WIEN. Was esse ich zum Frühstück? In welches Outfit schlüpfe ich heute? Welche Musik höre ich heute auf dem Weg in die Arbeit? Wo kaufe ich den Coffee to go? Wir treffen tagtäglich Tausende Entscheidungen, 70 bis 95% davon verlaufen unterbewusst.
Was führt uns also zu unseren Kaufentscheidungen oder besser gesagt, woher wissen wir, was Kunden heute und morgen wirklich wollen?
Eine Sache vorweg: Das herauszufinden, ist nicht einfach, doch es beschäftigen sich viele Menschen damit.
Die Marketing Natives nahmen sich am Donnerstag, 24. Mai, des Themas „Neuromarketing – let’s think about thinking” an und hatten vier Speaker hierzu eingeladen. Die Thematik fand bei den Besuchern großen Anklang – die Räumlichkeiten von A1 waren jedenfalls mehr als voll besetzt.
Der größte Kaufantrieb
Den gelungenen und vor allem humorvollen Start machte an diesem Abend der Hirnforscher Hans-Georg Häusel. So erklärte dieser: „Unser Gehirn ist eine faule Sau – wir müssen den Kunden das Denken abnehmen.” Als größten Kaufantrieb benannte Häusel den sozialen Vergleich. So strebt der Mensch danach, sich von anderen durch besondere Produkte abzuheben.
Entscheidend sei auch der jeweilige Typ Mensch: Ein Hedonist wird durch andere Kaufknöpfe angesprochen als ein Disziplinierter. Wer mehr über seine persönliche limbische Persönlichkeitsstruktur herausfinden möchte, kann dies kostenlos unter www.haeusel.com/limbic-test/. Es gilt also, herauszufinden, welchen Typ Mensch ich ansprechen möchte; finde ich das heraus, werde ich auch erkennen, wie dieser anzusprechen ist. Häusel strich zudem den persönlichen Kontakt hervor: „Das ist das wichtigste.”
Veraltete Shops
Wie wichtig Neuromarketing für den Point of Sale sein kann, stellte Stefan Amon, Director Residential Sales A1, vor.
Täglich besuchen circa 20.000 Kunden die A1 Shops: „Wir müssen uns fragen, wie wir trotz der Digitalisierung diese 20.000 in unsere Shops bekommen.” Die A1 Shops seien aus dem Jahr 2004 und damit veraltet. Doch neue Stores sind eine kostspielige Angelegenheit, legte Amon dem Publikum nahe. So habe man früher einen Shop digital designen lassen und dann für viel Geld gekauft – erst nach dem Bau und der Einrichtung der Ladenfläche wurde deutlich, wo Platz verschwendet wurde, ein Tisch zu groß oder zu wenig Sitzgelegenheiten waren. A1 richtete seinen Blick also auf den Customer-Flow und die Customer Journey, hörte auf Mitarbeiter und wandte sich einem neuen Material zu: dem Papier. In einem 1:1 Maßstab baute man Shops vor. Kosten? Ein paar 100 Euro. „Wir haben gemeinsam mit Kunden, Mitarbeitern und Managern das Papier so zugeschnitten und verarbeitet, dass wir den Shop innerhalb von einem Tag eingerichtet hatten und so direkt testen konnten, ob das Design aufgeht.”
Wenn der Papierbau steht und keine Überraschungen mehr bereithält, wird der Shop gebaut: „Wir wissen, dass unser Shop funktioniert – jeder Quadratmeter funktioniert.”
Hasenöhrchen auf der Bühne
Kuschelig wurde es bei Karl Aschinger, Client Consultant IQ mobile: Er betrat mit Hasenohren auf dem Kopf die Bühne. Diese spiegelten seine emotionale Lage wider. Das Gerät, mit welchem die Hasenohren verbunden sind, ist ein Emotion Analyzer, der Gefühle wie Stress, Konzentration oder Interesse mithilfe von Gehirnwellen misst. Ganze 19 Jahre Forschung stecken in der Entwicklung dieses Geräts.
Vor allem in der Werbewirkung kann das Gerät eingesetzt werden und so die Einstellung einer Person zu einer Marke oder einem Produkt messen. Doch auch bei Befragungen kann der Analyzer genutzt werden und so noch mehr über die Emotion der Befragten in Erfahrung bringen.
Manipulationen?
Doch das Gerät kann noch mehr: Eingesetzt wird es beispielsweise bei mico. Das System ist in Kopfhörer verbaut und nimmt dem Nutzer die Songauswahl ab. Die mico App analysiert die Gehirnwellen des Trägers und sucht nach den Gefühlen dessen passende Musik aus. Auch in der Kommunikation mit Pflegebedürftigen kann das Gerät eingesetzt werden. Menschen, die nicht mehr in der Lage sind sprechen zu können, können sich durch die Messung ihrer Gehirnwellen verständlich machen. Auf die Frage aus dem Publikum, ob mit einer solche Konstruktion wie dem Emotion Analyzer nicht ein leichter Missbrauch von Daten und damit einhergehend Manipulation geschehen könnte, erklärte Aschinger: „Wir arbeiten im Marketing – natürlich versuchen wir, die Menschen in unsere Richtung zu manipulieren.”
Auch der letzte Speaker des Abends, Harald Doucha von der MMS Werbeagentur, erklärte: „Natürlich manipulieren wir, aber wir können uns entscheiden, für wen wir manipulieren.” Doucha ist Corporate Advisor und Partner bei Differentum Neuro Branding, einer Markenberatung. „Unser Fundament ist die Neurowissenschaft”, erklärte Doucha; „wir wollen Werbung machen, die verkauft und somit funktioniert.” Doucha ist auch Co-Autor des Buchs „95:5” und setzt sich in diesem unter anderem damit auseinander, dass 95% unserer Entscheidungen im Unterbewusstsein getroffen werden.
Grundsätzlich frage man sich bei MMS, wo sich eine Marke auf einer sogenannten Reward Map befindet – mit welchen Belohnungsmotiven eine Marke also verknüpft ist. So arbeitet man mit dem Konsumenten-Kopf und geht mit der Wissenschaft, erklärte Doucha lachend. „Ich möchte Ihnen noch drei wichtige Punkte mit auf Ihren Weg geben: Erstens, Menschen wollen belohnt werden, zweitens die Belohnung eines Kaufs muss den Schmerz überwiegen und drittens, rufen Sie mich an, falls Sie einen Kunden für uns haben.”
Im Anschluss an die Vorträge konnten die Marketing Natives den Abend entspannt ausklingen lassen – bei Drinks, Snacks und einem Buffet hieß es Networking, Networking, Networking. (gs)
Weitere Informationen rund um die Marketing Natives finden sich online unter:
www. marketingnatives.at