Das Internet ist keine Generationenfrage
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MARKETING & MEDIA Redaktion 20.06.2025

Das Internet ist keine Generationenfrage

Wie digital ist Österreich? Wie stehen wir zu KI? A1 hat kürzlich den D21-Digital-Index erstmalig auch nach Österreich geholt.

••• Von Dinko Fejzuli

Seit 2001 misst der D21-Digital-Index die Anpassungs- und Zukunftsfähigkeit der Digitalen Gesellschaft. Damit soll u.a. gemessen werden, inwiefern die Digitalisierung verschiedene Lebensbereiche bereits durchdrungen hat oder wie verschiedene Bevölkerungsgruppen mit dem digitalen Wandel Schritt halten können. A1 hat den D21-Digital-Index nun nach Österreich gebracht.

Die Ergebnisse zusammengefasst: Österreich erreicht bei der D21-Studie einen etwas höheren Wert als Deutschland bei der letzten Befragung. 94% der Befragten gaben hierzulande an, das Internet täglich zu nutzen. 56% der Österreicher verfügen über alle notwendigen digitalen Basiskompetenzen, wobei 36% angaben, einen ständigen Druck zu empfinden, mit der Digitalisierung Schritt zu halten. Dennoch meinen 60%, dass man technische Zusammenhänge im Digitalen verstehen muss und dass es künftig komplexere Fähigkeiten brauchen wird. Rund 62% der Befragten nutzen (zumindest selten) bewusst KI-Anwendungen.
medianet bat Natascha Kantauer-Gansch, A1 CCO Consumer, Stefanie Exel, Director Market Understanding bei Kantar, und Sandy Jahn, Strategic Insights & Analytics, Initiative D21, um ein Paar Antworten zum Index.


medianet:
Frau Kantauer-Gansch, der D21-Index misst unter anderem, wie gut die Bevölkerung mit dem digitalen Wandel Schritt hält. Wo sehen Sie die größten Herausforderungen für Konsumentinnen und Konsumenten in Österreich?
Natascha Kantauer-Gansch: Digitale Unerfahrenheit wird zunehmend zu einem gesellschaftlichen Nachteil. Über die Hälfte der Befragten hat bereits konkrete Nachteile durch fehlende digitale Kompetenzen erlebt. Besonders herausfordernd ist, dass viele Menschen sich digitale Fähigkeiten informell aneignen – nur 25% nutzen formale Bildungsangebote. Das birgt die Gefahr, dass jene, die keinen Zugang zu unterstützenden Netzwerken haben, zurückbleiben. Auch der empfundene Druck, mit der Digitalisierung Schritt halten zu müssen, betrifft rund ein Drittel der Bevölkerung. Hier braucht es gezielte Unterstützung, um digitale Resilienz aufzubauen und Ängste abzubauen.

medianet: Der Index untersucht auch die Anpassungs- und Zukunftsfähigkeit der Gesellschaft. Frau Exel, wie gut sind die Österreicherinnen und Österreicher im internationalen Vergleich aufgestellt, wenn es darum geht, mit den Anforderungen des digitalen Wandels umzugehen?
Stefanie Exel: Da wir diese Studie aktuell nur in Deutschland und in Österreich durchgeführt haben, können wir keinen umfassenden internationalen Vergleich anstellen. Die konkreten Vergleichsdaten für Deutschland werden im Oktober veröffentlicht. Wir wissen aber aus unserer bisherigen Digitalforschung aus der D-A-CH-Region, dass das Nutzungsniveau in Österreich tendenziell über dem der Deutschen liegt, die Österreicher also ein bisschen digitaler sind als die Deutschen.

medianet:
Gibt es bei den Ergebnissen für Österreich Auffälligkeiten?
Exel: Ja, was auffällt bei den österreichischen Ergebnissen, ist eine gewisse Skepsis bei der Digital-Thematik. So ist der Anteil an aufgeschlossenen Bevölkerungsteilen mit 43% etwas geringer als der Anteil an distanzierten Gruppen (57%). Die Grundstimmung ist also leicht von Skepsis geprägt. Die Einstellung ist aber in Bezug auf die Resilienz mindestens ebenso bedeutend wie die tatsächlichen Fähigkeiten, von daher würde ich sagen, hat Österreich hier noch etwas Aufholbedarf.

medianet:
Frau Jahn, was sind denn die zentralen Faktoren, die die Fähigkeit, mit dem digitalen Wandel umzugehen, in Österreich stärken – und wo liegen die größten Schwächen?
Sandy Jahn: Entscheidend ist, dass Menschen in der Lage sind, digitale Veränderungen nicht nur zu erdulden, sondern aktiv mitzugestalten. Dabei helfen zwei Dinge: digitale Basiskompetenzen und eine positive, zuversichtliche Grundhaltung gegenüber dem digitalen Wandel. In Deutschland zeigt der D21-Digital-Index: Wer diese Faktoren besitzt, gilt häufiger als resilient im digitalen Wandel, kann also besser mit diesem umgehen.

medianet:
Und in Österreich?
Jahn: Für Österreich gilt das Gleiche: Der Zugang zu digitalen Technologien ist eine Voraussetzung, reicht aber nicht aus. Mit der Digitalen Kompetenzoffensive (DKO) wird bereits in der Breite der Bevölkerung in den Ausbau digitaler Kompetenzen investiert. Aber genauso wichtig ist es, dass die Grundhaltung der Menschen gegenüber dem digitalen Wandel eine positive ist. Jeder Vierte fühlt sich oft mit der Digitalisierung allein gelassen, etwa genauso viele sind der Meinung, es wird zu viel digitalisiert und wir sollten wieder mehr offline machen. Die größte Schwäche liegt wie in Deutschland auch bei jenen Bevölkerungsgruppen, die durch Alter, Bildungsgrad oder Einkommen ohnehin benachteiligt sind. Gerade ältere Menschen, Menschen mit niedriger formaler Bildung oder mit geringen finanziellen Ressourcen drohen digital abgehängt zu werden, wenn sie nicht gezielt unterstützt werden.


medianet:
Die digitale Handlungskompetenz hängt also stark von Faktoren wie Bildung, Einkommen oder Alter. Was hat Sie hier am meisten überrascht?
Exel: ‚Nur' 56% der österreichischen Onliner beherrschen alle fünf Basiskompetenzen – das sind wirklich leichte Anforderungen aus allen fünf Kompetenzbereichen des DigComp frameworks der EU. Unter Menschen mit geringer formaler Bildung sind es aber nur 31%, bei Menschen mit hoher Bildung 63%. Diese Spreizung ist zwischen den Generationen bei Weitem nicht so groß.

medianet: Was fällt bei den Generationen auf?
Exel: Natürlich zuerst die starke Social Media Nutzung der Gen Z, die ist in höherem Alter deutlich geringer. Interessanterweise sind die Jüngsten aber nicht die resilientesten, der Resilienzindikator der GenZ liegt bei 57, bei allen älteren Generationen , liegt er zwischen 62% und 68%. Das hat mit Reflektion zu tun und einer gewissen Vorstellungskraft, was alles in dem Thema Digitalisierung drinsteckt. und sieht den Nutzen auch viel klarer. Aber sie empfinden eben auch einen stärkeren Druck und sind primär bei den Smartphone-Kompetenzen und digitaler Kollaboration fitter, weniger bei Textverarbeitung oder Sicherheitsthemen im Netz.

medianet:
Die Nutzung des Internets scheint also nicht mehr so stark eine Frage der Generation zu sein?
Kantauer-Gansch: Ja, denn die Unterschiede in der täglichen Nutzung zwischen Babyboomern und der Gen Z betragen nur 1%. Auch 80% der Traditionalisten nutzen das Internet – ein starkes Zeichen für die Durchdringung digitaler Technologien über alle Altersgruppen hinweg. Unterschiede zeigen sich jedoch bei der Nutzung von KI: Während 85% der Gen Z KI-Anwendungen nutzen, sind es bei der Nachkriegsgeneration nur 29%. Auch ein Gender-Gap ist erkennbar – Männer nutzen KI deutlich häufiger als Frauen. Diese Muster zeigen, wo gezielte Bildungs- und Informationsangebote ansetzen müssen.

medianet:
Zeigt sich die Kluft zwischen digitalen Möglichkeiten und tatsächlicher Nutzung etwa auch in bestimmten Lebensbereichen?
Exel: Die Österreicher sind im Behördenumfeld viel digitaler als die Deutschen, aber der größte Gap, den wir sehen, ist eigentlich im beruflichen Kontext: 79% der Berufstätigen glauben, dass es in 10 Jahren durch die Digitalisierung ganze Berufe oder Tätigkeiten nicht mehr geben wird, aber nur 37% denken, dass das ihre eigene Tätigkeit oder ihren Arbeitsplatz betreffen wird. Das ist ein gewisser Vogel-Strauß-Effekt, die Hoffnung, dass dieser Sturm an einem vorüber geht, wenn man nur die Augen davor verschließt. Lösung hier ist Flexibilität und Kompetenzaneignung, das findet aber noch zu wenig statt, den Schulen traut hier zum Beispiel nicht einmal die Hälfte zu, die richtigen Weichen zu stellen.

medianet:
Bleiben wir bei den Unterschieden zwischen Österreich und Deutschland: Wie hat sich der Umgang mit digitalen Anforderungen in Deutschland über die Jahre verändert – und lässt sich daraus eine Entwicklung ableiten, die auch für Österreich realistisch erscheint?
Jahn: Der D21-Digital-Index zeigt: Deutschland hat beim Zugang und bei der Nutzung digitaler Technologien in den letzten Jahren stetig Fortschritte gemacht. Gleichzeitig stagniert aber die digitale Resilienz, also die Fähigkeit, mit den wachsenden Anforderungen Schritt zu halten. Trotz stetig wachsender digitaler Möglichkeiten und neuer technologischer ­Innovationen fühlt sich ein Teil der Menschen überfordert, abgehängt oder zieht sich gleich ganz zurück. Die Spaltung zwischen digital aufgeschlossenen und digital distanzierten Gruppen ist eine ernstzunehmende Herausforderung für Gesellschaft und Wirtschaftsstandort gleichermaßen.

medianet:
Was bedeutet das für Österreich?
Jahn: Auch für Österreich ist das ein realistisches Szenario: Die technischen Möglichkeiten steigen, gleichzeitig wird der Umgang mit digitalen Systemen – sei es im Berufsleben, im Kontakt mit Behörden oder im Alltag – komplexer. Damit steigt auch der Druck auf Einzelne. Was für Deutschland gilt, ist auch eine zentrale Lehre für Österreich: Es braucht begleitende Maßnahmen, die gezielt Vertrauen aufbauen, digitale Kompetenzen stärken und den Menschen zeigen: ‚Du kannst das.' Und: ‚Es bringt dir etwas.' Besonders wichtig wird das bei Zukunftstechnologien wie KI, die schon jetzt viele Lebensbereiche durchdringen.

medianet:
Haben Sie aus Sicht der Initative D21 Empfehlungen, wie Politik, Wirtschaft und Bildung gezielt dazu beitragen können, digitale Teilhabe und Kompetenz in der Bevölkerung zu verbessern?
Jahn: Ja, drei Empfehlungen stehen besonders im Vordergrund. Erstens: Die Politik sollte digitale Bildung als zentrale Zukunftsinvestition begreifen. Die Initiative D21 empfiehlt, messbare Kompetenzziele entlang des EU-Rahmenwerks DigComp festzulegen. In unseren Augen ist ein solches Referenzmodell für deutsche Schulen, Erwachsenenbildung und Qualifizierungsprogramme sinnvoll – kombiniert mit regelmäßiger Erhebung des tatsächlichen Kompetenzstands. Mit seiner Digitalen Kompetenzoffensive ist Österreich hier auf dem richtigen Weg – weshalb wir eine solche Offensive auch für Deutschland fordern.

Zweitens: Unternehmen sind gefordert, ihre Mitarbeitenden fit für den digitalen Wandel zu machen. In Deutschland nutzen bislang nur rund 16% der Beschäftigten formale Weiterbildungen im digitalen Bereich. Hier braucht es gezielte Förderanreize, zeitliche Freiräume und eine bessere Bekanntheit von Angeboten. Vor allem die transformative Kraft von KI ist vielen Beschäftigten nicht bewusst, weshalb Führungskräfte aktiv gegen den sogenannten Vogel-Strauß-Effekt antreten müssen.


medianet:
Und drittens?
Jahn: Erfolgreiche Beispiele zeigen: Menschen lernen dann besonders gut, wenn sie den konkreten Nutzen digitaler Anwendungen im Alltag erleben – etwa durch Online-Terminvereinbarung bei Behörden, digitale Energiesparlösungen oder bessere Mobilitätsangebote. Wenn Digitalisierung als Erleichterung wahrgenommen wird, steigt auch die Bereitschaft, neue Kompetenzen zu erwerben und Technologien auszuprobieren.

Kurz gesagt: Bildung, Bewusstsein und Alltagstauglichkeit sind der Schlüssel zu digitaler Teilhabe – auch in Österreich.


medianet:
Frage zum Schluss: Frau Kantauer-Gansch, welche konkreten Maßnahmen setzt A1 bereits heute, um Menschen dabei zu unterstützen, digitale Kompetenzen aufzubauen oder auszubauen und welche Lehren ziehen Sie für A1 aus dem Index?
Kantauer-Gansch: Als A1 sehen wir es als unsere digitale Verantwortung, Menschen auf ihrem Weg in die digitale Welt zu begleiten. Deshalb investieren wir nicht nur in Infrastruktur, sondern auch in Bildung. Mit Initiativen wie dem A1 digital.campus, der A1 Seniorenakademie und kostenloser KI-Beratung in unseren Shops bieten wir niederschwellige Angebote für alle Altersgruppen.

Der D21-Index bestätigt uns darin, dass diese Maßnahmen notwendig und wirksam sind. Er zeigt aber auch, dass wir weiter daran arbeiten müssen, digitale Bildung breiter zu verankern – insbesondere durch formale Bildungsangebote und gezielte Unterstützung für jene, die sich bisher ausgeschlossen fühlen.

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