Das Parlament als Kasperltheater
MARKETING & MEDIA sabine bretschneider 22.03.2019

Das Parlament als Kasperltheater

Hat man sich eben von der Show in London erholt, beginnen in Straßburg die Proben.

Leitartikel ••• Von Sabine Bretschneider

KRAWUZI. Noch eine Woche bis zum EU-Austritt des Vereinigten Königreichs, vulgo Brexit. Also: vielleicht. Vielleicht auch nicht.

Im Mai 2016 hatte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker in rückblickend eindrucksvoller Klarsicht eine, nun ja, Warnung ausgesprochen: „Wenn die Briten Europa verlassen, müssen wir und sie die Schlussfolgerungen daraus ziehen. Das ist keine Drohung, aber unsere Beziehungen werden nicht mehr so sein wie vorher.” Am 23. Juni entschied sich die britische Bevölkerung im Rahmen einer Volksabstimmung, wenn auch knapp, dafür, den unfreundlichen Hort europäischer Solidarität zu verlassen. Und ja: Unsere Beziehungen werden nie wieder so sein wie vorher.
Die Begründer der parlamentarischen Demokratie haben mit einem monatelangen Kasperltheater diese Institution nachhaltig beschädigt. Die Demokratie, wohlgemerkt, nicht das Kasperltheater. Hans-Wurst-Stegreifkomödien und kindgerechtes Puppentheater können aus dem Schauspiel im House of Commons durchaus Anregungen beziehen.
Zurück zum Thema: Nach einer Studie der Bertelsmann Stiftung wäre Österreich, berichtet die APA, bei einem „Hard Brexit” deutlich „weniger von wirtschaftlichen Folgen betroffen als andere EU-Länder”. Demnach hätte Österreich beim Wohlstand nur 0,2 Prozent an Einbußen zu befürchten; bei der Produktivität würde das Minus sogar nur 0,062 Prozent betragen – und pro Kopf 83 Euro.

Hm. Was bei dieser knallharten Analyse der Konsequenzen eines sogenannten No Deal-Szenarios unter Umständen vergessen wurde, sind die geostrategischen Folgen für Europa als Wirtschaftsraum, die zu befürchtenden Folgen für Europa als Friedensprojekt, die Folgen für eine zunehmend fragile Union, die, bedrängt von rechtspopulistischen Parteien, erpressbarer wird für unverschämte Forderungen und Spielchen.

Der Umgang mit Orbans Fidesz-Partei könnte der Prolog für britische Verhältnisse im Europaparlament sein.

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