„Die Reichweiten sind noch immer hoch“
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MARKETING & MEDIA Redaktion 27.06.2025

„Die Reichweiten sind noch immer hoch“

VÖZ-Geschäftsführer Gerald Grünberger und VÖZ-Präsident Max Dasch im großen Branchen-Talk.

Donnerstag dieser Woche rief der Verband der Österreichischer Zeitungen (VÖZ) zu seiner Generalversammlung. medianet nahm dies zum Anlass und bat Maximilian Dasch, CEO der Salzburger Nachrichten und VÖZ-Präsident, und Gerald Grünberger, Geschäftsführer des VÖZ, zum Interview über die Vorhaben und aktuellen Themen des Verbands, aber auch über die aktuelle Situation der heimischen Medien.

medianet: Herr Dasch, die aktuelle Bundesregierung ist nun etwas mehr als 100 Tage im Amt. Wie bewerten Sie, als Präsident des Verbands der österreichischen Zeitungen (VÖZ), die bisherige medienpolitische Arbeit der ÖVP-SPÖ-Neos-Koalition?
Maximilian Dasch: Unser medienpolitisches Programm ist klar skizziert und glücklicherweise finden sich einige unser Anliegen im medienpolitischen Programm der Bundesregierung. Wir begrüßen die Richtung, die mit der Förderung der analogen Vertriebsförderung eingeschlagen wurde, da wir insbesondere im ländlichen Raum in der flächendeckenden Zeitungszustellung zunehmend unter Druck geraten. Zugleich sehen wir, angesichts der voranschreitenden Digitalisierung, einen Bedarf, professionellen Journalismus stärker an die jungen Zielgruppen heranzutragen. Es freut uns, dass die Bundesregierung auch hier mit dem ‚Meine-Zeitung-Abo‘ Akzente setzen möchte.

medianet: Warum ist gerade die Zeitungszustellung ein wesent­licher Punkt in ihrem Programm und warum sieht auch die Bundesregierung hier Handlungs­bedarf?
Gerald Grünberger: Es geht hier konkret um die adressierte Hauszustellung in der Früh, also um die Vermittlung von relevanten Informationen und somit um einen Beitrag im Sinne unserer Demokratie. Hier hat Vizekanzler und Medienminister Andreas Babler richtig erkannt, dass eine wesentliche Bevölkerungsgruppe nach wie vor die Print-Zeitungen nach Hause zugestellt bekommen möchte. Die Zustellungswege in entlegeneren Regionen, aus denen immer mehr Menschen ab­wandern, werden auch aus Kostengründen schwerer zu bedienen.
Dasch: Natürlich, die tägliche Frühzustellung von Zeitungen unterstützt Menschen in ihren gewohnten Tagesabläufen, denn so können sie noch vor der Arbeit ihre Abozeitungen lesen und sich entsprechend informieren. Eine spätere Zustellung ist für viele Abonnenten ein Grund, die Zeitung abzubestellen oder auf eine andere Abonnement-Art, zum Beispiel rein auf das Wochenende, umzusteigen.

medianet: Also ist die politische Unterstützung im Vertrieb nicht nur eine wirtschaftliche Frage, sondern auch eine gesellschafts- und demokratiepolitische Frage?
Dasch: Ja, denn es gilt, das bestehende, funktionierende System unserer analogen Medienwelt weiter zu unterstützen. Im internationalen Vergleich sind die Reichweiten gedruckter Zeitungen in Österreich nach wie vor hoch – dies gilt es im besten Fall zu halten. Die Vertriebsförderung der Bundesregierung ist für mich daher ein klares Bekenntnis für den Medienstandort und die Rolle von professionellen Medien und Journalismus in Österreich.

medianet: Stichwort professioneller Journalismus: Der Umgang mancher Medien mit den Ereignissen Graz vor zwei Wochen war nicht immer von Professionalität. Wie blicken Sie in diesem Zusammenhang auf die Ereignisse?
Grünberger: Es hat zwar auch in den ‚traditionellen‘ Medien Fehltritte im medienethischen Sinne gegeben, jedoch wurden über Social Media viele Inhalte geteilt, die keinen medienethischen Standards entsprechen und auch keinerlei redaktioneller Verantwortung oder Kontrolle unterliegen.

medianet: Die Regierung will nun überlegen, den Social Media-Zugang mittels Altersbegrenzung zu beschränken, etwa durch Koppelung an die ID Austria. Wie stehen Sie zu dem Vorschlag?
Dasch: Ich glaube, die Debatte darüber ist sehr wichtig, unabhängig davon, wie ein konkretes Reglement aussehen könnte. Wir setzten im analogen Umfeld Zutrittsbarrieren für Kinder viel strenger um als im digitalen Umfeld, dabei braucht es gerade bei den großen Plattformen eine klarere Handhabe, wie man Kinder vor nicht jugendfreien Inhalten schützt.
Grünberger: Die großen Plattformen entziehen sich hier der Verantwortung, da sie sich nach wie vor auf das sogenannte Hoste-Provider-Privileg berufen und argumentieren, dass es sich um User-Generated-Content handelt. Es muss aber bei solchen Fällen eine Verantwortung der Plattformen, die als Mediendienste zu beurteilen sind, geben und man sollte auf europäischer Ebene nachschärfen – auch wenn Zugangsbeschränkungen eine Gratwanderung zwischen verantwortungsvollem Umgang und Meinungsfreiheit darstellen.

medianet: Sie bewegen sich viel auf europäischer Ebene. Wie ist Ihr Eindruck – ist der Wille dazu da?
Grünberger: In Europa wird etwa in Frankreich über Alters-Zugangsbeschränkungen debattiert und es wird immer deutlicher, dass diese Plattformen, egal, ob sie aus den USA oder China kommen, einen großen Einfluss auf uns haben. Zum einen gibt es gesellschaftliche Effekte wie Polarisierung und Verrohung der Sprache, zum anderen aber auch wirtschaftliche, weil ein erheblicher Teil der Kaufkraft aus europäischen Ländern abfließt. Der Wille ist da, aber ich glaube, dass die Frage nicht alleine in Europa zu beantworten ist, sondern auch in den USA und darüber hinaus, denn auch dort kann man Auswirkungen auf die Gesellschaft beobachten.

medianet: Sprechen wir noch kurz über ihr zweites großes Themenfeld, das ‚Meine-Zeitung-Abo‘. Welche konkreten Hoffnungen setzen Sie in die Initiative?
Dasch: Allen voran, dass man der jungen Zielgruppe ermöglicht, österreichische Medienangebote niederschwellig in ihrer Lebenswelt zu konsumieren. Durch die Etablierung von Paywalls und Digital-Abomodellen ist eine Barriere für die junge Zielgruppe entstanden. Mit dem ‚Meine-Zeitung-Abo‘ sollen die bestehenden professionellen journalistischen Angebote wieder besser vermittelt werden. Und natürlich soll damit auch ein wesentlicher Beitrag zur Medienkompetenzvermittlung geleistet werden – das ‚Meine-Zeitung-Abo‘ soll die nächste Generation Medien-fit machen.

medianet: Kommen wir zum Werbemarkt: Kürzlich wurde die Initiative ‚Made in Aus­tria – Made for Austria‘ von
VÖZ, VÖP und ORF gestartet, die Bedeutung und Nutzen heimischer Medien für die Kommunikation und den Wirtschaftsstandort Österreich betont. Wie schwierig war es, hier zu dritt zusammenzufinden?
Dasch: Angesichts der aktuellen Herausforderungen auf dem Werbemarkt hat es hier in den vergangenen Monaten eine sukzessive Annäherung gegeben. Denn trotz aller Unterschiede sitzen wir alle im selben Boot. Gemeinsam vertreten wir den professionellen Journalismus in Österreich und deshalb wollten wir das als österreichische Werbemedien gemeinsam in einer Kampagne in den Mittelpunkt rücken. Und wir haben die Argumente auf unserer Seite: Wir wissen aus der Marktforschung, dass österreichische Medien beim Publikum ein hohes Vertrauen genießen, und dass in diesem Umfeld die Sicherheit der Botschaften und Marken garantiert ist.

medianet: Und warum genau zu diesem Zeitpunkt?
Grünberger: Natürlich hätten wir das auch schon vergangenes Jahr machen können, aber jetzt ist es in Österreich wirklich ernst. Wir befinden uns im dritten Jahr einer Rezession und seit 2023 nehmen die großen Plattformen in Österreich mehr Geld ein als alle klassischen Medien zusammen. Daher die Botschaft: Wir müssen diesen Weg gemeinsam gehen, im Sinne des heimischen Medienstandorts.

medianet: Wie erklären Sie sich – trotz Ihrer einleuchtenden Botschaft – die ambivalente Haltung der werbetreibenden Wirtschaft, die dann lieber trotzdem bei den großen Plattformen Werbung schaltet?
Grünberger: Wenn man Österreich isoliert betrachtet, ergibt das tatsächlich keinen Sinn. Aber man muss den größeren Kontext sehen: Die großen Plattformen haben mit ihrer unglaublichen Menge an Inventar einen anderen Hebel als kleine, regionale Medien. Dadurch können sie auf den Werbepreis Druck machen – im Prinzip ist das ein Skaleneffekt, der hier stattfindet.
Dasch: Dazu kommt noch die programmatische Buchung, durch die die Ausarbeitung von Media- oder Kampagnenplänen einfacher ist. Wobei man schon sagen muss: Wenn ich eine maßgeschneiderte Werbelösung möchte, die den maximalen Effekt erzielt, dann ist das logischerweise mit einem gewissen Aufwand verbunden.

medianet: Noch dazu kann durch die Werbung in österreichischen Medien eine passende Platzierung der Werbung gewährleistet werden, Stichwort Ad Fraud …
Grünberger: Der Traffic vieler Plattformen besteht zum überwiegenden Anteil aus Non-Human-Traffic, also Bots oder Algorithmen. Bei der Werbung wird zu stark auf den Preis geachtet, und nicht auf die Ausspielung. Über die österreichischen Medienmarken erreichen wir Menschen, keine Bots oder Algorithmen.

medianet: Kommen wir noch einmal zurück zum ORF: Der VÖZ kritisiert immer wieder dessen Macht. Wie stehen Sie nun – angesichts der gemeinsamen Initiative – zu den Forderungen nach Beschneidung?
Dasch: Es ging uns nie darum, den ORF zu beschneiden oder auszuhungern, sondern darum, eine faire Wettbewerbssituation zu schaffen. Mit dem ORF haben wir auf dem digitalen Lesermarkt einen sehr starken Mitbewerber, der, gefühlt zum Nullkosten-Preis und ohne Registrierung oder Login, ein großes textbasiertes Nachrichtenangebot online anbietet. Wir hingegen müssen unsere Paywalls und Digitalabos hochpreisig verkaufen – wenngleich laut dem jüngsten Digital News Report die Zahlungsbereitschaft für Online-News wieder steigt.
Grünberger: Dennoch gilt: Solange es ein gefühltes Gratisangebot gibt, werden viele Menschen dorthin ausweichen – zumal der ORF ja ein sehr umfangreiches Angebot zur Verfügung stellt.

medianet: Frage zum Schluss: Herr Dasch, Sie sind nun ein Jahr VÖZ-Präsident. Welche persönliche Bilanz ziehen Sie bisher, und wie soll es weitergehen?
Dasch: Ich denke, dass wir als VÖZ in den letzten zwölf Monaten die Positionen in unserem medienpolitischen Programm gut vermitteln konnten. Außerdem sind wir als Verband einheitlich aufgetreten, als eine starke Stimme für die Branche. Zugleich haben wir die Kooperation mit anderen Verbänden und dem ORF gesucht. Das alles verbuchen wir als Erfolg und daran möchten wir anknüpfen und weiterarbeiten. In den kommenden Monaten und Jahren werden wir weiterhin darauf hinweisen, woran wir tagtäglich arbeiten: professionellen Journalismus flächendeckend zu gewährleisten.

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