WIEN. Es gibt nur zwei Gründe, mit Vollgas auf der falschen Spur auf der Autobahn zu fahren. Entweder ist einem jedes Gesetz egal und man sieht sich selbst über dem Gesetz. Oder man hat die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren. Beides ist gesellschaftlich nicht akzeptiert. Im zweiten Fall drohen harte Sanktionen von Führerscheinentzug bis zur vollen Wucht des Strafrechts, wenn es zu einem Unfall kommt.
Die Regeln auf der europäischen Digital-Autobahn sind strenger als anderswo und die Leitplanken eng gesetzt, um alle Verkehrsteilnehmer zu schützen: User, Werbetreibende und die Gesellschaft als Ganzes. Rechtliche Vorgaben wie die Verordnung über Transparenz und Zielgruppenansprache (TTPA) oder der Digital Services Act (DSA) der EU sind Weiterentwicklungen der digitalen Verkehrsordnung, um alle Teilnehmer unter neuen Bedingungen zu schützen.
Verkehrsteilnehmer Meta – mit seinen Plattformen Facebook, Instagram und WhatsApp – zählt zu den größten und scheint ein latentes Problem mit den Regeln zu haben. Die Anforderungen der Europäischen Union hinsichtlich politischer Werbung sind nicht komplex: Sie muss klar gekennzeichnet werden und Auftraggeber sind transparent offenzulegen. Das mutet auf den ersten Blick ähnlich schwierig an, wie eine Warnweste bei sich zu führen.
Will Meta diese Warnweste einfach nicht? Das folgt der traditionellen Haltung des Digitalgiganten, Gesetze als Einschnitt der Meinungsfreiheit und böswillige Zensur einzustufen. Oder – was noch viel schlimmer wäre - ist Meta nicht in der Lage die Warnweste vorschriftsgemäß mitzuführen und anzulegen?
Um beim Beispiel des Straßenverkehrs zu bleiben: Es entsteht der Eindruck, dass Meta als notorischer „Raser“ unter totalem Kontrollverlust leidet. Im Rausch der Geschwindigkeit befeuern Algorithmen demokratiegefährdende, diskriminierende oder rassistische Inhalte, um immer noch schneller als die europäischen Verkehrsteilnehmer zu werden und diese von der Straße zu verdrängen. Dahinter entsteht eine dunkle, toxische Rauchwolke, unter der viele andere leiden: riskante Umfelder, gefährliche Inhalte, gesellschaftliche Spaltung, Polarisierung, Extremismus.
Persönlich fällt es jedem sehr leicht, sich ein Urteil zu bilden, ob er bei einem Geisterfahrer gegen Bezahlung einsteigen würde, weil die Gefahren des Handelns bewusst sind. Diese Frage müssen sich Werbetreibende angesichts des totalen Kontrollverlusts über die Inhalte bei Meta ernsthaft stellen. Möchten sie ihre Botschaften direkt in ein Umfeld schicken, in dem Brand Safety nicht vorhanden und das Umfeld mitunter toxisch für die eigene Botschaft ist? Wollen Sie einen Verkehrsteilnehmer weiter unterstützen, der sich nicht an die Regeln halten kann oder will? Jedenfalls trifft das Problem, das Meta hat, nicht nur auf einen Autobahnabschnitt – in diesem Fall die politische Werbung – zu, sondern auf alle Werbekampagnen die in den sozialen Netzwerken geschalten werden.
Das Aus für politische Werbung ist nur ein Beispiel für den Kontrollverlust oder aber die Ignoranz von Meta. Es muss uns zu denken geben und zur Diskussion anregen.
