••• Von Sabine Bretschneider
Seit den 1960ern betreibt der in New York beheimatete Kosmetikkonzern eine offizielle Repräsentanz in Österreich. Zuerst wurde „Estée Lauder” am heimischen Markt positioniert, dann folgten kurze Zeit später „Clinique” und der Herrenduftklassiker „Aramis”. Heute vertritt Estée Lauder in Österreich eine Range von insgesamt zwölf Marken. Zu den Besonderheiten des heimischen Marktes und der Positionierung globaler Brands sprach medianet mit Marion Pelzel, Brand General Manager Estée Lauder und Tom Ford Österreich.
medianet: Es gibt seit einigen Jahren mit den Social Media völlig neue Mechanismen im Marketing. Wie geht Estée Lauder damit um?
Marion Pelzel: Wir wollen eine gute Balance finden zwischen den klassischen Medien – das ist in unserem Bereich Print –, und Social Media, wo wir die höchsten Zuwachsraten haben. Das heißt: Bei uns wird der klassische Omnichannel-Ansatz gelebt. Wir beobachten das Medienverhalten ganz genau, denn heutzutage einen Jahresplan zu machen, ist gut und schön, aber die Dinge verändern sich inzwischen so rasch, dass wir immer wach sein müssen, damit wir so gut wie möglich – und so nah wie möglich – an der Endverbraucherin sind.
medianet: Wie kommt man hinsichtlich der heutigen Vielfalt an möglichen Kanälen an die Konsumentin?
Pelzel: Die emotionale Nähe zu unserer Endverbraucherin zu finden, das ist heutzutage das Um und Auf. Für mich ist immer das beste Beispiel die Autobranche: Ich kann mich an keinen aktuellen Spot oder Markenauftritt erinnern, in dem es nicht zu 99 Prozent um Emotionen geht. Die großen Gefühle ins Spiel zu bringen, das braucht man, um für eine Marke zu begeistern. Und das ist auch der große Vorteil von Social Media – diese Interaktion mit der Endverbraucherin, der Dialog.
Wir haben immer schon den Handel als Partner gehabt und jetzt können wir zusätzlich als Marke direkt mit dem Endverbraucher kommunizieren. Das heißt, mit diesen Tools ist das ganze 360 Grad-Bild möglich.
medianet: Wie ist heute Ihr Marketingbudget allokiert? Wie viel fließt davon in klassische Medien, wie viel in die neuen interaktiven Elemente?
Pelzel: Bei der Marke Estée Lauder ist es ca. ein Drittel Print und zwei Drittel digital – aber im weitesten Sinne, sowohl in Form von Digital Advertising, als Influencer Marketing und natürlich auch in Form von diversen Aktivitäten im Bereich von Social Media, die wir primär inhouse betreiben. Klassische TV-Werbung machen wir in Österreich derzeit nicht.
medianet: Zwei Drittel digital, das ist ein hoher Anteil – in Österreich liegen wir derzeit bei 30 Prozent, etwa 50 Prozent sind es international … Hat die Beautyindustrie mehr Erfolg mit digitalen Responsekanälen?
Pelzel: Es hängt damit zusammen, dass wir als Company sehr serviceorientiert sind. Unser Credo ist nach wie vor: Service. Service, das inzwischen auf verschiedenen Kanälen stattfindet, nicht nur Face-to-Face, sondern auch in Form von ‚How-to-Videos'.
Wir haben Hunderte Videos auf YouTube – zur Information und zur Orientierung, welche Trends gerade stattfinden. Das entspricht auch einer Serviceleistung, die der Konsument quasi vor Ort erleben kann. Diese Videos stellen unsere internationalen Markenverantwortlichen zur Verfügung, kombiniert wird es mit regionalen Initiativen. Eine asiatische Konsumentin hat andere Bedürfnisse als eine europäische.
Natürlich kooperieren wir auf lokaler Ebene auch mit Bloggern und Influencern; sie sind eine Art Popstars unserer Zeit, Phänomene einer Lifestylegeneration, Abbilder dieser Generation Selfie, die so gut wie möglich auf den Social Media aussehen will.
Wenn etwa eine unserer Mega-Influencerinnen wie Kendall Jenner etwas postet, dann ist das in kürzester Zeit eine globale Geschichte …
Ein anderes Beispiel: Eine bekannte Bloggerin in China hat gepostet, sie liebe einen ganz bestimmten Lippenstift von Tom Ford. Es ist kein Tag vergangen, da haben chinesische Touristinnen den Tom Ford-Counter in der Wiener City gestürmt und diesen Lippenstift mehr oder weniger aufgekauft.
medianet: Zurück zu Ihrer Budgetaufteilung: Wozu braucht man das restliche, ‚klassische' Drittel noch?
Pelzel: So großartig der Digitalbereich ist, aber hier werden die Bilder oft nur Sekundenbruchteile lang wahrgenommen. Hat man in Print ein gutes Sujet, dann verweilt das Auge natürlich länger darauf. Das ist Imagepflege und Interaktion mit den Kunden. Und ein weiterer Riesenvorteil von Print: Wir können auch Produkte zum Test anbieten, Proben, Sachets von Pflege, Foundation, Duft … Haptik ist in unserer Branche auch ein großes Thema.
medianet: Wieso verzichtet Estée Lauder in Österreich auf TV?
Pelzel: In der Vergangenheit haben wir auch TV genutzt und tun das in großen Ländern immer noch. In Österreich haben wir erkannt, dass es sich für die Marke Estée Lauder schlicht nicht rechnet.
Wir transportieren das Image der Marke nicht nur über Print, sondern auch am PoS, mittels der Shop-in-Shop-Konzepte oder in eigenen Shops. Unsere Mitarbeiter, unsere Beauty Advisors, jene, die tagtäglich servicieren, sind ebenfalls als Influencer aktiv, die aus ihrer Arbeit heraus posten und informieren.
medianet: Welche Agenturleistungen braucht ein Unternehmen wie Estée Lauder heutzutage?
Pelzel: Auf regionaler Ebene ist uns ganz wichtig, dass eine Agentur gut mit Content umgehen kann. Die Menschen wollen Geschichten lesen, sehen und hören – und mit dieser Thematik muss man professionell umgehen können. Contentmarketing ist sehr wichtig, wir haben dazu auch inhouse sehr viel Kompetenz aufgebaut, damit jeweils die Sprache der jeweiligen Marke gesprochen wird. So wie jeder Handelskanal immer noch seine Berechtigung hat, hat es auch jeder Kommunikationskanal. Wie bereits erwähnt, stehen – immer und ausnahmslos – die Bedürfnisse der Endverbraucherinnen im Zentrum unserer Aktivitäten.