••• Von Gianna Schöneich
Als Kind wollte Fritz Jergitsch Pilot werden. Hoch hinaus geht es jetzt mit seinem Satireportal „Die Tagespresse”. Auf Hackerangriffe folgte eine Zitation durch The Guardian. Am 19. September wird ein weiteres Projekt gestartet, wenn „Tagespresse aktuell” bei ORF eins auf Sendung geht. Jeden Dienstag nach „Willkommen Österreich”, gegen 23 Uhr, soll das Land mit Fake News versorgt werden.
Geplant seien vorerst zwölf Episoden zu jeweils 20 bis 25 Minuten; bei erfreulichen Quoten werden mehr produziert. Es ist nicht die erste Bühnenerfahrung der ‚Tagespresse' – die ‚Tagespresse Show' im Rabenhoftheater in Wien findet regelmäßig statt. Dabei steht Jergitsch nicht selbst auf der Bühne, sondern Ö1 Radioredakteur Paul Kraker. „Ich bin nicht sehr gerne auf der Bühne. Ich habe weder Erfahrung, noch das Talent oder die Freude dafür”, erklärte Jergitsch im Interview mit medianet.
medianet: Herr Jergitsch, mit 22 Jahren haben Sie das Projekt ‚Tagespresse' gestartet. Jetzt sind Sie 26 und haben ab Herbst eine eigene Sendung im ORF – wie ist die Gefühlslage?
Fritz Jergitsch: Wir freuen uns sehr darauf. Für uns ist es die große Comedy-Chance sozusagen. Für alle, die in Österreich in diesem Bereich arbeiten, ist eine Sendung im ORF das Nonplusultra. Wir werden alles daran setzen, dass die Sendung ein Erfolg wird.
medianet: Sie konnten sich in letzter Zeit auch mit Hackerangriff und Zitation durch den Guardian einen Namen machen.
Jergitsch: Richtig. Wir hatten Artikel über das Türkeireferendum veröffentlich. Plötzlich war die Seite nicht mehr erreichbar, und es stellte sich heraus, dass es einen Angriff auf die Seite gab. Ich gehe davon aus, dass ein Erdogan-Sympathisant zugange war. Wir haben das natürlich zu unserem Vorteil genutzt – wir haben geschrieben, Erdogan hätte uns attackiert, danke für die Medienaufmerksamkeit. Wir hatten extrem viele Klicks im Rahmen der Berichterstattung. Es hat uns also genutzt.
medianet: Sie haben das Portal gestartet, und recht schnell ist etwas Großes daraus geworden. Damit war allerdings zu rechnen, wenn man sich das deutsche Pendant ‚Der Postillon' ansieht.
Jergitsch: Ich habe natürlich gemerkt, dass in Österreich etwas wie der ‚Postillon' in Deutschland fehlt. Mein Anspruch war auch, so etwas wie den Postillon in Österreich zu etablieren. Ich wollte es auch immer richtig machen – ich hätte nur nicht gedacht, dass es so gut funktioniert. Es ist wie Lotto spielen: Man spielt und ist dann doch überrascht, wenn man gewinnt.
medianet: Die ‚Tagespresse' hat auf Facebook rund 350.000 Likes. Wer ist die Zielgruppe?
Jergitsch: Jüngere, politisch interessierte Menschen aus Städten. 50 Prozent unserer gesamten Klicks kommen aus Wien, zehn Prozent aus Deutschland.
medianet: Kann Satire bilden?
Jergitsch: Ich glaube, mit Bildung hat es wenig zu tun. Ich denke, Satire kann Informationen übertragen. Wenn wir schreiben, Werner Faymann wird Schaffner bei den ÖBB, hat das zunächst keinen Informationswert, aber die Botschaft dahinter kommt an – nämlich, dass Faymann kein geeigneter Kanzler ist. Das ist die Grundbotschaft. Ich glaube, Satire ist ein gutes Werkzeug, um kritische Messages an viele Leute zu verbreiten.
medianet: Viele Menschen verstehen die ‚Tagespresse' aber auch nicht?
Jergitsch: Die Verwirrung ist bewusst gesetzt. Wir wollen zeigen, wie nah Realität und Satire sich mittlerweile sind – man kann sie kaum noch unterscheiden. Aber es ist auch so: Eine Satireseite wäre nicht lustig, wenn sie sich die ‚lustigesatireseite.com' nennt. Es muss ernst rüberkommen. Die ‚Tagespresse' sieht ernst aus, deswegen fallen viele auf sie herein. Das wird aber immer seltener.
medianet: Was war der verrückteste Kommentar?
Jergitsch: Ich greife mir oft an den Kopf. Einmal haben wir geschrieben, die WKO fordert ein Verbot von selbst gebastelten Weihnachtsgeschenken, denn diese würden dem Handel schaden. Dann haben wir eine böse E-Mail bekommen vom Prokuristen eines Bastelgeschäfts. Er hat geschrieben, Satire – schön und gut, aber nicht gegen Bastelgeschäfte; das verdirbt ihm die Weihnachtsstimmung. Auf so etwas antworte ich nicht – so würde ich nur meine und seine Zeit verschwenden.
medianet: Wer ist Ihr Vorbild?
Jergitsch: Wolfgang Fellner, Österreich (lacht). Der ‚Postillon', eindeutig. Für das österreichische Publikum muss man allerdings einen ganz anderen Humor nutzen.
medianet: Sie finanzieren sich über Werbung wie Werbebanner und Sponsored Content. Wie viele Menschen leben von der ‚Tagespresse'?
Jergitsch: Ich mache die ‚Tagespresse' hauptberuflich. Meine Mitgesellschafter Sebastian Huber und Jürgen Marschal haben nebenbei noch andere Projekte. Bei uns sind aber auch Freelancer tätig.
medianet: Wie reagieren beispielsweise Parteien, die ihr in euren Artikeln erwähnt?
Jergitsch: Die meisten reagieren nicht. Die FPÖ postet hin und wieder Artikel, die über andere Parteien verfasst wurden – das passt natürlich in deren Kommunikationsstrategie. Die Grünen posten gerne ‚Tagespresse'-Artikel über sich selbst. Wir arbeiten grundsätzlich gegen alle.
medianet: Wie sieht die Zukunft der ‚Tagespresse' aus?
Jergitsch: Sehr rosig. Wir schauen, was sich auftut. Neben der Sendung im ORF bringen wir auch wieder ein Buch heraus.
medianet: Wovon träumt man, wenn man mit 26 schon so viel erreicht hat?
Jergitsch: (lacht) Ich träume davon, dass mir die ‚Tagespresse' für mehrere Millionen Euro abgekauft wird – so viel, dass ich nie wieder arbeiten muss. Ich würde gern hobbymäßig die ‚Tagespresse' machen und hauptsächlich kochen. Dann hätte ich auch Zeit, den Flugschein zu machen.