Die Vermessung des Mangels
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AMS-Chef Johannes Kopf: Bei der Frage, wo es tatsächlich Engpässe gibt und welche Rolle die Arbeitsbedingungen spielen, gebe es unterschiedliche ideologische Zugänge.
MARKETING & MEDIA Redaktion 09.06.2023

Die Vermessung des Mangels

Statt das „Händeringen” zu prolongieren, setzen AMS und Arbeitsministerium auf Fakten und bessere Daten.

WIEN. Im 1. Quartal 2023 waren laut den heimischen Betrieben 228.300 Stellen unbesetzt. Von diesen aktuell leeren Arbeitsplätzen entfallen 134.700 auf den Dienstleistungsbereich, 61.100 auf den produzierenden Sektor und 32.500 auf den öffentlichen Bereich. Dem Arbeitsmarktservice (AMS) wurden von den Firmen allerdings nur 118.100 der offenen Stellen gemeldet, teilte die Statistik Austria am Dienstag mit.

Neue Zahlengrundlagen

Der Unterschied ist laut AMS-Chef Johannes Kopf und Arbeitsminister Martin Kocher (ÖVP) „nicht überraschend”. Die beiden präsentierten im Zusammenhang mit dem Arbeitskräftemangel als neues Werkzeug nun ein sogenanntes Fachkräftebarometer, das Engpässe am Arbeitsmarkt besser abbilden soll, indem auch Stelleninserate etwa von Jobportalen integriert werden.

Das Barometer berücksichtigt saisonale und konjunkturelle Schwankungen und zeigt quartalsweise Ergebnisse zu Fachkräfteengpässen auf Berufsebene für Österreich auf. Demnächst sollen auch die Werte in den einzelnen Bundesländer aufgeschlüsselt werden.
Derzeit besonders gefragt sind beispielsweise Diplom-Krankenpfleger und -Krankenpflegerinnen, Erzieherinnen und Erzieher sowie Maschinenbautechnikerinnen und Maschinenbautechniker. Etwas dahinter folgen Elektroninstallateurinnen und -installateure sowie Technikerinnen und Techniker für die Datenverarbeitung. Regional gibt es große Unterschiede. Mangelberufe gibt es derzeit insgesamt österreichweit 98.

Mit Vorsicht interpretieren

„Das Tool ist ein weiterer Schritt zur besseren Abbildung von Engpässen am Arbeitsmarkt”, sagte Kocher bei einer Pressekonferenz in Wien.

Es sei aber auch „mit Vorsicht zu interpretieren” und solle nur „kurzfristige Anpassungen in der aktiven Arbeitsmarktpolitik” intendieren. Es werde wegen kurzfristiger Engpässe in bestimmten Berufen nicht etwa die Empfehlung an junge Menschen geben, dort kurzfristig eine Ausbildung zu starten, so Kocher. Es gehe darum, „zielgerichtet mit Qualifikationsmaßnahmen bedarfsgerecht zu reagieren”. Kopf betonte, dass es bei der Frage, wo es tatsächlich Engpässe gebe, unterschiedliche ideologische Zugänge gebe, worin ein Mangel oder ein Überangebot sich zeigt und welche Rolle die gebotenen Arbeitsbedingungen spielen.

IV pocht auf Gesamtstrategie

Auf die Saisonkontingente für ausländische Arbeitnehmer werde sich das neue Werkzeug nicht direkt auswirken, so Kocher. Die Kontingente würden schließlich im Vorhinein fixiert. „Im Nachhinein könnten sich aber vielleicht interessante Aspekte ergeben, um zu sehen, wo sich besondere Knappheit gezeigt hat.”

Die Industriellenvereinigung (IV) begrüßte das neue Werkzeug. Insgesamt brauche es aber eine umfassende Arbeits- und Fachkräftestrategie, die darauf abzielt, alle Potenziale zu heben. (APA/red)

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