, eine vorläufige und grobe Schätzung.
Eingepreist sind da aber noch nicht die Umsätze, die die Aussteller auf den Messen generiert hätten, sowie der Verdienstentgang durch abgesagte Events in anderen Branchen wie z.B. der Hotellerie. Wie groß diese Side Effects sind, wird deutlich, wenn man bedenkt, dass im Vorjahr 228.000 Nächtigungen in Wien direkt auf Kongresse und Tagungen im Messe Wien Exhibition & Congress Center zurückzuführen sind. Auf Basis der Wiener Tagungsindustrie-Statistik ergibt dies einen Beitrag zum gesamtösterreichischen BIP von rund 143 Mio. €.
„Messe ist für die Wirtschaft unerlässlich. Es gibt kein anderes Marketinginstrument, das derart effektiv dabei ist, Unternehmen und deren Produkte in ihrer Breite und Tiefe über den persönlichen Kontakt zu präsentieren”, ist Binder-Krieglstein überzeugt.

Wenig Liquidität

Das Verschieben von Veranstaltungen auf spätere Termine entschärft die Situation nur bedingt. Weder reichen die räumlichen Kapazitäten, um parallel zu den Herbstmessen auch die entfallenen aus dem Frühling nachzuholen, noch können Aussteller und ihre Dienstleister – vom Messestandbauer, über Grafiker und Eventagenturen bis zum Dolmetscher – das doppelte Pensum personell oder zeitlich stemmen.

Erschwerend kommt hinzu, dass Umsatzrenditen und Eigenkapitalquoten der Messebauer und Eventdienstleister laut I.M. Austria unter dem Schnitt der mittelständischen Wirtschaft liegen und durch den hohen Spezialisierungsgrad eine rasche Adaption der Geschäftsmodelle auf andere Sektoren meist nicht möglich ist.
Selbst wenn der Messebetrieb ab dem Herbst wieder „normal” läuft, können die bisherigen Ausfälle sicherlich nicht zur Gänze kompensiert werden. Nach Ansicht von I.M. Austria seien die Defizite bereits jetzt so eklatant, dass es selbst für gut aufgestellte Betriebe schwierig sein wird, den aktuellen Stillstand in der Branche zu verkraften. Besonders kritisch sei – wie in anderen Branchen auch – natürlich die Lage der Kleinstunternehmen und EPU.

Hilfe ist notwendig

Zwar beurteilt die I.M. Austria die Hilfspaket der Regierung als grundsätzlich positiv, darüber hinaus seien aber spezifische Förderungen für die Branche notwendig. Neben der Stundung der Umsatzsteuer bis Jahresende mit anschließender Ratenzahlung wünscht man sich eine Subvention in Höhe von bis zu 10% des nachgewiesenen Vorjahresumsatzes. Spezifische Maßnahmen und Unterstützungen sind auch nach Meinung von Binder-Krieglstein notwendig, um sowohl die Messe- und Veranstaltungsbranche als auch die zahlreichen davon ihr abhängigen Unternehmen und Arbeitsplätze zu schützen.

Reed Heroes-Projekt

„Bis auf einen Krisenstab arbeiten wir alle im Homeoffice. Gleichzeitig haben wir mit dem Abbau von Überstunden und Urlaub begonnen, damit wir unsere Belegschaft zur Corona-Kurzarbeit anmelden können”, erklärt er. Verstärkt arbeite man an digitalen Tools. „Den Content unserer Kunden spielen wir über eine Vielzahl an digitalen Kanälen aus. Das kann eine Unternehmenspräsentation oder eine Produktvorstellung sein oder Hintergrund-Stories zu relevanten Themen. Und wir haben auf YouTube die Reed Heroes-Aktion gestartet, mit der wir jene Messeaussteller präsentieren wollen, die derzeit Außergewöhnliches für Österreich leisten.”

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