••• Von Dinko Fejzuli
Mit einer neuen strategischen Partnerschaft setzen RTL AdAlliance und ORF-Enterprise ein deutliches Signal für die europäische Medienlandschaft: Das Werbeinventar des ORF ist ab sofort über die RTL AdAlliance auch international buchbar – und damit stärker als je zuvor in den globalen Wettbewerb eingebunden. Im Gespräch mit medianet erläutern Oliver Böhm, Geschäftsführer der ORF-Enterprise, und Oliver Vesper, Co-CEO und Chief Digital Officer der RTL AdAlliance, welche wirtschaftlichen und strategischen Ziele sie mit dieser Kooperation verfolgen, warum Vertrauen und Offenheit zentrale Erfolgsfaktoren sind – und wie der Schulterschluss europäischer Broadcaster zur Antwort auf die Marktmacht der Tech-Giganten werden soll.
medianet: Herr Vesper, Herr Böhm, Sie haben vor Kurzem eine Partnerschaft zwischen der RTL AdAlliance und der ORF-Enterprise bekanntgegeben: Damit ist das ORF-Inventar nun international buchbar. Welche konkreten Erwartungen in Zahlen haben sie mit dieser Kooperation?
Oliver Böhm: Das Inventar des ORF war seit jeher international buchbar und wird auch weiterhin von der ORF-Enterprise erfolgreich vermarktet; allerdings ab sofort mit dem Turbo Boost der RTL AdAlliance: Mit ihren 300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in zwölf Ländern und 15 Niederlassungen ist die Werbung noch näher und schneller bei den internationalen Entscheidern. Wir haben ambitionierte Meilensteine geplant und uns natürlich auch in konkreten Euros einiges vorgenommen. Ich gehe davon aus, dass bereits im ersten vollen Jahr der Zusammenarbeit das Umsatzplus hoch sechsstellig bzw. niedrig siebenstellig sein wird.
Oliver Vesper: Neben unseren internationalen Umsatzzielen sind vor allem strategische Faktoren entscheidend für die Kooperation. Die Strahlkraft des ORF ist enorm, zugleich sind die Tech Firmen international, insbesondere bei CMOs und Agentur-Hubs, äußerst präsent. Die RTL AdAlliance setzt genau da an und öffnet die Türen zu schwer zugänglichen Entscheidungsträgern und ihren strategischen Budgetressourcen.
medianet: Eine atmosphärische Frage zur Kooperation: Vor ein paar Jahren hat man sich gegenseitig – ORF gegen Private –, um es freundlich auszudrücken, eher unfreundlich in der Öffentlichkeit gezeigt. Wie weit ist diese Zusammenarbeit auch als ein sichtbares Zeichen des von vielen geforderten nationalen Schulterschlusses gegen die Tech-Giganten zu sehen?
Böhm: Die Zusammenarbeit zwischen ORF-Enterprise und RTL AdAlliance ist geradezu ein Paradebeispiel für den essenziell wichtigen Schulterschluss von nationalen Medien und Werbeangeboten: Wir haben gemeinsam Strategien entwickelt, um Marketing-Entscheidern eine attraktive, lebendige Werbealternative zum algorithmisch bestimmten Angebot der Tech-Firmen zu ermöglichen. Neben der in unser beider Häuser langjährigen Erfahrung im Bereich der Vermarktung auf höchstem Niveau, ist das entscheidende Momentum gegenseitiges Vertrauen bei sensiblen Themen wie Verkaufsstrategie, Pricing und Kunden Beziehungen.
Vesper: Bei dieser Kooperation wird die nationale Vermarktung um eine internationale Dimension erweitert. In Österreich bleiben wir in der Vermarktung weiterhin Wettbewerber. Bei internationalen Werbetreibenden und Agenturen sind wir gemeinsam stärker, weil wir ein größeres und vor allem gesuchtes Werbeinventar bieten, das noch dazu einfach zu buchen ist. Weder individuelle Egos noch Markeninteressen dürfen hierbei im Vordergrund stehen. Offenheit sowie Vertrauen bleiben zentral und es muss auch gelingen, Kontrolle abzugeben. Oliver Böhm hat dies von Anfang an gezeigt und dafür bin ich sehr dankbar. Unser intensiver Austausch über den Markt ist absolut bereichernd.
medianet: Welche Bedeutung hat die Kooperation auch für den Medienstandort Österreich?
Vesper: Die Kooperation kann innerhalb der österreichischen Medienlandschaft ein Zeichen setzen. Ohne Internationalität wird es künftig nicht mehr gehen. Marketing-Budgets werden heute mehr denn je zentralisiert geplant, damit wachsen die US-Tech-Anbieter weiter. Dieser herausfordernden Managementaufgabe müssen sich europäische Medien aktiv stellen – unabhängig von der Unternehmensgröße: Allein ist diese Internationalisierung kaum zu stemmen. Wir müssen gezielt und vermehrt Kooperationen und Allianzen eingehen.
Böhm: Es ist in Österreich sowohl bei den Medien als auch in der Politik mittlerweile Common Sense, dass ein oder auch einige wenige heimische Medien den Abfluss von Werbegeldern zu den Tech-Firmen nach USA und China nicht stoppen werden. Das geht nur, wenn wir alle bei den ohnehin offensichtlichen Sollbruchstellen dieser Herausforderung zusammenarbeiten. Wir müssen es schaffen, ein gemeinsames österreichisches Werbeangebot mit höchstmöglicher Reichweite und größtmöglichem Kundennutzen auf den Markt zu bringen. Da sind ORF, VÖP und VÖZ auf einem sehr guten Weg. Die Zusammenarbeit mit der RTL AdAlliance hat sich in kritischen und konstruktiven Gesprächen unter Kollegen ergeben und wird auch den geplanten ‚rein österreichischen Kooperationen‘ als Katalysator dienen.
medianet: Herr Böhm: Wie weit ist die Kooperation aus ORF-Sicht auch dem Umstand geschuldet, dass immer mehr internationale Kunden Österreich nicht mehr als Einzelmarkt sehen und somit quasi keine Buchungen ohne eine internationale Kooperation als Vermarkter möglich wären?
Böhm: Damit ist eine der großen Herausforderungen sehr klar beschrieben. Einerseits erleben wir, dass gerade das Regionale oder in dem Fall das Nationale das ist, was Menschen dazu bringt Medien zu konsumieren, die diesen Content anbieten und dann natürlich auch als wertvolle Zielgruppe bei internationalen Kunden gesucht und gehandelt werden. Andererseits werden immer mehr Entscheidungen weit weg von Österreich und Deutschland oder außerhalb Europas getroffen. Dort sind wir als Land doch zu klein für die Dashboards in den Headquarters. Gemeinsam bekommen wir die Relevanz und die Prominenz die uns beziehungsweise unseren Sehern, Hörern und Usern zustehen; trotz der Entfernung und der oftmals großen kulturellen Unterschiede. Darin liegt die Stärke in der Zusammenarbeit mit der RTL AdAlliance als Repräsentant und ‚Dolmetscher‘.
medianet: Herr Vesper, welche Vorteile bringt die Kooperation mit der ORF-Enterprise konkret für die RTL AdAlliance?
Vesper: Wir stehen im intensiven internationalen Wettbewerb. Kunden und Agenturen suchen nach Effizienz und Vereinfachung, nach dem, was wir unter Simplicity verstehen – und was sie häufig bei den US Tech-Firmen finden. Doch eines können diese nicht: Total Video – unsere Bezeichnung für die Symbiose aus klassischem Fernsehen und hochwertigen digitalen Videoumfeldern. Die Inhalte der europäischen Fernsehhäuser haben über Jahrzehnte Vertrauen bei den Zuschauern aufgebaut. Dafür lohnt es sich zu kämpfen, es geht um journalistisch geprüfte, qualitativ hochwertige Inhalte, die eine zentrale gesellschaftliche Rolle spielen, teuer in der Produktion sind und geschützt werden müssen. Je relevanter und stärker unser Portfolio ist, und je mehr europäische Märkte wir abdecken, desto besser können wir diesem Wettbewerb die Stirn bieten. Wir arbeiten bereits mit führenden Broadcastern in ganz Europa zusammen – darunter RTL Deutschland und Niederlande, Atresmedia in Spanien, ITV in Großbritannien, RAI in Italien sowie in Frankreich neben M6 seit Kurzem auch mit France Télévisions. Und nun in Österreich mit dem ORF. Diese Partnerschaften tragen entscheidend dazu bei, den europäischen Anspruch von Trusted Media weiter zu schärfen und sichtbar zu machen. Heinz Mosser, CFO der ORF-Enterprise, ist bereits seit einiger Zeit durch viele Gespräche im Rahmen der EGTA mit unserem Ansatz vertraut.
medianet: Wie genau sieht die Kooperation aus, bzw. welche übergeordneten strategischen Ziele verfolgen Sie mit dieser Partnerschaft? Wachstum, internationale Sichtbarkeit, technologische Synergien oder andere Dinge?
Vesper: Im Kern geht es um eine gestärkte internationale Präsenz, um Wachstum im Bereich Total Video sowie um die Erschließung technologischer Synergien – etwa bei Addressable TV. Der Fokus liegt jedoch zunächst klar auf dem gezielten Ausbau der internationalen Vermarktung.
medianet: Ist diese Kooperation auch als strategische Abwehr gegen die Dominanz der Tech-Giganten zu verstehen? Also als Versuch, europäische Medienmarken zu bündeln und damit mehr Schlagkraft gegenüber den GAFAs zu gewinnen
Vesper: Ja, genau das ist die Punchline der Zusammenarbeit in der RTL AdAlliance! Internationale Kunden können so auf die Werbeinventare von mehr als 100 TV-Sendern, 350 Printmedien und 5.000 Premium-Websites mit über 150 Millionen täglichen TV-Zuschauern und mehr als vier Milliarden Online-Ad-Impressions im Monat zugreifen. Um es auf den Punkt zu bringen: Eine wettbewerbsfähige, mit anerkannten Standards ausgestattete, messbare Alternative zu manch schwer zu evaluierenden Risikomodellen einiger Techangebote.
medianet: Sie haben von einer ‚exklusiven‘ Kooperation zwischen ORF-Enterprise und RTL AdAlliance gesprochen. Wie weit ist man künftig auch für weitere Partner offen?
Vesper: Internationale Vermarktung braucht Klarheit, vor allem im Bereich Total Video. Mit der RTL AdAlliance hat die ORF-Enterprise sozusagen ihren verlängerten Vertriebsarm in Europa. Diese Rolle füllen wir auch für viele weitere europäische Broadcaster aus. So stärken wir die Zusammenarbeit zwischen Broadcastern in ganz Europa.
medianet: Auch wenn erst jetzt gerade die aktuelle Kooperation verkündet wurde: Welche Vision haben Sie für die kommenden Jahre?
Böhm und Vesper: Wir wollen eine gemeinsame, zukunftsfähige europäische Ad Sales-Infrastruktur für Total Video und Audio, die das europäische Mediensystem stärkt und digital wettbewerbsfähig ist – partnerschaftlich und auf Augenhöhe. Zu unseren aktuellen Überlegungen zählen auch übergeordnete Ideen, wie z.B. beim Cannes Lions Festival 2026, da ist die ORF-Enterprise traditionsgemäß der offizieller Repräsentant Österreichs, da wollen wir gemeinsam eine Austrian Broadcaster Night auf dem RTL Ad Alliance Beach umzusetzen und dafür weitere Sender – zusätzlich zum aktuellen Portfolio – mit ins Boot zu holen.
